cigar | Ganz schön stur
Aus Cigar 4/2017
Tabak total

Ganz schön stur

Vor fünf Jahren stellte Nirka Reyes die Zigarrenmanufaktur ihres Vaters auf den Kopf und produziert seither nur noch, was sie glücklich macht. Dazu gehört insbesondere auch die Schweizer Zigarrenmarke Patoro.

Interview: Tobias Hüberli
Fotos: Njazi Nivokazi

Wieso sollte jemand Ihre Zigarren rauchen?
Nirka Reyes: Weil in unserer Manufaktur nicht der Profit im Zentrum steht. Meine Familie baut seit sechs Generationen Tabak an. Mit unseren Zigarren wollen wir unsere Leidenschaft für den Tabak teilen. Als ich die Leitung der Firma übernahm, entschieden wir, weniger Zigarren herzustellen, und fokussierten dafür auf die Qualität. Einer meiner Klienten sagt, dass wir keine Zigarren produzieren, sondern Gründe, das Leben zu geniessen. Daran glaube ich auch.

Als Sie das Ruder übernahmen, senkten Sie die Produktion von 13 auf 2,5 Millionen Zigarren und riskierten das Überleben der Firma. Was trieb Sie dazu?
Seit dem Zigarrenboom in den Neunzigerjahren produzierte mein Vater Zigarren für viele verschiedene Marken. Es gab solche im Luxussegment, einen grossen Anteil machten aber Billigzigarren für die mächtigen US-Katalogunternehmen wie Cigar International aus. Ich spürte immer die grosse Leidenschaft, die mein Vater für Zigarren hegt, sah diese aber nicht übersetzt in den Zigarren, die aus der Manufaktur kamen.

Wie lautet die Bilanz nach fünf Jahren?
Die ersten zwei Jahre waren sehr hart. Wenn Sie die Produktion auf einen Bruchteil runterfahren, kappen Sie auch den Geldfluss. Aber der Entscheid war richtig. Ich behielt nur jene Marken, die uns glücklich machen und die wir wirklich produzieren wollen, nämlich Patoro sowie Debonaire. Heute haben wir zusammen mit den Eigenmarken Saga und Don Julio insgesamt vier Brands im Portfolio.

Sie mussten auch Personal entlassen.
Ja, und das war das Härteste am Ganzen. Aber nicht vermeidbar. Zum Glück hat meine Familie noch andere Unternehmen, so konnten wir einige Mitarbeiter übernehmen, aber nicht alle. Allerdings sind Zigarrenroller in Santiago de los Caballeros sehr gefragte Spezialisten und bleiben selten lange ohne Arbeit.

Vor Ihrer Karriere als Fabrikchefin waren Sie im Bankwesen tätig. Was reizte Sie daran?
Ich wollte unbedingt im Investmentbanking Fuss fassen. Als ich dann mal dort war, hasste ich es. Es ist so eine schnelle Welt, es geht nur ums Timing, um Zinsen und um Geld, da ist kein Platz fürs Herz. Aber es war eine gute Erfahrung. Das Investmentbusiness gab mir die nötige innere Struktur, um ein Unternehmen zu führen.

Es heisst, Ihr Vater sei nicht einverstanden gewesen mit Ihrer eigenen Zigarrenmarke Saga.
Er war gegen den Namen. Mit dem Ausdruck Saga bezeichnet man in der Dominikanischen Republik nämlich einen schlechten Baseballspieler. Aber in den USA oder Europa versteht das eh niemand, das ist nicht einmal Spanisch, sondern dominikanischer Slang.


Wie ist das Verhältnis zu Ihrem Vater?

Es ist eine interessante Beziehung. Wir haben vieles gemeinsam. Und damit meine ich wirklich viel, sodass es manchmal schon fast unheimlich ist. Das beginnt damit, dass wir die gleichen Zigarren mögen. Wir teilen aber auch sonst viele Leidenschaften, zum Beispiel für Whisky. Zudem sind wir beide stur. Er ist nicht nur mein Vater, sondern auch mein Mentor, im Geschäftlichen wie auch im Privaten. Und er ist ein Freund, ich kann mit ihm über absolut alles reden.

Sprechen wir über die Schweizer Zigarrenmarke Patoro, die Sie seit 2001 herstellen.
Patoro war einer der Gründe, wieso ich die Fabrik umstellte. Als ich mit 18 Jahren alle Prozesse in der Manufaktur kennenlernte, galt Patoro intern nicht als Marke, sondern als Qualitätsstandard. Ich sagte mir damals: Wenn wir so exzellente Zigarren wie Patoro rollen können, wieso müssen wir alle die anderen machen? Das ergab für mich keinen Sinn. Mein Ziel war es, die Produktion zu senken und das Niveau aller unserer Zigarren auf das Level von Patoro zu heben, auf Schweizer Qualität halt.

Und wie macht man das?
Zuerst sagten wir unseren Rollern, dass sie langsamer arbeiten sollen. Wir bezahlten sie nicht mehr für die Menge, sondern für die Qualität. Und wir veränderten die internen Prozesse derart, dass die Qualität besser werden musste. Heute haben wir Zeit, den Zug jeder einzelnen Zigarre zu kontrollieren, wir rollen die Longfiller auch nicht mehr am gleichen Tag, an dem wir sie pressen. Unsere Standards für Tabakqualität sind höher, und die Technologie im Aging Room ist topmodern. Wichtig war auch, dass wir zu experimentieren begannen.

Zum Beispiel?
Die gängige Theorie besagt, dass fertig gerollte Zigarren zwischen drei und vier Monaten Schönheitsschlaf im Aging Room halten sollten. Wir gingen der Sache nach und fanden heraus, dass das nicht stimmt. Jede Zigarre sagt Ihnen, wann sie ready ist.

Und wie genau finden Sie das raus?
Indem wir sie rauchen.

Fixe Reifezeiten für Zigarren sind also Humbug?
Auf jeden Fall nicht mehr zeitgemäss. Als man den Schönheitsschlaf einführte, arbeiteten die Leute mit Tabaken, die sie kannten, von den eigenen Feldern. Heute kommt der Tabak von überall her – und er reift unterschiedlich. Zudem ist der Anteil an stärkeren Ligero-Tabaken höher. Solche Zigarren müssen länger lagern, damit sie im Mund nicht bissig werden.

Tabak aus Nicaragua hat einen ziemlichen Hype hinter sich. Was sagen Sie dazu?
Wir arbeiten auch mit nicaraguanischem Tabak. Und in Nicaragua wiederum mischen sie dominikanischen Tabak in die Zigarren, auch wenn sie es vielleicht nicht an die grosse Glocke hängen.

Wie geht es der dominikanischen Zigarrenindustrie?
Es geht uns gut. Schauen Sie, wir stehen im Wettbewerb zueinander, in den gleichen Märkten. Aber wir sind auch Freunde. Es gibt zum Beispiel eine Gruppe, der alle Jungen der Industrie angehören, auch die Töchter und Söhne der grossen Produzenten. Uns verbindet die gleiche Leidenschaft. Und die drohenden Regulationen in den Vereinigten Staaten haben uns noch näher zusammengebracht.

Wie wichtig ist der europäische Markt für Sie?
Sehr wichtig. Der grösste Teil meiner Reisen führte mich dieses Jahr nach Europa. Seit ich in der Schweiz studierte, ist mir Europa näher als die USA. In Europa werden die Traditionen gewahrt, hier braucht man Zündhölzer, um Zigarren anzuzünden. Aber klar, der Verkauf von Zigarren ist auf dem alten Kontinent komplizierter, es braucht in jedem Land einen Importeur. In der Schweiz haben wir da keine Probleme, sie ist dank Patoro wie ein zweites Zuhause.

Aber in Europa verkaufen Sie nicht im Ansatz so viele Zigarren wie in den USA.
Das stimmt. Aber wie ich schon gesagt habe, wollen wir mit der Manufaktur nicht Millionäre werden. Glauben Sie mir, wenn das unser Beweggrund gewesen wäre, hätten wir die Unternehmung längst geschlossen. Wir machen das, weil wir Zigarren lieben und weil wir unsere Familientradition wahren wollen. Zum Glück haben wir andere Unternehmen, die gut sind für das Bankkonto. Die Zigarren aber sind unsere Leidenschaft, und die ist nicht verhandelbar.

Seit sechs Generationen produziert die Familie von Nirka Reyes (28) Tabak in der Dominikanischen Republik. Nirkas Vater, Augusto Reyes, war der Erste, der nicht nur Tabak anbaute, sondern auch eigene Zigarren rollen liess. Als 18-Jährige lernte Nirka Reyes sämtliche Prozesse der Zigarrenmanufaktur kennen, in der sie bereits als Kind gespielt hatte. Nach einem kurzen Abstecher ins Bankwesen kehrte sie in das weitverzweigte Familienunternehmen zurück und übernahm vor fünf Jahren die Leitung der Manufaktur De Los Reyes Cigars, in der seit 2001 auch die Schweizer Zigarrenmarke Patoro entsteht. Unter ihrer Ägide wurden die Produktion komplett auf den Kopf gestellt und die Qualitätsstandards drastisch erhöht. Von ihrer eigenen Zigarrenmarke Saga sind in der Schweiz die Linien Golden Age und – seit kurzem– Short Tail erhältlich.
www.reyescigars.com
www.patoro.com

Dankeschön
Das Interview mit Nirka Reyes fand Mitte September in der Zigarrenlounge Manuel’s an der Zürcher Löwenstrasse statt. Wir bedanken uns für die herzliche Gastfreundschaft.
www.manuels.ch

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