Text: Roland Schäfli
Die Gazetten der Filmindustrie haben es bereits vermeldet: Nach «Lincoln» arbeitet Steven Spielberg an einem weiteren Epos um einen US-Präsidenten. Dieses Mal soll Ulysses Simpson Grant im Vordergrund stehen. Die Epoche ist dieselbe: Grant war Lincolns General, nicht sehr schmeichelhaft «Lincolns Butcher» genannt, der Schlächter in Diensten des Weissen Hauses. Zwei Amtszeiten sass Grant daraufhin selbst im Oval Office, von 1869 bis 1877. Für die Titelrolle stellt Spielberg sich Leonardo DiCaprio vor. Wie der Erfolgsregisseur Grants Vorliebe für Zigarren ins US-Kino übertragen will, das den Tabakkonsum bekanntlich ächtet, ist bisher Spielbergs Geheimnis.
Er ist das Gesicht auf dem 50-Dollar-Schein. Dabei ist Ulysses Simpson Grant ohne seine ansonsten omnipräsente Zigarre fast nicht zu erkennen. Dieses Bild des Nordstaatengenerals, der nicht ohne Zigarre zwischen den Zähnen in den Krieg zieht, wird durch eine Schlacht im Jahr 1862 geprägt. Es ist Winter, und der Krieg läuft schlecht für Lincolns Norden. General Grant, oberster Befehlshaber der Nordstaaten-Armee, hat Pläne für den Angriff auf eine konföderierte Festung geschmiedet: Fort Donelson beherrscht den Wasserweg ins Herzland des Südens, nach Tennessee. Der Kommandant der US-Navy, der für Grant das Hindernis aus dem Weg räumen soll, präsentiert dem General auf seinem Flaggschiff eine Zigarre. Grant, bis dahin begeisterter Pfeifenraucher, der auch zu Kautabak nicht Nein sagt, spart sich das Präsent für den Rückweg auf. Gerade hat er sie angesteckt, als der grau uniformierte Feind von allen Seiten angreift. «Ich galoppierte vorwärts und gab meinen Männern Befehl, den Angriff zurückzuschlagen, die Zigarre noch in der Hand», erinnert er sich später. Zwar ist die Glut ausgegangen. Doch als alles vorüber ist, stellt der General fest, dass er die Zigarre während des ganzen Gefechts zwischen den Fingern hielt. Die Rebellen ergeben sich am nächsten Morgen.
Die Zeitungen sind voll von Grants erstem grossen Triumph. Doch ein Fehler in der Berichterstattung hat Folgen: «In den Artikeln wurde ich mit einer brennenden Zigarre dargestellt. Deshalb sandten mir zahlreiche Personen Kisten mit ausgewählten Zigarren.» Nicht weniger als 10 000 Zigarren erreichen Grants Hauptquartier. Ein Zigarrenspender schreibt: «Gewinnen Sie weiter Schlachten, dann sende ich Ihnen weiter Zigarren.» Der General verschenkt diese zwar an seine Offiziere, findet aber Gefallen am Zigarrenrauchen – und gibt die Pfeife schliesslich auf. «Ich habe mehr Zigarren geraucht, als ich unter normalen Umständen je rauchen würde, und bin nun dabei geblieben.» Das ist leicht untertrieben. Man sieht den Yankee kaum noch ohne glimmenden Kolben im Mundwinkel. Bis er schliesslich 20 Stumpen täglich durchhat – zirka einen pro Stunde. Als im kommenden Jahr die Rebellen-Hochburg Vicksburg fällt, reitet Grant zur Übergabe der Stadt – mit einer Zigarre zwischen den Lippen.
«Das ist einer der Vorteile, kommandierender General zu sein: Man kriegt die besten Zigarren», grient er. Die Zigarrenkisten verfolgen ihn auf seinem Kreuzzug quer durch die kriegführenden Staaten. In einem offenen Brief appellieren Gesundheitsapostel an Grant, der Jugend Amerikas zum Beispiel zu gereichen. Als er am Palmsonntag des 9. April 1865 schliesslich die Kapitulation seines Gegenspielers entgegennimmt, des Südstaaten-Generals Robert Lee, frönen Überlieferungen zufolge bei der Unterzeichnung des Waffenstillstands beide Männer dem Tabak.
Der Songtext von Ulysses Grants Präsidentschaftskampagne lautet «A Smoking his Cigar». Erst als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika macht er den Effort, sich nicht mit Zigarre ablichten zu lassen – die er freilich ansonsten ungestört weiterqualmt. Grant verlässt das höchste Amt 1877, stirbt 1885. New York hält den längsten Trauerzug seiner Geschichte ab. Ulysses Simpson Grants Image als Zigarrenraucher hat ihn dank Hollywood überlebt. In jedem Streifen über den Sezessionskrieg, in dem Grant auftritt, ist der «Stogie» ein unverzichtbares Requisit. Wenn John Wayne in «Das war der Wilde Westen» auf dem blutigen Schlachtfeld eine Besprechung mit General Grant abhält, dann kauen beide frustriert auf kalten Zigarren herum.
Grants Image prägte damit die Galerie amerikanischer Generäle, die daraufhin nicht mehr ohne Rauchzeug auskamen. Prominente Beispiele sind George Patton, der die Nazis nie ohne Zigarre aus dem Feld schlug, und Douglas MacArthur, der die Japaner von den Philippinen vertrieb und sogar auf offiziellen Porträts mit seiner markanten Meerschaumpfeife abgebildet ist. Die Tabakindustrie und das Militär waren eine besondere Beziehung eingegangen: «Smokes for the Boys» hiess eine Kampagne, mit der den Amerikanern im Feld stets frischer Tabak zugeführt wurde. Um die Lieferungen sicherzustellen, hatte Präsident Franklin Roosevelt Tabak unter Schutz gestellt. Dass ein Mann in Uniform sich in der Kampfpause eine gute Zigarre gönnen darf, hatte Ulysses Simpson Grant salonfähig gemacht.