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Auf Achse

Zurück in Kuba

Für das 23. Festival del Habano pilgerten Fachhändler, Geniesserinnen und Sammler aus aller Welt nach Havanna. Sie trafen auf ein Land, in dem sich vieles verändert hat.

Text und Fotos: Tobias Hüberli

Sie sind einigermassen neu im Strassenbild von Havanna: illegale Geldwechsler, die etwa in der Calle Neptuno, gleich hinter den grossen Hotels, auf Touris­tinnen und Touristen warten. 2021 wur­de das duale Währungssystem mit dem Peso cubano sowie dem an den Euro angebundenen Peso convertible abge­schafft. Seither gilt auf der Insel nur noch der kubanische Peso, anfangs mit einem Wechselkurs von 24 Pesos zu einem Euro. Diesen März erhielt man im Hotel 120 Pesos für einen Euro, auf der Strasse waren es hingegen 175.

Die Auswirkungen der Währungsre­form für die kubanische Bevölkerung sind dramatisch. Der Durchschnittslohn von zirka 3000 Pesos reichte während unseres Aufenthalts für einen Liter Öl und einen Karton Eier. Viele Güter des täglichen Bedarfs, zum Beispiel Zahn­pasta, können nur in speziellen Läden und ausschliesslich in harter Währung gekauft werden. Oder anders gesagt: Die reale Kaufkraft der Kubanerinnen und Kubaner ist in den letzten zwei Jahren massiv eingebrochen.

Vor allem junge und gut ausgebildete Menschen verlassen das Land in Scha­ren. Allein im letzten Jahr hätten die US­-amerikanischen Behörden die Ankunft von 300 000 Kubanerinnen und Kuba­nern registriert, schreibt der Tages­-Anzeiger. Nachdem Mitte des letzten Jahrzehnts mit dem historischen Be­such von Barack Obama noch eine Art Aufbruchsstimmung geherrscht hatte, ist Kuba nach dem Ende der Pandemie in dunkle, an die Neunzigerjahre erinnernde Zeiten zurückgefallen, als die Wirtschaft mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion praktisch kollabierte.

Im krassen Gegensatz dazu haben sich kubanische Zigarren, zumindest die Topmarken, in den letzten zwei Jah­ren diskussionslos im Luxusmarkt etab­liert. Sie werden weltweit wie Juwelen für Tausende von Franken gehandelt. Mitverantwortlich dafür sind die neuen aus China stammenden Besitzer der Marketing­ und Vertriebsorganisation Habanos SA. Ab 2021 hoben sie in zwei Schritten die Preise für Brands wie Co­hiba und Trinidad sowie für Linien wie die Linea de Oro von Romeo y Julieta massiv an. Gleichzeitig sank die welt­weite Verfügbarkeit von Havannas auf­grund der Pandemie drastisch. Die Verknappung heizte den Markt noch weiter an.

Eine grosse Frage am 23. Festival del Habano lautete deshalb: Wie viele Zigarren werden auf Kuba eigentlich produziert? Die Habanos SA nennt in der Regel keine Stückzahlen. Für 2022 kommunizierte das Unternehmen einen Umsatz von 545 Millionen Dollar. 2021 wies es einen Umsatz von 568 Millionen Dollar aus. Wechselkursbereinigt soll das aktuelle Resultat aber einem Plus von zwei Prozent gegenüber 2021 ent­sprechen. Allerdings fanden zwischen diesen beiden Fiskaljahren die Preis­erhöhungen statt. Der etwas höhere Umsatz bei höheren Preisen suggeriert, dass die Menge der produzierten Zigar­ren eher zurückgegangen sein muss.

In zahlreichen Gesprächen mit ho­hen Repräsentanten der kubanischen Zigarrenindustrie kristallisierten sich folgende Volumen heraus. In den Jah­ren vor der Pandemie wurden in Kuba etwas mehr als 70 Millionen Zigarren hergestellt. 2020 sank die Produktion auf 50 Millionen Stück, 2021 waren es 54 Millionen und 2022 zirka 56 Millio­nen. 2023 will die Habanos SA wieder 70 Millionen exportieren. Ein sehr opti­mistisches Ziel, befinden sich unter den Abwanderungswilligen doch auch viele Rollerinnen und Roller, die in anderen Produktionsländern heiss begehrt sind, in den heimischen Manufakturen dafür schmerzlich fehlen.

Als kompliziert, aber nicht hoff­nungslos beurteilt Louis­-Charles Lévy, Verwaltungsrat der Intertabak AG, die aktuelle Lage. «Kulturell betrachtet, können die Chinesen mit den kubani­schen Gegebenheiten wohl noch am besten umgehen und ihre Ziele errei­chen.» Preiserhöhungen seien zum Beispiel schon früher versucht, aber nicht realisiert worden. «Die kubani­sche Zigarrenindustrie hat in den letz­ten 30 Jahren viele Krisen er-­, aber eben auch überlebt», sagt Lévy. So gelte es als sicher, dass der staatliche Tabak­hersteller Cubatabaco chinesische Fi­nanzspritzen erhalte, allerdings nur für klar umrissene Projekte im Bereich der Premiumzigarren.

Auf den Tabakfeldern in Pinar del Río ringen die Bauern und Bäuerinnen noch immer mit den Auswirkungen von Hur­rikan Ian, der letzten September über die Insel fegte. Die aktuelle Ernte ist da­von zwar nicht direkt betroffen (die Setzlinge waren damals noch nicht aus­gesetzt), dafür wurden 1570 Trocken­schuppen dem Erdboden gleichgemacht. Das Zeitfenster für die Aussaat liegt nor­malerweise zwischen dem 20. Oktober und dem 15. Januar. Dieses Jahr sind die Farmerinnen und Farmer später dran und befinden sich überdies in einem Wettlauf mit der Zeit. Nach 70 bis 90 Tagen kann der Tabak geerntet wer­den, bis dann müssen auch die Trock­nungshäuser wieder aufgebaut sein. Wie der Hurrikan die Tabakproduktion der nächsten Jahre beeinflussen wird, ist schwierig zu bewerten. Förderlich war er sicher nicht. Zudem sollen auch einige Tabaklager von Cubatabaco dem Sturm zum Opfer gefallen sein.

Den zahlreichen Festivitäten am 23. Festival del Habano taten derlei Nachrichten indes keinen Abbruch. Die Abendanlässe gingen, mit einer Aus­nahme, mit viel Kultur und feinen Zigar­ren über die Bühne (siehe Box). Und auch dieses Jahr wurden Havannas prä­sentiert, die erst in zwei oder drei Jah­ren und wohl nur in begrenzten Mengen weltweit auf den Markt kommen dürf­ten. Ein gutes Beispiel für die traditio­nell verzögerten Auslieferungen ist die 2020 in Havanna präsentierte Zigarre Quai d’Orsay Selection Royale Edición Regional Suiza. Die Regionalausgabe ist Ende März, nach drei Jahren, in der Schweiz eingetroffen (und war innert kürzester Zeit vergriffen). Immerhin ste­hen die Chancen nicht schlecht, dass nächstes Jahr das 2021 bestellte Gordi­to-­Format Diplomaticos El Emisario Edición Regional Suiza dem Fachhandel geliefert wird. Übrigens hat Intertabak auch für 2023 eine (ungemein prächti­ge) Landeszigarre in Auftrag gegeben: eine Por Larrañaga im Format Laquito No. 2 (38 mal 152 Millimeter).

Und zum Schluss? Nach einer ereig­nisreichen Woche in Havanna sind fol­gende Erkenntnisse festzuhalten. Es ist anzunehmen, dass die Habanos SA die eingeschlagene Strategie im Luxusseg­ment weiterführen wird. Kubanische Zigarren werden auch in den kommen­den Jahren knapp sein und tendenziell teurer werden. Der Kontrast zwischen dem Luxusprodukt Havanna und den wirtschaftlichen Realitäten der kubani­schen Bevölkerung dürfte sich eher noch verstärken. Sicher ist: Die weltwei­te Nachfrage nach kubanischen Zigar­ren ist ungebrochen und übersteigt das Angebot bei Weitem. Der Fachhandel verzeichnet denn auch Rekordum­sätze – wenn er über Ware verfügt, die er verkaufen kann. Aber genau dort liegt der Hund begraben.

Das 23. Festival del Habano im Zeitraffer

Der Eröffnungsabend des 23. Festival del Habano fand im altehrwürdigen Club Habana statt und stand ganz im Zeichen der Submarke Montecristo Open. Die Ansprache hielten die Co-Präsidenten Luis Sánchez-Harguindey Pardo de Vera und Maritza Carrillo González. Jeder Gast erhielt eine Box mit zwei Zigarren der neuen Linie Montecristo Open Slam. Die 152 Millimeter lange, mit einem 52er-Ringmass ausgerüstete Vitola ist die fünfte Linie von Montecristo Open und schlägt wie auch ihre Vorgängerinnen Montecristo Eagle und Montecristo Master eine Brücke zum Golfsport.

Am Festival-Mittwoch präsentierten die Verantwortlichen auf dem El-Laguito-Gelände die neu aufgelegte Zigarre Bolívar Gold Medal. Die ursprüngliche Bolívar Gold Medal wurde bis in die Neunzigerjahre hergestellt. Anschliessend folgte ein Relaunch als La-Casa-del-Habano-Edition. Die neue Ausgabe ist gleich lang wie ihre Vorgängerin (165 Millimeter), aber mit einem 48er-Ringmass etwas dicker. Nach einer gelungenen Show im Pool verkündete der Moderator, dass man die Bolívar Gold Medal am Abend selbst kaufen könne. Eine Premiere – und eine Katastrophe für den Event, der damit gelaufen war. Sofort bildete sich eine lange Schlange, die sich über Stunden nicht auflöste. Jeder Gast konnte zwei Kisten kaufen, es gab genau ein einziges Kartengerät, um zu bezahlen. Das Gedränge war gross, es kam zu tumultartigen Szenen. Von der spielenden Musikband oder dem Essen nahm niemand mehr Notiz.

An der Messe im Palacio de las Convenciones gab es noch weitere Zigarrenneuheiten zu bestaunen. Zum Beispiel die La Gloria Cubana Turquinos, ein Robusto-Extra-Format, ähnlich einer Hoyo de Monterrey Epicure Especial. Oder aber die Cohiba Espléndidos Gran Reserva Cosecha 2017, ein klassisches Churchill-Format, gerollt aus fünf Jahre gereiftem Tabak.

Der Gala-Abend stand dann ganz im Zeichen der neuen Linie Partagás Línea Maestra. Auf der Bühne wurde – wie gewohnt – ein hochklassiges Programm geboten. Nach jedem Gang genossen die Gäste eine Zigarre aus der neuen Linie: Partagás Línea Maestra Origen (15,4 mal 46 Millimeter), gefolgt von Rito (16,8 mal 52 Millimeter) und Maestro (13,2 mal 56 Millimeter). Die traditionelle Versteigerung der Humidore zog sich dann ziemlich in die Länge, auch weil die erzielten Preise höher ausfielen als in anderen Jahren. So kam etwa der Humidor von H. Upmann für 980 000 Euro unter den Hammer, für das mit exklusiven Zigarren gefüllte Möbel von Romeo y Julieta wurden 1,2 Millionen Euro bezahlt, für den Partagás-Humidor 2,6 Millionen Euro und für das vom ebenfalls anwesenden Staatspräsidenten Miguel Díaz-Canel signierte Stück von Cohiba berappte jemand stolze 4,2 Millionen Euro. Insgesamt kamen an der Auktion über elf Millionen Euro zusammen.
 

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