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Chinesischer Investor auf der Flucht

Text: Tobias Hüberli
Nach Recherchen von Radio Free Asia, Cigarrvärlden und L’Amateur de Cigare steht nun fest: Zwei zentrale chinesische Anteilseigner von Habanos S.A. sind massiv in kriminelle Machenschaften verstrickt – der eine sitzt im Gefängnis, der andere ist auf der Flucht.
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Im September publizierte der schwedische Zigarrenblog Cigarrvärlden eine detaillierte Recherche über die Besitzer von Habanos SA. Fünfzig Prozent der weltweit agierenden Marketing- und Vertriebsgesellschaft für kubanische Zigarren wurden 2020 vom chinesischen Konsortium Allied Cigar Corp. für 1,4 Milliarden Dollar übernommen. Die restlichen fünfzig Prozent sind in kubanischem Besitz.

Ausgangspunkt der Recherche war die Habanos Nordic AB. Die Firma war bis  im Sommer der schwedische Importeur kubanischer Zigarren und vollumfänglich im Besitz von Habanos SA. Nach schwedischem Recht kann einem Unternehmen die Tabaklizenz entzogen werden, wenn bei deren Eigentümern der Verdacht auf Geldwäsche, dubiose Darlehen, Vorstrafen oder andere Unregelmässigkeiten besteht.

Im Fokus der Abklärungen standen dabei die zwei chinesischen Geschäftsleute Alvin Chau und Chen Zhi, die über ein kompliziertes Firmengeflecht Anteilseigner der Allied Cigar Corp. und damit auch der Habanos SA sind. Laut  Cigarrvärlden sowie Radio Free Asia begann Chau seine Karriere in den 1990er-Jahren bei den 14K-Triaden, der zweitgrössten chinesischen Mafia-Organisation. Über die Jahre baute Chau, auch bekannt als «Reiswäscher-Wa» – das chinesische Synonym für Geldwäscher – ein kriminelles Imperium auf. Mit dem Unternehmen Suncity Group organisierte er in Macao illegale Glücksspiele. Zudem war die Suncity Group an Online-Casinos auf den Philippinen und in Kambodscha beteiligt. Wie auch Cigar im Frühjahr berichtete, wurde Chau 2021 verhaftet und 2023 zu 18 Jahren Haft sowie einer Strafe von 3,2 Milliarden Dollar verurteilt.

Über den zweiten und wichtigsten Anteilseigner der Allied Cigar Corp. Chen Zhi war bis anhin wenig bekannt. Laut Recherchen von  Cigarrvärlden soll er in Südchina geboren und aufgewachsen sein. 2011 siedelte er nach Kambodscha über und erhielt drei Jahre später den kambodschanischen Pass, den man damals für 25 000 Dollar kaufen konnte. Mit seinem Unternehmen Prince Group erzielte er in der Hafenstadt Sihanoukville enorme Gewinne. Der Tiefseehafen von Sihanoukville spielt in den chinesischen Plänen der sogenannten Neuen Seidenstrasse eine zentrale Rolle. Neben zahlreichen Infrastrukturprojekten schossen auch Apartments, Hotels und Casinos wie Pilze aus dem Boden. Innert kürzester Zeit verwandelte sich der verschlafene Ort im Süden Kambodschas zu einem Zentrum für Online-Glücksspiel, Geldwäsche und organisierte Kriminalität. 

Befindet sich aktuell auf der Flucht: Chen Zhi
Befindet sich aktuell auf der Flucht: Chen Zhi

Als 2019 das Online-Glücksspiel in Kambodscha verboten wurde, entstanden stattdessen Betrugszentren, in denen Menschen aus verschiedenen Ländern regelrecht eingesperrt und gezwungen wurden, Online-Betrügereien zu begehen. Die Prince Group war am Bau mindestens eines dieser ummauerten Komplexe beteiligt. Allerdings behauptete der Konzern, man sei bloss ausführender Bauunternehmer gewesen. Gerichtsdokumente, die Radio Free Asia einsehen konnte, beschreiben den Konzern indes als eine «berüchtigte transnationale Online-Verbrechergruppe», die mindestens 700 Millionen US-Dollar an illegalen Einnahmen erzielt habe. Mehrere Mitarbeiter auf niedriger Ebene wurden wegen illegalen Glücksspiels und Geldwäsche verurteilt.

Heute zählt Chen Zhi, der auch einen zyprischen Pass besitzt, zu den reichsten Männern Kambodschas. Seine Spuren finden sich auch in Europa. Auf der Isle of Man, einer britischen Kronbesitzung mit eigener Verwaltung, besass Zhi über die Holding Abundance drei weitere Firmen. Diese wurden laut einer Recherche von Radio Free Asia benutzt, um Geld zu waschen, indem gefälschte Spieldokumente erstellt wurden, die chinesischen Unternehmen als Legitimation dienten, um Geld zu verschieben. Am 7. März dieses Jahres kündigte die Inselregierung an, härter gegen südostasiatische organisierte Kriminalität vorzugehen. Nur eine Woche später durchsuchte die Polizei die drei Chen-Zhi-Firmen auf der Isle of Man – im Rahmen einer Ermittlung wegen internationaler Geldwäsche in grossem Stil.

Laut einer Meldung von L’Amateur de Cigare haben die US-amerikanischen sowie englischen Behörden am 15. Oktober Sanktionen gegen Chen Zhi verhängt. Der heute 38-Jährige wird beschuldigt an der Spitze eines riesigen Netzwerks sogenannter «Pig-Butchering»-Betrügereien zu stehen, die darin bestehen, über elektronische Nachrichten das Vertrauen von Personen zu gewinnen, um sie dann zu manipulieren und dazu zu bringen, in gefälschte Kryptowährungsanlagen zu investieren oder direkt Geld zu überweisen.

Laut US-Ermittlern befinde sich Zhi aktuell auf der Flucht. Wenn er schuldig gesprochen wird, drohen ihm bis zu 40 Jahre Gefängnis. Die US-Behörden haben bereits 15 Milliarden Dollar an Kryptowährungsvermögen beschlagnahmt – die grösste Beschlagnahmung, die bisher jemals vorgenommen wurde.

In Schweden werden kubanische Zigarren seit diesem Sommer übrigens von der neu gegründeten Firma Elite Trading Scandinavia AB importiert. Sie ist nicht mehr im Besitz der Habanos SA, hält darum eine Lizenz für den Vertrieb von Zigarren, war aber gleichzeitig auch der Ursprung für die grossangelegte Recherche der schwedischen Kollegen.