cigar | Cohiba Superstar
Aus Cigar 1/2021
In Form

Cohiba Superstar

Goldschwarz mit Indianerkopf: Cohiba wird 55 Jahre alt. Doch der traditionell mit neuen Modellen gefeierte Geburtstag in Havanna fiel der Covid-19-Pandemie zum Opfer. Die Zigarrenwelt rätselt, ob trotzdem grosse Neuigkeiten ins Haus stehen.

Text: Florian Schwab
Fotos: Mojca Vidmar

Immer im Februar findet auf Kuba das Festival del Habano statt. Für 2021 hiess es erstmals seit der Lancierung vor 23 Jahren: Der Anlass wird abgesagt. Ein grosser Verlust. Denn das Festival wäre dem 55. Geburtstag von Cohiba gewidmet gewesen. Und wenn es um das emblematische Symbol der kubanischen Revolution geht, das Lieblingskind des Regimes unter den Marken – wir kommen darauf zurück –, lassen sich Cubatabaco und Habanos immer besonders viel einfallen.

Zum 40. Geburtstag 2006 wurde die ­Behike vorgestellt. Und unvergessen ist die grosse Sause zum 50-jährigen Bestehen vor fünf Jahren, als fünfzig mit Blattgold verzierte Cohiba-Aniversario-Humidore mit je fünfzig Cohiba 50 An iversario angekündigt wurden, dem bisher grössten Cohiba-Format mit einem Ringmass von 60. Ursprünglich standen rund 200 000 Franken auf dem Preisschild. Unter Sammlern werden sie inzwischen für das Doppelte gehandelt. Ebenfalls zum 50. wurde das Format Medio Siglo (zu Deutsch: halbes Jahrhundert) kreiert. Wenn Cohiba gefeiert wird, dann richtig. Und der 55. Geburtstag ist ja nicht unbedingt eines jener Jubiläen, die man unbedingt begehen muss. Man durfte also mit Recht erwarten, dass es einen guten Grund für die unübliche Zelebration geben würde.

Cohiba! Keine andere Zigarrenmarke – im kubanischen Kontext darf man nicht von Herstellern sprechen, da die Manufakturen von Cubatabaco die ganze Modellpalette produzieren; nicht einmal Cohiba hat eine ganz eigene Fabrik – erreicht die Strahlkraft der Goldschwarzen mit dem Indianerkopf. Während Namen wie San Cristóbal oder Ramón Allones nur dem ambitionierteren Aficionado etwas sagen, können auch die meisten Nichtraucher mit dem Begriff Cohiba etwas anfangen. Das Wort verbindet auf originelle Weise die Welten der grössten Kenner und der blutigen Amateure: Für die meisten Aficionados führt an Cohiba kein Weg vorbei, wenn sie sich etwas besonders Gutes gönnen möchten. Und der Anfänger wird magnetisch von der Bekanntheit des Namens angezogen. Wie auch jemand, der sich in ein Zigarrengeschäft verirrt hat, um ein Geschenk zu kaufen.

In ihrer Symbolik bezieht sich Cohiba auf vorkoloniale Zeiten, als Kuba von den Taíno-Indianern bewohnt war. Dafür stehen der charakteristische Kopf und auch das Wort: Cohiba bezeichnet den von den Indigenen gerauchten Tabak in deren Sprache. Dieses mythische Erbe verbindet sich mit der kubanischen Revolution. Denn die durch viele Augenzeugenberichte bestätigte Legende will es, dass Cohiba anfänglich für den Privatbedarf von Fidel Castro produziert wurde. Einige Jahre nach der Revolution anno 1959 fiel dem legendären Staatschef auf, dass sein Bodyguard und revolutionärer Mit­kombattant Bienvenido Pérez Salazar, genannt Chicho – selber ein ehemaliger Zigarrenroller – eine besonders schlanke und lange Havanna rauchte. Es war das, was man heute als «custom rolled» ­bezeichnet: eine privat gerollte Zigarre ­ohne Marke. Fidel Castro liess sich ein Exemplar geben und war begeistert. ­Einige Zeit bezog er inkognito über seinen Bodyguard die Zigarren des Privatrollers Eduardo Ribera.

Die industrielle Produktion von Cohiba begann 1966 in der neuen Zigarrenfabrik El Laguito, angesiedelt in der schmucken, im Kolonialstil erbauten Villa des Zuckermagnaten Alberto Casimiro Fowler. Als sozialistischer Modellbetrieb konzipiert, war El Laguito in verschiedener Weise pionierhaft. Nicht nur wurde hier die Herstellung von Cohiba angesiedelt, auch war die Frauenförderung ein grosses Anliegen. Bis dahin war der Beruf des Zigarrenrollers männlich dominiert gewesen. El Laguito bildete neu auch gezielt viele Rollerinnen aus. Dies soll eine grosse Priorität Fidel Castros gewesen sein, wie auch seiner engen Mitarbeiterin und früheren Mitkämpferin Celia Sánchez Manduley. Sie soll es gewesen sein, die auf den Namen Cohiba verfiel.

Bis heute wird ein guter Teil der Cohiba-Zigarren in El Laguito hergestellt. Anfänglich waren sie für die Funktionäre des Regimes und als exklusives Geschenk bei Staatsempfängen bestimmt. Bereits 1965 soll Charles de Gaulle eine Kiste erhalten haben. Dem breiten Publikum wurde Castros Zigarre anlässlich der Fussball-Weltmeisterschaft 1982 im Madrider Hotel Ritz vorgestellt. Zu den schlanken Lanceros (Laguito No. 1) waren zwischenzeitlich zwei weitere Formate hinzugekommen: die Laguito No. 2 (Coronas Especiales) und die Laguito No. 3 (Panetelas). Ironischerweise hörte Fidel Castro gleichzeitig mit der globalen Vorstellung «seiner» Marke mit dem Zigarrenrauchen auf, wofür er von der Weltgesundheitsorganisation eine Medaille erhielt. Zur Begründung gab er dem Magazin Cigar Aficionado an, er wolle seinem Volk ein gesundheitliches Vorbild sein.

Die weitere Geschichte Cohibas ist geprägt von einem durchschlagenden kommerziellen Erfolg und der regelmässigen Ausweitung der Modellpalette. Die erfolgreiche Linea 1492 (Siglo I bis V) wurde Anfang der Neunzigerjahre konzipiert; 2002 kam die Siglo VI dazu – jede Siglo steht für ein Jahrhundert seit der Entdeckung Amerikas durch Ko­lumbus. Der wohl grösste Coup gelang ­Habanos mit der Behike, die 2006 vorgestellt wurde und seit 2010 im Handel ist – die Steigerung eines Super­lativs: Die bis dahin schon besten Zigarren der  Welt sollten nochmals übertroffen werden. Der Schlüssel dazu ist das nur in den Behike-Modellen verwendete geheimnisumwobene Medio-Tiempo-Blatt, ein besonders aromatischer Spross von der Spitze der Tabakpflanze. Trotz ihres hohen Preises sind die drei Behikes in den Ringmassen 52, 54 und 56 meist vergriffen. Unter Liebhabern werden für ältere Zehnerkisten mehrere tausend Franken geboten.

Cohiba ist dermassen erfolgreich, weil die Marke der glaubwürdigste Vertreter der postrevolutionären kubanischen Zigarrenindustrie ist. Im Vergleich zu den enteigneten vorrevolutionären Marken kommt ihr als leibliche Tochter der Revolution eine Sonderstellung zu. Dementsprechend wird sie von Cuba-tabaco gehegt und gepflegt: Niemand zweifelt daran, dass die besten Tabak-Chargen der Provenienz Vuelta Abajo für Cohiba reserviert werden und dass die besten Rollerinnen und Roller in jenen Manufakturen arbeiten, die auch Cohiba herstellen. Es kommt zwar auch bei Cohiba vor, dass eine Zigarre nicht einwandfrei gerollt ist. Aber deutlich seltener als bei anderen Havanna-Zigarren. Im Gegensatz zu vielen anderen Havannas scheint der Tabak, aus dem die Cohibas gefertigt werden, besser gereift und gelagert. Einzigartig macht Cohiba die dritte Lagerung der Tabakblätter in Holzfässern. Dies hebt den Geschmack und bietet dem Aficionado fast immer ein aromatisches Erlebnis über das gesamte vollmundige Spektrum, das man sich von einer kubanischen Zigarre verspricht.

Man ist also doppelt und dreifach gespannt, was sich Habanos zum 55. Geburtstag ausgedacht hat. Das Festival bietet in normalen Jahren eine seltene Gelegenheit, um ein paar Blicke ins Innenleben des byzantinischen Habanos-Imperiums zu erhaschen. Bei Mojitos und Zigarren lassen sich den Funktionären interessante Details, saftige Geschichten und Gerüchte entlocken. Viel war im letzten Jahr von einer möglicherweise bevorstehenden Behike 58 die Rede. Anstelle des Festivals führt Habanos vom 6. bis 8. Mai die digitalen Habanos World Days durch (habanosworlddays.com). Die Teilnahme steht allen Zigarrenliebhabern offen. Spätestens dann dürfte auch klar werden, wie die Geburtstagszigarren von Cohiba aussehen.

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