Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Sie besitzen ein Hotel an bester Lage in Zürich – und wir treffen uns doch in einem anderen, weil es bei Ihnen keine Raucherlounge gibt. Das ist bitter.
Robert Eduard Meyer: Es ist heutzutage nicht so einfach, ein Fumoir zu bauen. Wir wollten eins, planten es drei Jahre lang, mussten die Idee aber verwerfen. Das Central Plaza ist ein altes Gebäude; eine Zusatzlüftung einzubauen und durch alle Etagen durchzuziehen, wäre enorm teuer geworden – und das Fumoir so klein, dass die Gäste hätten stehen müssen.
Immerhin: Sie bieten noch immer explizite Raucherzimmer an.
Der Nachfrage entsprechend, ja. Wir passten die Zimmer Schritt für Schritt dem Bedarf an und verwandelten immer mehr in Nichtraucherbereiche. Aber man kann bei uns in manchen Räumen rauchen, und es gibt durchaus Gäste, die genau das wünschen. Wir wollen niemanden bevormunden.
Fühlen Sie sich als Genussraucher denn bevormundet?
Manchmal. Wenn ich Ruhe und Musse habe und mit Freunden gut gegessen habe, möchte ich eine Zigarre rauchen – aber dafür sicher nicht draussen stehen. Das hätte nichts mit Gemütlichkeit zu tun und wäre keine Ergänzung zum Essen mehr.
Lassen Sie uns über Ihre Familiengeschichte reden. Ihre Mutter wuchs im Central Plaza auf.
Sie kam sogar im Hotel zur Welt. Gekauft hat das Haus mein Urgrossvater Paul Julius Elwert: Er bezahlte 1909 etwas über eine Million Franken dafür, was rückblickend extrem viel ist. Für ein Hotel ohne fliessendes Wasser wohlgemerkt, mit Etagenbad und Einzelkaminen. Für dieses Geld hatte er seine Verwandten in Deutschland anpumpen müssen. Im Zweiten Weltkrieg landeten viele von ihnen auf der Flucht in Zürich – und fanden im Central Plaza Zuflucht. Das Hotel war ihre erste Anlaufstelle, um hier Fuss zu fassen.
Das Hotel steckt voller Geschichten, hier traf sich früher die gehobene Gesellschaft. Ist das noch Thema?
Meine Mutter bekam ein gewisses Elitedenken sicher eingeimpft, aber mit ihr war damit eigentlich Schluss. Von väterlicher Seite gabs das nicht, auch wenn die Meyer-Familie in Solothurn eine Maschinenfabrik besass. Und ich? Als Motorradfahrer war ich da eh gleich raus, mit meinen dreckigen Fingern vom Kettenspannen ... keine Chance.
Sie machten sich die Hände auch im Hotel schmutzig.
Ich war der Chef-Haustechniker, ja. Wissen Sie: Ich bin mehr der Praktiker als der Theoretiker. Mein Maschinenbaustudium an der ETH brach ich ab, weil es mir zu theoretisch war. Ich absolvierte schliesslich die Handelshochschule St. Gallen. Aber ich bin und bleibe an Maschinen interessiert. Mein Herz schlägt für Verbrennungsmotoren; meine Motorräder baue ich zum Beispiel immer selbst. Im Unterhalt des Hotels konnte ich dieses Interesse und mein Know-how einbringen ... neben meinen Positionen als Financier und Stratege.
Wie stellen Sie sich eigentlich vor, wenn man Sie im Hotel trifft?
Mein Grossonkel Alfred Elwert pflegte zu scherzen: Wir sind Suppenhändler und Matratzenvermieter. Das ist ein Spass, der auch mir gefällt. Mein Bruder und ich organisierten das Tagesgeschäft ja immer mit einem externen Direktor respektive Geschäftsführer und übernahmen keine operativen Aufgaben. Wobei mein Bruder das Central schon nach aussen hin vertrat. Ich blieb im Hintergrund.
Als Stratege. Wie positionieren Sie das Hotel Central?
Im Vier-Sterne-Bereich ist die Zürcher Hotellerie zu teuer, finde ich. Wir bewegen uns daher im unteren Preissegment, obwohl das Haus wirklich an zentralster Lage steht. Es gibt in Zürich schlechter gelegene Vier-Sterne-Hotels mit höheren Preisen. Das liegt auch daran, dass wir keine grossen Zimmer haben – wobei das der Geschäftsmann gar nicht unbedingt sucht. Uns ist wichtig, ein lebendiges Umfeld zu schaffen. Wir betreiben ein Restaurant und eine Pianobar. Hier halten sich auch Zürcher auf, vermischen sich mit den Gästen von auswärts.
Ein wichtiges Kapitel in Ihrer Hotel-Laufbahn ist der Umbau von 1981 bis 1983.
Wir bauten das Hotel hinter alter Fassade neu: Das war ein wahnsinniges Projekt, ein grosses Risiko – und mit der Grund, warum ich meine Tätigkeit als Wirtschaftsjurist im Treuhand am Zürcher Bahnhofplatz aufgab. Es brauchte mich. Wissen Sie: Wir hatten Grund und Boden und das alte Gebäude, aber keine Barmittel. Im Gegenteil: Die ältere Generation hatte gegen Ende nicht mehr so glücklich agiert, das Geld war knapp. Ich hatte vorher viele KMU beraten und konnte mich nun fürs Hotel einsetzen, in den ganzen Verhandlungen mit den Banken, bis die Kredite nach zehn Jahren weitgehend zurückgezahlt waren. Wir waren mit über 25 Millionen Franken verschuldet – mit nur 780 Quadratmetern Bodenfläche. Das war ein Kampf.
Aber übernahmen Sie diese Aufgabe denn auch gern?
Sie war eine schwere Herausforderung. Als sich mit der Zeit der Erfolg einstellte, war das für mich Bestätigung genug. Aber klar: Ich hatte die eine oder andere schlaflose Nacht – nicht nur als Chef Unterhalt, der auch zu nächtlichen Einsätzen gerufen wurde, wenn es zum Beispiel galt, nach einem Rohrbruch das Wasser aus der Hotelhalle und den Liftschächten zu pumpen. Sondern eben auch, wenn die Banken wieder Druck aufsetzten. Zum Glück hatte ich aus dem Studium gute Freunde in leitenden Bankpositionen. Mein Netzwerk war wichtig.
Ihr Vater stand einmal vor dem Konkurs. Wie hat Sie diese Erfahrung geprägt?
Auch seine Firma war ein Familienunternehmen, das er mit zwei Cousins führte. Ich konnte ihm beistehen, bevor das Geschäft aufgelöst werden musste.
Sie halfen auch da. Sind Sie der Feuerlöscher der Familie?
Ja, schon ein bisschen. Deswegen trat ich nach aussen hin auch nie in Erscheinung; ich hatte genug anderes zu tun.
Und bei den Mitarbeitern sind Sie beliebt?
Ich denke schon. Ich bin zwar eher ein trockener Typ, aber ich glaube, ich besitze durchaus ein Sensorium und Empathie für die Angestellten. Am liebsten würde ich ja allen eine grössere Lohnerhöhung geben ... aber man macht ja Budgets, die man einhalten muss, damit man später die Mittel bereitstellen kann, um ein Haus wie dieses instand zu halten. Es gibt so viele neue Hotels – wenn wir da nicht à jour bleiben, sind wir sofort weg vom Fenster.
Es macht den Anschein, als würde es Ihnen Freude machen, am Puls der Zeit zu bleiben.
Unbedingt. Das konzeptionelle Gestalten macht vermutlich jedem mehr Spass als das blosse Verwalten.
Was ist für Sie an der Hotellerie als Geschäftsfeld spannend?
Der Umgang mit Menschen. Auch wenn ich eben gerade den gar nicht so hatte, weil bei uns die Angestellten die Gastgeber sind. Ausserdem arbeiten wir nicht in einer klassischen Ferienhotellerie, in der man die Gäste über längere Zeit kennen lernt. Wir gehören zu den am besten gebuchten Hotels von Zürich – mit einer durchschnittlichen Auslastung von 90 Prozent –, und bei uns kehren täglich rund 1000 Leute in der Restauration ein. Das ist nicht sehr personenbezogen. Wobei meine Mutter darauf stets noch mehr Wert legte. Sie drängte meinen Bruder und mich immer, zu den Leuten zu gehen und ihnen die Hände zu schütteln. Ich erinnere mich, wie das früher als Kind war: Wir reisten in den Ferien und an manchen Wochenenden von Solothurn an und mussten uns rausputzen, mit Fliege und so. Das mochten wir nicht besonders.
Ihren Sohn ziehts nun freiwillig ins Hotel.
Das ist so. Ich zwang ihn nie dazu. Dave ist seit drei Jahren dabei und übernimmt immer mehr Aufgaben, während ich mich langsam zurückziehe. Das ist ein fliessender Übergang. Er hat auch einen Verwaltungsrat mit fünf Leuten an seiner Seite, die je für einen konkreten Aufgabenbereich zuständig sind und ihn unterstützen, damit er die Verantwortung nicht gleich allein tragen muss.
Apropos Verantwortung: Das Central Plaza prägt das Stadtbild stark. Fühlen Sie sich Zürich verpflichtet?
In erster Linie bin ich meinem Urgrossvater dankbar: Er hatte einen guten Riecher. Aber natürlich ist ein Hotel an dieser Lage auch mit Verantwortung verbunden – weil wir als Mitglied im Zentrum der Stadt auch die Interessen der Zürcher Allgemeinheit im Auge haben müssen, vor allem aber gegenüber der eigenen Familie. Das Central kann man als Wanderpokal sehen: Man gibt es weiter – wenn möglich in einem besseren Zustand, als man es erhalten hat.
Um die Geschichte von Robert Eduard Meyer (71) zu erzählen, fängt man am besten bei dessen Urgrossvater an. Paul Julius Elwert, zuvor Hotelier in Chur und Mailand, kaufte 1909 das Zürcher Hotel Central Plaza – an bester Lage beim Hauptbahnhof und an der Limmat. Damit legte er den Grundstein für eine bewegte Familiengeschichte, die bis heute eng mit dem Leben und den Entwicklungen der Stadt verbunden ist. Fortgeschrieben und massgeblich geprägt wurde sie von zwei seiner Söhne: Eduard «Edi» und Alfred «Freddy» Elwert führten das Central als schillernde Figuren der Zürcher Hotelbranche über Jahrzehnte. Erst in den Siebzigerjahren wurden sie an der Spitze abgelöst: von ihren Enkeln – Alex Richard und eben Robert Eduard Meyer. Die beiden waren im Solothurnischen aufgewachsen, als Söhne von Hotelierstochter Rita Elwert, die den Maschineningenieur Ernst Meyer geheiratet hatte und in dessen Heimat gezogen war. Die Brüder führten das Central mit einem grossen Umbau von 1981 bis 1983 in eine neue Ära, legten die operativen Geschäfte aber von Anfang an in familienfremde Hände und kümmerten sich mehr um repräsentative und strategische Aufgaben. Robert Eduard Meyer blieb im Hintergrund. Als Absolvent der Handelshochschule HSG in St. Gallen, der jahrelang als Treuhänder und Wirtschaftsjurist gearbeitet hatte, war er im Familienunternehmen für Strategie und Finanzen sowie als Chef-Haustechniker für den Unterhalt zuständig. Zurzeit übergibt er an die nächste und somit fünfte Generation: seinen Sohn Dave Mike Cyrill Meyer.
Hotel Central Plaza
Central 1, 8001 Zürich
044 256 56 56
www.central.ch
Das Interview mit Robert Eduard Meyer führten wir wenige Gehminuten von dessen Hotel Central Plaza entfernt: in der stilvollen Cigar Bar im Hotel Storchen. Herzlichen Dank für die Gastfreundschaft.