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Cigar 4/2016

Auf den Punkt

Text: Sarah Kohler Fotos: Jürg Waldmeier
Als er uns entgegenkommt, trägt Hans-Peter Hussong die Motorsäge unter dem Arm. Er war gerade mit Bäumen und Büschen beschäftigt, wie so oft, wenn er nicht in der Küche steht.
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Bei der Gartenarbeit komme er zur Ruhe, sagt der Spitzenkoch und führt uns durch sein Reich: die Wirtschaft zum Wiesengrund in Uetikon am See, untergebracht in einem frisch geweisselten Fachwerkhaus, umgeben von eben diesem grosszügigen Traumgarten mit der schattenspendenden Platane, Kräuterbeeten und einem Reduit, das dem Herrn des Hauses ganz allein gehört. Aber dazu später mehr.

Erst einmal zeigt uns der Altmeister seine eigentliche Wirkungsstätte, die Küche, in der er seit 1990 am Herd steht. Hussong ist der Inbegriff von Beständigkeit, von Konstanz und Konsequenz. Vor allem aber ist er, wie er kocht: kein Mann der grossen Worte, wohl aber der Taten, gradlinig, schnörkellos – und immer auf den Punkt. Seine ultraklassische französische Hochküche kommt auf dem Teller überraschend modern daher und war Michelin 19 Jahre lang zwei Sterne wert. Warum die Tester Hussong für 2017 nur noch einen Stern zusprechen, bleibt uns ein Rätsel. Gault & Millau bewertet die Kreationen des 61-Jährigen nach wie vor mit 18 Punkten.

Aber Hussong ist ohnehin nicht aus der Ruhe zu bringen. Seit sagenhaften 47 Jahren kocht er – und das noch immer gern. Mit 14 kam der gebürtige Saarländer in die Lehre und kletterte fortan die gastronomische Leiter hoch, mit jener Beharrlichkeit, die ihn heute noch auszeichnet. Als er als ausgelernter Koch in die Schweiz kam, musste sein Vater den Arbeitsvertrag unter- zeichnen: Hussong war noch nicht voll- jährig. In den ersten Jahren wechselte er saisonbedingt zwischen der Schatzalp in Davos, dem Quellenhof in Bad Ragaz und dem Ascolago in Ascona. In Letzterem stand damals Horst Petermann der Brigade vor. «Und ich tat mir das vier Jahre an», erinnert sich Hussong heute schmunzelnd. Schliesslich ist es kein Geheimnis, dass Petermann gerade in seinen jungen Jahren ein gestrenger, mitunter aufbrausender Lehrer war. «Aber ich wusste damals schon genau: Mehr als bei ihm lerne ich nirgendwo.» Hussong ging nach Berlin ins Palace, dann auf die Lenzerheide und schliesslich als Küchenchef für drei Jahre in die Osteria Delea in Losone, wo er seine heutige Frau Ines kennen lernte. Nach einer weiteren Station als Küchenchef im Ascolago übernahm das Paar gemeinsam die Wirtschaft zum Wiesengrund. 2000 kürte ihn Gault & Millau zum Koch des Jahres.

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Hervorgetan hat sich Hussong im Wiesengrund auch als grosser Ausbildner, über dessen Schultern schon so viele aufstrebende Nachwuchstalente schauten – nicht zuletzt Shootingstars wie Andreas Caminada und Nenad Mlinarevic. Warum er stets junge Köche an seiner Seite verpflichte, wollen wir wissen, und Hussong denkt eine Weile über die Frage nach. «Weil ich mit ihnen zurechtkomme, sie formen kann», sagt er dann. «Es gibt bloss Ärger, wenn ich nicht sagen kann, wie es geht.» Der Routinier hat aber auch einfach Freude daran, zu lehren und sein (immenses) Wissen weiterzugeben: «Es ist schön, wenn junge Köche hungrig sind, wenn sie hierher kommen und lernen wollen.» Und Hussongs technische Präzision dürfte jedem ambitionierten Jungkoch die beste Basis sein.

Dabei ist das Motto des Küchenchefs im Prinzip simpel: «Weniger ist mehr», sagt Hussong, als er den ersten Teller für uns anrichtet, eine so einfache wie bestechende Kreation aus Kabeljau, Meerrettich und Rande. «Wenn ich nichts mehr weglassen kann, ist es gut.» Und gut ist es – um den Bogen an dieser Stelle zu schliessen – für Hussong auch in seinem Reduit im Garten, einem kleinen Schuppen, der bei der Übernahme des Grundstücks total verlottert war und den er eigenhändig entrümpelte. Mit Hilfe eines damaligen Mitarbeiters und eines Freundes zimmerte er das Dach, baute Fenster und Ofen ein und verwandelte die Hütte in seinen privaten Rückzugsort. Hier denkt Hussong gerne nach, «über die Annehmlichkeiten des Lebens ohne Frauen», wie er frotzelt, und hier trifft er sich mit Freunden zum monatlichen «Montagsclub». Dann werden die schönen Dinge des Lebens zelebriert, wird gegessen und getrunken und eine Zigarre gereicht. Und hin und wieder kochen die Freunde im Reduit gemeinsam. Dann, sagt Hussong, kämen sie immer alle.

Wirtschaft zum Wiesengrund
Kleindorfstrasse 61
8707 Uetikon am See
044 920 63 60
www.wiesengrund.ch