cigar | Unter Druck
Aus Cigar 1/2017
In Form

Unter Druck

Ihre Kunstdrucktechniken sind heute weltweit einzigartig: Das verdanken die Kubaner den Zigarrenfabriken. Bestaunen kann man die Werke auch in Zürich.

Text: Tobias Hüberli
Fotos: Jürg Waldmeier, Tobias Hüberli

Kubanische Kunst ist ein Nischenmarkt, die Nachfrage in der Schweiz, ja in ganz Europa ist gering», sagt Beatrice Liaskowski. Die Zürcherin muss es wissen. Seit 1998 führt sie im Zürcher Kreis vier die Galerie Havana. Davor lehrte die mit dem Gedankengut des Bauhaus-Stils, der De-Stijl-Bewegung, des rus­sischen Konstruktivismus’ sowie der Zür­cher Konkreten bestens vertraute Künstlerin während sechs Jahren als Gastprofessorin an verschiedenen kubanischen Kunstschulen. «In den USA und in Lateinamerika ist das Interesse definitiv grösser, die meisten kubanischen Künstler haben sich deshalb auf Amerika ausgerichtet.» Das sei insofern kein Problem, weil Kunstobjekte seit jeher vom Embargo ausgenommen sind.

In der von aussen unscheinbaren Galerie mitten in Zürichs Ausgehviertel schlummert die wohl grösste Sammlung kubanischer Kunst der Schweiz. Sie besteht aus zirka 300 Werken, so genau weiss es Liaskowski selbst nicht. «Die meisten Bilder stammen aus Ausstellungen, die ich in den letzten 20 Jahren auf die Beine gestellt habe.» Nicht selten waren sie ein Geschenk an die Galeristin, die dafür die Flugkosten des Künstlers in die Schweiz übernahm. Neben Gemälden beinhaltet die Sammlung auch viele Kunstdrucke, sogenannte Grabados. Unter diesem Begriff vereinen die Kubaner Kunstdrucktechniken wie Lithografie, Kolografie oder Holzschnitt.

«Die Lithografie wurde Mitte des 19. Jahrhunderts aus Bayern nach Kuba importiert, hauptsächlich, um Zigarrenkisten und Banderolen zu drucken», sagt Aliosky Garcia. Der 38-Jährige ist Professor für Grabados am Institute Superior de Arte (ISA) in Havanna. Die einzige Kunsthochschule der Insel liegt etwas ausserhalb der Hauptstadt auf dem weitläufigen Gelände des ehemaligen Country Clubs. Zurzeit beherbergt sie Fakultäten für Tanz, Musik und bildende Kunst. Letztere ist in sehenswürdigen futuristischen Kuppeln aus rotem Backstein untergebracht, ein Werk des kubanischen Architekten Ricardo Porro, der die Anlage 1962 zusammen mit den italienischen Kollegen Roberto Gottardi und Vittorio Garatti plante.

Beatrice Liaskowski führt eine Galerie in Zürich.
Ein Blick in die kubanische Sammlung im Zürcher Kreis vier
Aliosky Garcia (rechts) ist Professor für Grababdos.
Die Lithografie kam Mitte des 19. Jahrhunderts nach Kuba.
Das Institute Superior de Arte (ISA) in Havanna ist die einzige Kunsthochschule der Insel.


Unter der ehrwürdigen Kuppel der Grabado-­Abteilung stapeln sich die Lithografiesteine; sie zeigen alte Sujets aus Zeiten, in denen die kubanischen Zigarrenkisten noch mit dem historischen Flachdruckverfahren beschriftet wurden, aber auch moderne Entwürfe von den zehn Studenten und sechs Professoren, die hier Hand in Hand arbeiten. «Die kubanischen Kunstdrucke sind weltweit einzigartig», urteilt Liaskowski. Die aufwendigen Techniken werden anderswo kaum mehr praktiziert. Zigarrenkisten werden heute auch in Kuba mittels Offsetverfahren beschriftet. Die Studenten im ISA zeichnen dafür Motive von wilden Tieren, Gottheiten und erotische Formen seitenverkehrt auf die Steine. Es weht ein Wind des freien Geistes durch die Kuppeln.

Grabado ist im ISA neben der Bildhauerei und der Malerei eine von drei Studienrichtungen. «Kunstdrucke sind weniger lukrativ als die Malerei, nur wenige arbeiten deshalb nach ihrem Studium ausschliesslich in dieser Disziplin», erklärt Garcia. Fünf Jahre dauert die Ausbildung an der höchsten Kunstfakultät des Landes. Um überhaupt zugelassen zu werden, müssen die Studenten mindestens vier Jahre in einer der zahlreichen Kunstschulen absolviert haben. «Kunst ist per se etwas sehr Individuelles, wenn es aber etwas gibt, das alle kubanischen Artisten gemein haben, so ist es eine sehr gute Ausbildung», so Liaskowski.

Auch Garcia hat es einst versucht mit der Malerei, am Ende wandte er sich dann aber doch dem Kunstdruck zu. «Grabado erfordert Zusammenarbeit, Technik und viel Geduld, der Entstehungsprozess eines Drucks fasziniert mich.» Seine meist in Kleinstauflagen von zwei oder fünf Exemplaren hergestellten Werke verkauft Garcia in den Galerien der Hauptstadt, aber auch im Ausland ist er ein gefragter Mann, zum Beispiel für Grabado-Workshops an anderen Kunstschulen. «Nicht mehr viele beherrschen das Handwerk des Kunstdrucks so wie wir.»

Am 11. Mai eröffnet in der Galerie Havana in Zürich eine Ausstellung mit Werken der Grabado-Spezialisten Janette Brossard und Norberto Marrero, beide Absolventen des ISA. Dabei zeigen sie teilweise Unikate, aber auch Drucke mit sehr kleinen Auflagen. Zur Doppelausstellung gesellt sich ab dem 20. Mai zusätzlich die Ausstellung «Printed in Cuba, Cuba meets USA meets Switzerland». Die beiden kubanischen Druckkünstler Aliosky Garcia und Hanoi Pérez, die ebenfalls an diesem Projekt teilnehmen, sowie Janette Brossard und Norberto Marrero werden zur Vernissage anwesend sein. Die Ausstellung endet am 29. Juli.
www.havanagalerie.ch

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