Es gibt langweiligere Unterfangen, als Zeit mit Gisep Biert zu verbringen. Der Mittsechziger besitzt ein raumeinnehmendes Charisma und ist überdies mit einer bemerkenswerten Schlagfertigkeit gesegnet, die man bei Menschen aus dem Engadin vielleicht noch etwas öfter antrifft als bei Unterländern. Beispiel gefällig? Auf die Frage, welchen Beruf er denn gelernt habe, entgegnet er: «Nichts. Im Engadin muss man nicht studieren, um Erfolg zu haben.» Der Ton ist also gesetzt.

Tatsächlich hat Biert eine KV-Lehre bei der Gemeinde Scuol absolviert, wollte anschliessend eigentlich etwas im Musikbereich machen, zuvor aber noch ein Jahr bei der damaligen Schweizerischen Bankgesellschaft Geld verdienen. Und das Geld beziehungsweise der Handel damit liess ihn danach nicht mehr los. «Der Handel mit Devisen und Edelmetallen hat mich fasziniert, früher hatte ja noch jedes europäische Land eine eigene Währung, da war was los.» Und noch etwas anderes trieb ihn an: «Ich hatte Erfolg.»

Vom Unterengadin zog Biert nach Zürich und dann weiter nach London. Die letzten 17 Jahre arbeitete er als Managing Director Fixed Income für die US-amerikanische Bank Morgan Stanley, pendelte zwischen London, Asien und New York im Wochentakt. «Im Devisenhandel muss man Kunden mit grossen Positionen beraten, schnelle Entscheidungen treffen und die eigenen Leute sicher führen», so Biert. Auch Letzteres ist dem ehemaligen Major und Kompaniekommandanten nicht sonderlich schwergefallen. Auf der Strecke blieb dafür das Familienleben. «Ich arbeitete von sechs Uhr morgens bis neun Uhr abends.» Mit fünfzig zog er die Reissleine. «Ich hatte meinem Sohn Yannick, als er noch klein war, versprochen, dass ich mit 50 Jahren aufhöre, und so war es auch.»

Zu diesem Zeitpunkt trank Biert höchstens eine Flasche Wein pro Jahr. Und von Zigarren hatte er keine Ahnung. Seinen ersten Longfiller rauchte er aufgrund einer verlorenen Wette mit seinem Freund Karim in den Ferien. «Es war eine richtig starke Zigarre, mir wurde schlecht, es war grauenhaft.» Andere hätten nach so einer Erfahrung die Finger von der Materie gelassen. Biert allerdings ging den anderen Weg. Er las sich ins Thema ein, kaufte einen Haufen Zigarren zusammen und suchte nach milden Exemplaren, die er tatsächlich geniessen konnte. Noch heute behauptet er, ohne zu zwinkern, dass er ausschliesslich milde Zigarren vertrage. Nicht selten zieht er dabei genüsslich an einer Trinidad oder einer Cohiba.

Nach seiner Karriere in der Finanzwelt verfolgte Biert zahlreiche Projekte. Von 2007 bis 2023 war er verantwortlich für das Public Catering im Millerntor-Stadion des FC St. Pauli in Hamburg. Seit 2010 vertreibt er europaweit exklusive burgundische Steinbodenbeläge sowie seit ein paar Jahren Lederwaren der Marke Meindl. «Ich mag schöne Dinge, richte gerne Räume ein und liebe Details», sagt er.

Eindrücklich sichtbar wird das im Showroom39, den Biert in einer ehemaligen Maschinenfabrik aus den Dreissigerjahren in Küsnacht eingerichtet hat. Das mit einer grosszügigen Bar, verschiedenen Bodenbelägen, Sofas, Hochtischen, Lampen sowie vielen Kunstwerken seiner Lebenspartnerin Yana Dubinina ausgerüstete Lokal ist seit 2012 sein Wirkungsraum. Hier empfängt er nicht nur Kunden und Freunde, sondern organisiert auch zahlreiche Events. Unterstützt wird er von Dubinina sowie seit 2018 von Foto- und Videograf Michael Keller. «Sie sind nicht nur meine linke und meine rechte Hand, sondern auch Persönlichkeiten, die mich inspirieren und mit denen ich aufblühe.»

Seit zwei Jahren ist der Showroom39 auch Treffpunkt des gleichnamigen Zigarrenclubs. Jeden Dienstag treffen sich die Mitglieder zum gemeinschaftlichen Rauchen und Geniessen. Regelmässig referieren Gäste zu spezifischen Themen – von Kaviar über Uhren bis hin zum Elektromotorrad. «Clubmitglieder haben zudem die Möglichkeit, den Showroom für private Events zu mieten», so Biert.

«Unter den Mitgliedern haben wir verschiedenste Berufsgattungen, vom Gärtner über den Zahnarzt bis hin zum Finanzberater und Gastronomen, was es ungemein interessant macht», so Biert. Bei feinem Essen und guten Drinks entstünden so immer wieder spannende Diskussionen über aktuelle Themen. «Zurzeit sind wir 54 aktive und weniger aktive Mitglieder», so Biert. Aspiranten werden in der Regel von einem bestehenden Mitglied mitgenommen und vorgestellt. Nur wenn es für beide Seiten passt, wird der erlauchte Kreis erweitert. Der Mitgliederbeitrag beträgt jährlich 1000 Franken.

Folgenreich war die Bekanntschaft mit Tarkan Baskentli. Der in Berlin geborene Weinkeller- und Brennmeister produziert mit seiner Firma Avantgarde Spirits seit 2013 trinkfertige Cocktail-Klassiker nach alten Rezepturen und vertreibt diese in edel gestalteten Flaschen. Gisep Biert, der auch heute noch nur massvoll Alkohol trinkt, war begeistert. Flugs gründete er 2016 mit drei Partnern die Firma Art&Drinks, über die er seither die Cocktails von Avantgarde Spirits in die Schweiz importiert.

«Die Drinks eignen sich für Bars, Hotels oder Zigarrenlounges, die keinen Barkeeper haben, aber ihren Gästen trotzdem einen echten Sazerac, Manhattan oder Old Fashioned in einer hohen und vor allem immer gleichen Qualität servieren wollen», so Biert.

Speziell für Zigarrenraucher entwickelten Baskentli und Biert die Rum-, die Gold- und die Avantgarde-Premium-Spirits-Collection (siehe Box). Dabei handelt es sich um handwerklich hergestellte, aromatisch hochkomplexe Elaborate. Während einige Kreationen offiziell als Rum bezeichnet werden können, gehören andere bereits in die Welt der Cocktails.

Für den Rum Cherry Black beispielsweise infusioniert Baskentli Kirschen sowie Madagaskar-Vanille und kombiniert das Ergebnis mit karibischem XO-Rum und Karamell. «Wir arbeiten ausschliesslich mit natürlichen Zutaten», so Baskentli.

Sieben auf Rum basierende Drinks hat Biert derzeit im Sortiment. Der mit Abstand anspruchsvollste heisst Yana’s Secret und besteht aus drei unterschiedlichen, fassgereiften XO-Rums und natürlichen Aromen von Gebäck, Waldbeeren, Orange sowie Mandel.

Wer sich dazu eine Zigarre gönnen will, hat prinzipiell zwei Möglichkeiten: Entweder man wählt etwas Leichtes mit viel Crème und überlässt dem Rum damit die Bühne, oder man steigt mit einer kräftigen Zigarre aus Nicaragua in den Ring und lässt es krachen.

«Unsere Drinks sind für das sogenannte Slow Drinking konzipiert», erklärt Baskentli. Das sei in den USA zurzeit das grosse Thema – die Gegenbewegung zum schnellen Konsum, so der 56-Jährige. Es gehe darum, sich mit einem guten Drink und einer Zigarre Zeit zu nehmen. Genau das gelingt im Showroom39 auf eine höchst angenehme Art und Weise. Für Interessierte nimmt sich Gisep Biert gerne Zeit. Und langweilig wird diese ganz bestimmt nicht.