Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Man nennt ihn auch den Picasso der Gärten. Auf der ganzen Welt plant und realisiert Enzo Enea Parkanlagen und Privatgärten. Zu seinen Kunden zählen Künstler Jeff Koons, Prinz Charles, Sängerin Tina Turner oder der mittlerweile verstorbene George Harrison von den Beatles. Den Einmann-Betrieb seines Vaters, der in Schmerikon mit Terracotta- und Sandstein-Töpfen gehandelt hatte, hat Enea im Lauf der Jahrzehnte zum Marktführer für Landschaftsarchitektur mit 250 Mitarbeitern und internationaler Ausrichtung ausgebaut. Heute gilt er als einer der Besten in seinem Metier. Da, wo Enea Hand anlege, heisst es, präsentierten sich Grünräume wie Kunstwerke: perfekt komponiert in Farbe und Form. Der 57-Jährige hat eine nüchterne Betrachtung seiner selbst. «Ich sehe mich nicht als Künstler», sagt er. «Ein Maler gestaltet seine Leinwand nach freien Stücken. Mit den Ansprüchen, die andere an sein Werk haben, ist höchstens sein Galerist konfrontiert. Meine Arbeit ist da grundlegend anders.» So müsse sie unterschiedlichsten Ansprüchen gerecht werden; Kundenwünschen, technischen Aspekten im Hinblick auf eine funktionierende Bewässerung, Bodenbeschaffenheit und dafür geeignete Bepflanzung, ebenso wie Sicherheitsfragen und Bauvorgaben. «Ich bin für einen ganz kurzen Moment Künstler», sagt Enea. «Dann, wenn ich ein Grundstück erstmals betrete und mich von der umliegenden Natur inspirieren lasse.»
Garten als Teil eines Ganzen
Inspiration bezeichnet Enea als Augenblick der Kontemplation. Er finde sie da, wo es ihm gelinge, Dinge in einem anderen Licht zu betrachten. «Es sind Momente, in denen ich Dimensionen, Proportionen oder Farben neu erfasse oder erkenne, wie sie auf ungewohnte Art und Weise miteinander in Beziehung treten», sagt er. «Es kann ein Flusslauf sein, der mich inspiriert, ein Schattenwurf, ein Lichtverhältnis. In meinem Kopf fügen sich diese Elemente dann zu einem Bild zusammen.» Ein gelungener Garten, findet Enea, lebe vom Gefühl, das er vermittle: «Wie bei einem Bild, das man ausgesucht hat, weil man es gerne betrachtet.» Einen Wert habe der Garten, wenn er technisch gut angelegt sei. «Der Mehrwert», sagt Enea, «kommt da ins Spiel, wo ein Gestalter es versteht, den erweiterten Raum so an den bestehenden anzuschliessen, dass eine harmonische Einheit entsteht.» Raum- und Landschaftsgestalter tendierten aber dazu, einen Bau und das ihn umgebende Land als getrennte Einheiten zu betrachten. So ende die Perspektive des Architekten in der Regel bei der Terrasse und die des Gartengestalters bei der Hausmauer. «Dieser Ansatz ist nicht zu Ende gedacht», sagt Enea. «Ich verfolge daher einen anderen. Ich arbeite mich von aussen nach innen vor, begreife Garten und Gebäude als Teile eines Ganzen, die miteinander in Beziehung treten. Gerade bei raumhohen Fenstern ist es beispielsweise wichtig, dass Farben des Innen- und Aussenbereiches aufeinander abgestimmt sind. Sonst kommt es zu unschönen Brüchen.»
Über Geschmack lasse sich nicht streiten, findet Enea: «Es gibt nur guten und schlechten.» Trotzdem gehe das Gelingen seiner Arbeit über ästhetische Kriterien hinaus. Es sei vielmehr daran zu messen, ob ein Garten oder Park als Lebensraum angenommen werde. Was nur funktioniere, wenn der Raum die Bedürfnisse derer, für die er konzipiert wurde, tatsächlich erfülle. Die Ansprüche, die Menschen an Räume haben, variieren je nach Lebensphase, weiss Enea. «Einem Park, der für alle offen ist, kommt in diesem Kontext eine besondere Bedeutung zu», sagt er. «Damit die Leute ihn auch aufsuchen, muss er den menschlichen Lebenszyklus vom Kleinkind bis zum Senior abbilden. Ein Park ist Rückzugs- und Begegnungsort, er erdet und belebt, bietet Ruhe und Erholung, aber auch Möglichkeiten für Spiel und Interaktion. Ein Park, der lebt, verfügt über Elemente, die den Menschen in allen Lebenslagen reflektieren.» Voraussetzung dafür sei ein Mikroklima, das gute Luft, angenehme Temperaturen und bestenfalls auch Artenvielfalt ermögliche, was wiederum bedinge, dass die Vegetation auf die lokale Klimazone abgestimmt sei.
Vom Urwald ins Herz der Metropole
Wie man das anstellt, demonstrierte Enea etwa mit dem Genesis-Projekt in Peking. Der fast drei Hektar grosse Gebäudekomplex entlang des Liangma-Flusses umfasst zwei Bürotürme, ein Freiluftamphitheater, ein Luxushotel und ein Kunstmuseum – eingefasst durch den angrenzenden Fluss und verbunden durch einen öffentlichen Park, den Enea gestaltete. Als er mit dem Auftrag betraut wurde, weilte er für längere Zeit in der Stadt. Enea beobachtete, wie sich Besucher beim Kaiserpalast stets vor einer uralten, knorrigen Pinie fotografieren liessen. Er fragte, was es mit der Pinie auf sich habe. «Die Leute sagten mir, ein alter Baum sei etwas so Wertvolles, das sich mit keinem Geld der Welt aufwiegen lasse», erzählt Enea. «Das brachte mich auf eine Idee.» Dem Landschaftsarchitekten war nämlich zu Ohren gekommen, dass ein alter Pinienwald im Umland gerodet werden sollte. «So holten wir den Baumbestand aus besagtem Wäldchen», erzählt Enea, «und verpflanzten ihn in die Hauptstadt. Heute bilden diese alten Pinien das Herzstück der Anlage.»
Um solche Giganten zu verschieben, bedarf es einer besonderen Wurzelschnitttechnik, die Enea in Anlehnung an das Bonsai-Verfahren entwickelt hat. Die Technik macht es möglich, den Schnitt nahe am Stamm anzusetzen – so, dass sich die Grösse des Wurzelballens von rund zehn auf gut zwei bis drei Meter Durchmesser reduziert. «Sonst wären die Bäume breiter als die Strasse und nicht transportierbar», sagt Enea. Was der Landschaftsarchitekt vor bald 30 Jahren aufs Geratewohl probiert und auf Grossbäume adaptiert hat, wendet er heute auf dem ganzen Erdball an. Auch in São Paolo: Dort siedelte sein Team Bäume aus einem Urwaldstück, das Bauten weichen sollte, kurzerhand ins Herz der Metropole um, wo auf einer ehemaligen Mülldeponie neuer Lebensraum entstehen soll. «Genau wie in Peking sorgen nun diese alten Bäume für bessere Luft und Lebensqualität vor Ort», sagt Enea. «Gerade das Beispiel aus Peking zeigt, wie im urbanen Raum, in dem Natur Mangelware ist, zum Kultobjekt avanciert, was man im Wald achtlos gefällt hätte. Das ist absurd. Aber vielleicht können wir daraus lernen – und der Natur da Sorge tragen, wo sie noch intakt ist.»
Alles begann mit einem Pfirsich
Alte Bäume zu retten, hat sich Enea zur Lebensaufgabe gemacht. Sein Herzensprojekt ist das 2010 eröffnete Baummuseum, angesiedelt in einem 75 000 Quadratmeter grossen Park, der den Firmensitz in Rapperswil-Jona umgibt. Es beheimatet über 50 alte Bäume, die Enea vor der Säge bewahrte, sowie Werke namhafter Künstler, die Themen wie Artensterben oder Konsumkultur reflektieren. Begründet hat die Sammlung eine Rosskastanie mit Jahrgang 1902, die im Kanton St. Gallen jahrzehntelang als Anschlagsäule für Veranstaltungen gedient hatte. Als sie einer Strassenverbreiterung im Weg stand, holte Enea sie zu sich an den oberen Zürichsee. «Für mich sind Bäume von unschätzbarem Wert», sagt er. «Sie schenken uns Sauerstoff, ohne den wir nicht leben können, produzieren Jahr für Jahr mehr davon, allen Widrigkeiten zum Trotz.» Aber Menschen schätzten sie nicht, die Leistung der Bäume, als deren Fürsprecher Enea sich versteht: «Wenn irgendwo eine Tiefgarage geplant ist, und eine 200-jährige Buche steht im Weg, dann muss die eben weg. Das macht mich nachdenklich.» Ein Baum in diesem Alter filtere jährlich eine Tonne Feinstaub, binde im selben Zeitraum sechs Tonnen CO2 und spende viereinhalb Tonnen Sauerstoff. «Ausserdem verdunstet er täglich 400 Liter Wasser und kühlt seine Umgebung damit um zwei bis drei Grad ab», sagt Enea. «Um die Leistung dieser 200-jährigen Buche zu ersetzen, müssten 2000 Jungbäume gepflanzt werden. Das rückt die Sache mit der Garage in ein anderes Licht, oder?»
An den Moment, der seine Liebe zu den Bäumen begründete, erinnert sich Enea noch ganz genau. «Ich war Schüler und verbrachte die Ferien bei meinem Grossvater, der Brunnenbauer in Norditalien war. Wir arbeiteten den ganzen Nachmittag, die Hitze brannte. Ich verspürte unglaublichen Durst», erzählt er. «Da pflückte mein Grossvater einen Pfirsich vom Baum und gab ihn mir. Dieser Moment war wie eine Offenbarung: der Saft, der mir über die Backen rann, dieses süsse, vollkommene Aroma, das die Frucht in ihrem knallgelben Fleisch barg. Ich dachte: Wenn Bäume etwas so Köstliches hervorbringen können, müssen es ganz besondere Geschöpfe sein. Diese Erfahrung prägt mich bis heute.»
Enzo Enea (geboren 1964) wuchs in Tann im Zürcher Oberland auf. Nach einer Ausbildung zum Industriedesigner studierte er Landschaftsarchitektur in London. Es folgte ein Aufenthalt in Hawaii, wo Enea seine erste Parkanlage für ein Sheraton-Hotel realisierte. Später übernahm er das Geschäft seines Vaters in Schmerikon, der Terracotta- und Sandstein-Töpfe verkaufte, und baute den Einmann-Betrieb zum Unternehmen mit 250 Mitarbeitern aus. Die Enea GmbH in Rapperswil-Jona plant und realisiert öffentliche und private Projekte auf der ganzen Welt.
Enzo Eneas Herzensprojekt ist das 2010 eröffnete Baummuseum. Es befindet sich im 75 000 Quadratmeter grossen Park, der den Firmensitz in Rapperswil-Jona umgibt, und beheimatet über 50 teils sehr alte Bäume aus über 25 Arten, die Enea vor der Säge bewahrte, sowie Werke namhafter Künstler. Die Anlage ergänzen über 3000 exklusive Gehölze aus aller Welt, ein kleiner See und idyllische Sitzgelegenheiten. Von November bis Februar hat das Baummuseum von Montag bis Freitag, von neun bis 17.30 Uhr und am Samstag, von zehn bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 15 Franken für Einzelpersonen und zwölf Franken für Gruppenmitglieder und Studenten.
enea.ch/baummuseum