Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Im Spätherbst präsentieren sich die Rebberge oberhalb von Zizers als Meer aus kargen Weinstöcken. Einige Parzellen sind enger bepflanzt als andere, an den Zweigen trotzen täglich weniger gelbbraune Blätter dem Wind, der Winter ist nah. Uwe Schneider kennt hier jede Ecke. Sie tragen lustige Namen, heissen zum Beispiel Ochsaweid oder Rappagugg. «Mit den zehn Reihen dort oben machen wir den Pinot noir von Florian Attila», sagt der 52-Jährige, dann zeigt er Richtung Süden. «Da vorne gedeihen die Reben von Patrick Däscher, und gleich nebenan kultiviere ich die Trauben für meinen Pinot noir Felder.»
Als Lohnwinzer keltert Schneider in Zizers aus den Trauben von zurzeit elf Kundinnen und Kunden exklusive Weine. «Die meisten bewirtschaften ihre Reben seit Jahrzehnten, die Erträge sind aber zu tief, um sie selbst zu vinifizieren», so Schneider. Aussergewöhnlich dabei ist, dass der gebürtige Münchner jede Charge, auch ganz kleine, separat ausbaut. «Die kleinste Parzelle ergab heuer 150 Kilo Trauben, das reicht letztlich für etwa 140 Flaschen.» Schneiders grösster Kunde, die Familie Engler hinter dem Wein Ciprian (so heisst der Hausberg von Zizers), bewirtschaftet vier Parzellen auf insgesamt 0,8 Hektar. Das ergibt jährlich 2500 bis 3500 Flaschen Pinot noir, dazu kommen nochmals zirka 1200 Flaschen Chardonnay.
Die Zusammenarbeit zwischen Schneider und seinen Kundinnen und Kunden ist eng, basiert auf viel Vertrauen und dauert das ganze Jahr. «Ab Januar gehen wir zusammen in den Rebberg, beraten, was zu tun ist.» Für guten Wein sind gesunde Trauben und der richtige Zeitpunkt der Ernte zentral. Das Klima sowie die nach Süd-Süd-West ausgerichteten, kalkhaltigen Hänge von Zizers sind ideal für den Anbau der traditionellen Burgundersorten wie Chardonnay, Weissburgunder oder Pinot noir. Und ähnlich wie im Burgund entstehen hier auf kleinstem Raum sehr unterschiedliche Weine. Doch wie können Weine, gekeltert aus Trauben, die nebeneinander wachsen, so unterschiedliche Charaktere entwickeln?
«Das Terroir ist entscheidend», sagt Schneider. Nicht umsonst sei etwa das Burgund so eng parzelliert. Allerdings gehöre zum Terroir nicht nur der Boden, sondern vor allem auch der Mensch, der diesen bearbeitet. Es komme darauf an, wie man die Reben schneidet und dem Boden, in dem die Pflanzen gedeihen, Sorge trägt. Schneider, der zusammen mit vier seiner Kundinnen und Kunden einen biologischen und regenerativen Landbau betreibt, plädiert zum Beispiel für den sanften Rebschnitt, der den Saftfluss der Pflanzen berücksichtigt. Bei seinen eigenen Rebstöcken wickelt er die Triebe gar um den obersten Heftdraht, anstatt sie zu schneiden. So gelangt mehr Energie in die Spitzen der Pflanzen, die Trauben geraten zwar kleiner, dafür werden deren Schalen tendenziell dicker, was wiederum zu mehr Gerbstoffen im Wein führt.
Letztlich sind es das Wetter, verteilt auf drei Jahreszeiten, und die Summe unzähliger Entscheidungen, im Rebberg, aber auch im Keller, die einen Wein ausmachen. Ein ganz spezieller Tropfen ist etwa der Clos Däscher. Dafür pflanzte Heinz Däscher 2011 Burgunderklone in die Ochsaweid, und zwar nach traditioneller, burgundischer Art. Dabei werden die dicht aneinandergereihten Weinstöcke nur gerade einen Meter hoch, ihre Wurzeln bohren sich dafür umso tiefer ins Erdreich. «Die Bewirtschaftung ist sehr mühselig, das Ergebnis aber beeindruckend», so Schneider. 600 Flaschen beträgt die Jahresproduktion dieses im Barrique ausgebauten Autorenweins.
Die Ernte fiel dieses Jahr in Zizers ausserordentlich gut aus. Eingemaischt werden die Trauben mit den nackten Füssen (alle helfen mit) und teilweise mit einem Siebverfahren, das sich Schneider im Piemont bei Winzerkollege Fabio Burlotto abgeschaut hat. Dabei drückt ein Sieb den Hefekuchen nach unten, die Schalen bleiben stets im Rebsaft, zudem wird die Oxidation auf ein Minimum reduziert. Im Keller gilt es anschliessend, stilistische Fragen des Ausbaus zu klären, etwa welche Art Fässer – neue oder gebrauchte – zum Einsatz kommen soll. «Je höher das Weinwissen der Kundinnen und Kunden, desto tiefer tauchen wir in die Materie ein», so Schneider.
Doch was zeichnet einen guten Wein eigentlich aus? Schneider überlegt genau, bevor er antwortet (das macht er immer). «Beim Pinot noir ist es nicht so sehr die Kraft, sondern seine Dichte und Länge sind entscheidend.» Es heisse ja, grosse Weine entstehen im Kopf. Das habe er erst mit der Zeit verstanden. «Klar, grosse Weine entstehen auch im Rebberg, aber man muss eine Vorstellung haben, was man will, und dann beharrlich während Jahren darauf hinarbeiten.»
Rund zwei Drittel der von Schneider gekelterten Weine gehen in den Verkauf für Preise zwischen 25 und 45 Franken die Flasche. «Die Mengen sind zwar nicht allzu gross, aber letztlich ist es doch zu viel für den Eigengebrauch.» Zudem könne so ein Teil der nicht unerheblichen Produktionskosten wieder eingespielt werden. Den Pinot noir von Ciprian gibts mittlerweile sogar in einzelnen Fachgeschäften in Buchs und Zürich zu kaufen, allerdings meist nicht lange. Für alle anderen Weine empfiehlt sich ein Anruf bei Schneider oder direkt bei der Produzentin oder dem Produzenten.
Von der Qualität der Weine positiv überrascht ist auch Roland Schmid, Küchenchef des Restaurants Pinot in der Fläscher Klinik Gut. Total führt der Spitzenkoch 212 verschiedene Erzeugnisse aus der Bündner Herrschaft und aus Walenstadt auf seiner Weinkarte, darunter Schneiders Pinot noir sowie dessen Chardonnay. Letzterer sei etwa sehr burgundisch, extrem ausgewogen und habe viel Lagerpotenzial. Den Clos Däscher habe er zwar zurzeit nicht im Angebot, finde ihn aber «schlicht sensationell».
Mit den glorreichen Acht kreierte Schneider bereits zum zweiten Mal einen exklusiven Wein für das Restaurant Alter Torkel in Jenins. Dabei handelt es sich um eine Assemblage von seinen acht im Barrique ausgebauten Pinots noirs, einen Querschnitt durch den Keller sozusagen. «Unsere Weine eignen sich für Gastronominnen und Gastronomen, die ihren Gästen etwas Spezielles anbieten möchten», so Schneider. Dieser Meinung sind auch die Verantwortlichen im Restaurant Igniv in Bad Ragaz. Im mit zwei Sternen ausgezeichneten Lokal serviert man den Pinot noir von Ciprian aus der Magnum- und der Doppelmagnumflasche.
In Zukunft möchte Schneider zusammen mit seinen Kundinnen und Kunden stärker als Gemeinschaft auftreten. «Es geht mir auch darum, Weine aus Zizers bekannter zu machen, wir brauchen uns nicht zu verstecken.» Bleibt die Frage, was den gelernten Weinakademiker mit 40 Jahren dazu bewogen hat, noch eine Winzerlehre zu absolvieren? «Ich mag die Arbeit draussen in der Natur mit den Reben.» Und dann sei Wein ein unglaublich spannendes, vielfältiges Getränk. «Gut gemacht, vermag er die Menschen zu berühren, das fasziniert mich immer wieder von Neuem.»
Uwe Schneider (52) absolvierte die Ausbildung zum Weinakademiker und arbeitete ab 2009 in der Weinabteilung des Kaufhauses Globus in St. Gallen. 2010 begann er nebenher im mittlerweile geschlossenen Weingut Cicero in Zizers als Aushilfe mitzuarbeiten und lernte sämtliche Arbeitsschritte kennen, vom Winterschnitt über die Lese bis hin zum Ausbau im Keller. Von 2011 bis 2013 absolvierte er bei Cicero die Winzerlehre und fungierte anschliessend als Betriebsleiter des Weinguts. 2016 machte er sich in Zizers selbstständig. Als Lohnwinzer keltert er die Weine von insgesamt elf Kundinnen und Kunden. Anders als bei grösseren Weingütern üblich, baut er dabei auch kleinere Traubenchargen separat aus. Seit 2017 produziert Schneider eigenen Pinot noir sowie Chardonnay, ab nächstem Jahr gibt es auch einen eigenen Schaumwein aus Pinot-noir-Trauben.
Schneider Wein
Pfarrer-Künzle-Weg 5
7205 Zizers
079 268 68 52
Direkter Kontakt zu Uwe Schneiders Kunden
Carla Engler: 078 700 49 42
Walter Vetsch: 079 290 14 23
Attila Florian: 076 508 56 01
Heinz Däscher: 079 274 56 37
Patrick Däscher: 079 351 54 04
Pepi Rauch: 079 955 97 11
Thomas Würbel: 0043 664 4455112
Märki Engler: 079 702 62 17