cigar | Ich bin ja da
Aus Cigar 2/2017
Tabak total

Ich bin ja da

Vor 25 Jahren landete Reto Kuhn mit seiner QN-Bar in Effretikon einen Volltreffer. Auch sein neuestes Projekt in St. Moritz scheint unter einem guten Stern zu stehen. Zeit, zurückzublicken.

Interview: Tobias Hüberli
Fotos: Mojca Vidmar

Sie werden im August 60 Jahre alt.
Reto Kuhn: Es ist grauenhaft, aber in Gottes Namen.

So schlimm?
Für jemanden, der 30 oder 40 Jahre alt ist, für den ist ein 60-Jähriger doch ein alter Mann.

Das ist so.
Eben nicht, das versuche ich mir zumindest einzureden. Nun, ich leide nicht ernsthaft unter meinem Alter, aber 60 tönt trotzdem ziemlich brutal.

Dann reden wir doch über die QN-Bar:
Ein Phänomen feiert sein 25-Jahre-Jubiläum. Welche Bilder kommen Ihnen rückblickend in den Sinn? Als ich das Gebäude 1991 kaufte, war ich noch Bauunternehmer. Wir suchten Büroräumlichkeiten, und der Ort lag strategisch günstig, nahe der Autobahn. Der Raum mit der antiken Mühle stand unter Denkmalschutz; es war schwierig, etwas darin zu machen. Ich sah drei Möglichkeiten: ein Museum, eine Galerie oder eine Bar. Die ersten zwei Dinge waren todsicher brotlos, aber eine Bar, dachte ich mir, könnte funktionieren.

Wobei funktionieren eine rechte Untertreibung ist.
Es war erstaunlich. Ich machte keine Werbung, lud einfach nur alle ein, die ich kannte. Und dann kamen die Leute von überall her nach Effretikon, es war ein regelrechter Hype. Weil es so gut lief und ich immer mehr Spass kriegte am Ganzen, entschloss ich zwei Jahre später, zusätzlich ein Restaurant und eine Raucherlounge zu eröffnen.

Wie kommt man auf die Idee, in den Neunzigern eine Zigarrenlounge zu eröffnen?
Ich bin Mitglied im St. Moritz Tobogganing Club. Der existiert seit 1884 und wird noch heute von Engländern geführt. Dank diesen Kontakten reiste ich ab und zu nach London und lernte dort unter anderem die Herrenclubs kennen. Das kannte man hierzulande damals gar nicht. Ich behaupte jetzt mal, dass unsere Zigarrenlounge in der Form, wie wir sie hier haben, eine der ersten in der Schweiz war.

Heute ist die Konkurrenz bedeutend grösser.
Stimmt, es gibt mittlerweile ein paar schöne Lounges, leider oft mit einer dürftigen Zigarrenauswahl und einer dürftigen Zigarrenpflege. Ich finde, da fehlt einfach jemand, der mit Passion und Freude dahinter ist. Bei uns ist das nicht so schwierig, ich bin ja da.

Auch nicht immer.
Stimmt, aber mein wichtigstes Asset sind meine Mitarbeiter. Meine Küchenchefin ist seit 22 Jahren, der Souschef seit 21 Jahren und der Chef de Service seit 13 Jahren bei mir. Ich habe supertolle, langjährige Mitarbeiter, die sich bestens auskennen und mir die Möglichkeit geben, auch einmal weg zu sein.

Sind die glorreichen Zeiten QN-Bar vorbei?
Der brutalste Einbruch war nicht das Rauchverbot, sondern die Senkung der Promillegrenze. Früher war der Ablauf so: Man ging in die Bar, trank einen Apéro, dann genehmigte man sich zum Essen eine Flasche Wein, kehrte zurück in die Bar, trank zwei, drei oder vier Gin Tonics und fuhr dann nach Hause. Die Flasche Wein zum Essen gibt es heute noch, aber danach in der Bar trinken viele Mineralwasser. Dadurch ist es weniger lustig, die Leute bleiben weniger lang, es ist weniger voll, und jene, die von aussen kommen, denken, es sei nichts los. Mit der Zeit konnten wir die Verluste etwas auffangen, die Bar läuft gut, aber niemals mehr wie früher. Das werde ich auch nie mehr hinkriegen.

Dafür haben Sie letzten Dezember in St. Moritz eine zweite QN-Bar eröffnet. Wieso gerade jetzt?
Ich suchte eigentlich gar nichts Neues, das Projekt kam zu mir. Das Engadin ist meine gefühlte Heimat. Meine Grossmutter kam aus Sils. Als Kind schickte man mich oft zu ihr, damit ich lernte zu gehorchen. Das nützte zwar nichts, aber so kam es, dass ich auch sechs Jahre lang in Samedan zur Schule ging. Für das Festival da Jazz im Dracula Club machen wir seit zwei Jahren das Catering. Letzten Sommer kam dann der Direktor des Hotels Schweizerhof zu mir und fragte, ob ich Interesse hätte, seine Pianobar zu übernehmen.

Wie war die erste Saison?
Super. In der Regel dauert es zwei Jahre, bis in einer Bar alles eingespielt ist. Aber voilà, manchmal braucht man auch etwas Glück. Ich habe einen Einheimischen, einen Supertyp, der den Laden schmeisst. Zudem kam meine Tochter für zwei Monate aus London zurück. Zusammen machten sie den grossen Unterschied. Sie sind beide gut in St. Moritz verankert, kennen viele Leute. Darum hats funktioniert.

War es vor 25 Jahren schwieriger oder einfacher, eine Bar zu lancieren?
Es ist sicher nicht einfacher geworden. Am Ende braucht es heute wie damals viel Mut und den Willen, etwas durchzuziehen. Man muss an etwas glauben und es dann auch machen, mit dem Risiko, vielleicht auch einmal auf die Schnauze zu fallen.

Was würden Sie heute anders machen als damals?
Wir sind im grossen Ganzen sehr zufrieden, so wie wir jetzt sind, aber auch mit dem Weg, wie wir hierhergekommen sind. Das Schöne ist, dass ich einen grossen Teil meiner Leidenschaft zum Beruf machen konnte. Und zwar nicht nur das Rauchen. Ich esse auch gerne, trinke gerne eine gute Flasche Wein, mag Leute um mich herum. Das ist aber auch die einzige Voraussetzung, um heute in der Gastronomie Erfolg zu haben. Wenn ich die Stunden zählen würde, die ich im Betrieb verbringe, dann müsste ich etwas anderes machen.

Was rauchen Sie eigentlich am liebsten?
Es kommt auf die Tageszeit und die Stimmung an, wie beim Wein. Grundsätzlich bin ich ein Kubaraucher. Das heisst aber nicht, dass ich nicht auch Zigarren aus der Dominikanischen Republik oder Nicaragua geniesse.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Etwas weniger Stress. Man muss schon sehen, dass es uns immer noch gibt, weil wir immer wieder neue Dinge bringen. Vor fünf Jahren organisierte ich zum Beispiel ein exklusives Konzert mit der Band Supertramp, es gab acht Tische für jeweils zehn Personen. Bei uns ist ständig etwas los. Neu organisieren wir einmal pro Monat Ü-39-Partys, das funktioniert super. Für die Zukunft halse ich mir nicht mehr viel Neues auf. Ich will die Dinge hier und in St. Moritz am Laufen halten, ein paar Berge besteigen – und ein bisschen mehr Zeit für meine Frau und meine Kinder haben.

Reto Kuhn (fast 60) wächst im zürcherischen Lindau und im Engadin auf. 1991 kauft Kuhn, damals Bauunternehmer, ein Haus am Dorfrand von Effretikon mit einer etwa 500 Jahre alten Mühle. Um die denkmalgeschützte Mühle baut er eine Bar, eröffnet und erlebt sein blaues Wunder: Die QN-Bar wird über Nacht berühmt. Zwei Jahre später kommen ein Restaurant und eine Zigarrenlounge dazu. Das Baugeschäft gibt Kuhn 1997 auf und konzentriert sich fortan auf sein Unternehmen QN-World. Unter dessen Dach organisiert Kuhn nicht nur den Betrieb in Effretikon, sondern auch zwei Golfturniere und seit zwei Jahren das Catering des Festival da Jazz im Dracula Club von St. Moritz. Letzten Dezember eröffnete Kuhn in der ehemaligen Pianobar des Hotels Schweizerhof in St. Moritz seine zweite QN-Bar.

www.qn-world.ch

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