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Cigar 4/2014

Der Image-Streifen

Text: Regula Lehmann Fotos: Marcel Studer
Sie haben die grosse Aufgabe, den Raucher zu verführen und unverkennbar zu sein. Zudem gelten sie vielerorts als Statussymbol: Banderolen sind nicht blosse Zierde, sondern knallhartes Marketing.
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So wirklich stichhaltig sind die Beweise nicht, dass der holländische Händler Gustav Bock um das Jahr 1850 tatsächlich der Erste war, der seine Zigarren mit Papierbändern versah und damit die Banderole erfand. Immerhin verweisen aber mehrere Quellen auf diesen Namen, und so wollen wir Bock die Ehre als Bauchbindenerfinder nicht absprechen. Den Berichten nach habe er seine Zigarren aus kubanischem Tabak mit einem Papierring umwickelt, um sie von jenen der Konkurrenz abzuheben. Es war eine Marketingmassnahme, sozusagen. Doch im Lauf der Zeit taten es ihm andere Zigarrenhändler gleich und versahen die Bauchbinden erst noch mit kunstvollen Verzierungen und mit unverwechselbaren Motiven auf dem ovalen oder rechteckigen Mittelstück.

Gemäss anderen Quellen reicht die Erfindung der Bauchbinde sogar bis in die Zeit des 18. Jahrhunderts zurück. So soll die russische Zarin Katharina die Grosse, eine bekennende Zigarrenliebhaberin, ihre Zigarren mit Seidentüchern umwickelt haben, um ihre Hände vor Tabakflecken zu schützen. Die gleiche Idee sollen auch die Londoner Dandys gehabt haben, die ihre weissen Handschuhe nicht beschmutzen wollten und die Zigarrenhälse deshalb mit Papier umwickelten. So oder so, um die Bauchbinde, auch Banderole oder Anilla genannt, ranken sich zahlreiche Legenden.

Heutzutage ist sie allerdings nicht mehr wegzudenken. Der Papierschmuck gehört zur Zigarre wie das Amen in die Kirche, wobei mitunter kein Aufwand gescheut scheut wird, um sich mittels Banderole von den Mitbewerbern abzuheben oder neue Kundensegmente zu erobern. Nicht nur mit den Farben und Formen wird gespielt, sondern auch mit der Haptik der Bauchbinden. Aufwendig gestaltete Reliefs gehören mittlerweile ebenfalls zur Standardproduktion.

Im Lauf der Zeit zierten schon mancherlei Sujets die Bauchbinden – einige Produzenten lancierten gar regelrechte Bauchbinden-Serien für eingefleischte Sammler und bildeten darauf verschiedene Vogelarten, Hunderassen, Monumente, Flugobjekte oder Persönlichkeiten, Staatsmänner und Tyrannen ab. Unrühmliche Bekanntheit hat kürzlich besonders die Bauchbinde mit dem Abbild von Adolf Hitler gemacht, welche als Sujet auf einem Kaffeerahmdeckeli in der Schweiz für Furore sorgte.

Zurzeit sind besonders grosse Banderolen en vogue, die einen Grossteil der Zigarre bedecken. Dies bestätigt Jürg Brunold, Geschäftsführer des Zigarrenfachgeschäfts «Don Cigarro» in Zollikon bei Zürich: «In den letzten zwei bis drei Jahren kamen breite Banderolen auf den Markt, auf denen ein riesiges Logo abgebildet ist. Camacho ist auf diesen Zug aufgesprungen, und ich bin überzeugt, dass weitere Produzenten mit dieser neuen Art von Banderolen-Design folgen werden», sagt er.

Camacho hat mit seinem Re-Design Anfang 2014 einen Imagewechsel vollzogen. Mit seinen extremen, selbstbewusst gestalteten Banderolen spricht der Brand eine auf Authentizität achtende Zielgruppe an. Auf der Webseite umgarnt Camacho die Kunden mit Schlagwörtern wie «kompromisslos», «unverfälschte Menschen», «intensive Geschmackserlebnisse» und bedient eine «kühne», «wagemutige», «selbstbewusste » und «erfolgreiche» Klientel. Damit hat der Brand jegliches traditionelles Image abgestossen – was er auch mit seinen neuen Banderolen lautstark kundtut.

Aber trägt eine Bauchbinde denn tatsächlich wesentlich zum Kaufentscheid bei? «Ja, der Effekt ist unbestritten», sagt Zigarrenhändler Brunold. «Auf etwas Schönes spricht jeder Konsument an. Gerade Zigarrenraucher, die sich nicht auf eine einzige Marke fokussieren, sondern gerne einmal etwas Neues verkosten, lassen sich auch von einer schönen Banderole verführen und zum Kauf verleiten.» Das Bauchbinden-Design ist der erste Eindruck und gibt der Zigarre einen Charakter, eine Identität, noch bevor sie angezündet wird. Es erzählt eine Geschichte, vielleicht von deren Entstehung, deren Herkunft, manchmal gibt es sogar Hinweise auf die Qualität des Rauchgenusses. Einige Produzenten setzen aktuell auf besonders knallig bunte Farben und Designs – welche notabene auf dem braunen Deckblatt jeweils schön zur Geltung kommen. Wieder andere Brands verstehen die Banderole als feste Konstante in ihrem Auftritt und haben das Design in den vergangenen Jahren gar nicht oder nur geringfügig verändert.

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So zum Beispiel Brun del Ré. Das Familienunternehmen, das in Costa Rica angesiedelt ist, setzt auf das klassische Design. Das Familienwappen in Gold steht im Zentrum einer jeden Bauchbinde. Brun del Ré, der Familienname grossmütterlicherseits, steht als Schriftzug unter dem Logo. «Unser Brand ist sehr traditionell. Wir richten uns allerdings nicht primär an die ältere Generation, sondern wollen damit Menschen ansprechen, die Freude an Tradition und Konstanz auf hohem Niveau haben», sagt Marcello Corazza, Inhaber der Importadora Corazza GmbH. Die Banderolen der einzelnen Brun-del-Ré- Linien geben Hinweise auf die Stärke der Zigarren. Die grüne Linie deutet auf eine milde Zigarre hin, die schwarze Banderole weist auf ein volleres Aroma und die rote auf die kräftigste Zigarrenlinie hin. Grundsätzlich hat sich das Banderolen-Design von Brun del Ré im Lauf der Jahre nur geringfügig verändert. Mit gutem Grund: «Banderolen sind ein wichtiges Marketingtool und das Rückgrat der Corporate Identity», sagt Corazza.

Auf einen klaren Wiedererkennungseffekt und Tradition setzt auch Davidoff mit ihren Banderolen, wobei die Unterschrift von Zino Davidoff, der ovale Kreis mit den geprägten Punkten sowie «Genève», der Entstehungsort von Davidoff, auf keiner Bauchbinde fehlen dürfen. Zudem finden sich auf dem beschichteten Papierstreifen jeweils auch Angaben zum Format. Sam Reuter, Senior Manager Product Innovation Oettinger Davidoff AG, vergleicht das Design einer Banderole mit dem einer Weinflaschenetikette: «Die Banderole spiegelt die Wertigkeit des Produkts wider. » Dass sich ein schönes Design positiv auf den Kaufentscheid auswirkt, davon ist er überzeugt. Er ortet aber auch kulturelle Unterschiede: «Wir hatten eine Linie mit nur einer Fussbanderole. Wenn man diese entfernte, war die Marke nicht mehr erkennbar. Dieses ‹Understatement› ist in der Schweiz sehr beliebt, in Asien dagegen werden Zigarren an sich als Statussymbol gesehen », so Reuter.

Die Wirkung der Banderole ist demnach tatsächlich nicht zu unterschätzen. Der kleine oder in einigen Ausführungen eben doch recht gewaltige Papierstreifen, hat die wichtige Aufgabe, sich von der Konkurrenz zu unterscheiden und dem Raucher einen gewissen Status zu verschaffen. Und damit bleibt die Banderole auch 160 Jahre nach ihrer Erfindung eines der wichtigsten Marketinginstrumente im Zigarrenbusiness.