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Cigar 2/2020

Der Zigarrendoktor

Interview: Tobias Hüberli Foto: Jürg Waldmeier
Vor rund sechs Jahren stieg Pablo Richard beim Schweizer Hersteller Patoro ein. Als Spross einer Zigarrendynastie war ihm das Thema zwar vertraut, anfangen musste er trotzdem von vorne.
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Wer ist bei Patoro nun eigentlich der Chef, Sie oder Markengründer Patrick Martin?
Pablo Richard: Patrick Martin ist nach wie vor der Hauptaktionär des Unternehmens. Und mit seiner grossen Erfahrung betrachte ich ihn durchaus als meinen Chef. Wir haben uns die Gebiete klar aufgeteilt. Patrick ist für den Schweizer Markt zuständig. Zudem ist er der Dirigent in der Lounge in Olten. Dort braucht es einen guten Host. Meine Aufgaben indes sind der Handel sowie das Exportgeschäft.

In welchem Zustand war die Marke, als Sie 2014 dazukamen?
Patoro war ein ungeschliffenes Juwel, würde ich sagen, eine wunderschöne Marke im High-End-Bereich. Patrick hatte sich in der Schweiz etwas wirklich Schönes aufgebaut. Aber im Ausland kannte uns niemand. Da musste ich von vorne anfangen. Im Zigarrenbusiness gibt es keine Abkürzung. Man muss Klinken putzen, sitzen, rauchen und die Werte der Marke erklären. Es geht in etwa so schnell, wie eine Zigarre abbrennt, also sehr langsam.

Liegt Ihnen das Klinkenputzen?
Ich glaube schon. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Typ mit grossen Ambitionen. Ich spielte früher mal für die Tennis-Junioren-Nationalmannschaft der Schweiz. Ich war klein, dafür rannte ich mehr als alle anderen und biss mich durch. In der Businesswelt sehe ich mich auch so: Ich gebe nicht auf, bleibe dran. Ich liebe es, Leute zu treffen und eine gute Zeit zu haben. Das Klinkenputzen ist ja immer verbunden mit etwas Schönem, dem Rauchen einer Zigarre, das passt mir durchaus.

Sie stammen aus einer Tabakfamilie, Ihr Grossvater war Ernst Schneider, der legendäre Patron von Oettinger Davidoff. War das ein Vorteil?
Das Thema war mir natürlich vertraut, ich bin damit gross geworden. Als ich bei Patoro einstieg, wusste ich, wie man eine Zigarre raucht, mehr aber auch nicht. Darum ging ich für fast ein Jahr in die Dominikanische Republik, um in der Fabrik von Augusto Reyes, in der die Zigarren von Patoro produziert werden, das Geschäft von der Pike auf zu lernen.

Welche Strategie verfolgen Sie denn im Exportbusiness?
Die ist mittlerweile klar: Unser Fokus liegt auf der Schweiz, Deutschland und den USA. Dort sehe ich das grösste Potenzial. Österreich entwickelt sich auch sehr gut. Und natürlich wollen wir in Frankreich, Spanien und gewissen osteuropäischen Ländern auch präsent sein.

Ihre erste Amtshandlung war der Einstieg in den US-amerikanischen Markt. Warum?
Aus meiner Familiengeschichte wusste ich, dass die USA wichtig sind. Als Davidoff die Produktion von Kuba in die Dominikanische Republik verlagerte und deshalb in die USA liefern konnte, ging es richtig los. Mir war klar: Wenn wir auf dem Weltmarkt mitreden wollen, müssen wir da hin.

Und Sie wollen auf dem Weltmarkt mitreden?
Ja. Obwohl die Situation in den USA auch schwieriger geworden ist. 2014 sah das noch anders aus. Die seit langem angekündigten Restriktionen der US-amerikanischen Lebensmittelbehörde FDA kommen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Aber wir wissen noch nicht, was uns das kosten wird und welchen Aufwand wir haben werden.

Verfügt Patoro über sogenannte Grandfather Cigars, also Zigarrenblends, die vor 2007 entstanden und von den FDA-Regulationen ausgenommen sind?
In der Manufaktur von Augusto Reyes haben wir solche Blends. Damit werden wir sicherlich spielen.

Seit 2019 unterhalten Sie in den Vereinigten Staaten einen eigenen Vertrieb. Das sei ein entscheidender Moment gewesen, sagen Sie.
Die ersten Jahre arbeiteten wir für den Vertrieb mit Christian Eiroa zusammen. Er lehrte mich viel über den US-amerikanischen Markt und wurde zu einer Art Mentor für mich. Irgendwann wurde aber klar, dass wir eine eigene Struktur brauchen. Die Amerikaner sind grosse Patrioten. Mit unserer Firma Patoro USA Inc. haben wir nun eigene Leute vor Ort und sind nicht mehr eine Schweizer Marke, die von jemand anderem distribuiert wird. Das war ein wichtiger Schritt, kein einfacher, aber der richtige.

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Wie haben Sie eigentlich die Corona-Pandemie erlebt?
Es waren schwierige Zeiten. Aber ich habe das Gefühl, dass die Zigarrenindustrie nicht enorm gelitten hat. Klar war unser Patoro-Store vorübergehend geschlossen, aber handelstechnisch haben wir in dieser Periode viel gemacht. Die Bestellungen der Onlinehändler gingen durch die Decke. Ein starker Brand war in diesem Fall definitiv von Vorteil. Das Beratungsgespräch fiel weg, man kaufte, was man bereits kannte, und probierte weniger aus.

Patoro lanciert vergleichsweise wenig neue Produkte. Gehört das zur Strategie?
Wir haben das intern lange besprochen. Und wir haben auch einiges in der Pipeline. Aufgrund der FDA-Geschichte beschlossen wir aber, es ruhig anzugehen. Vor allem haben wir aber bereits ein sehr gutes Portfolio. Es wäre natürlich einfach, jedes Jahr eine neue Zigarre zu lancieren, so könnten wir schnell wachsen, das ist aber nicht unser Ziel. Das tönt vielleicht blöd, aber wir wollen die Zigarren, die wir haben, zu Ikonen machen. Trotzdem hatten wir ursprünglich für dieses Jahr eine Neuheit geplant. Vielleicht kommt sie noch.

Wie viele Zigarren verkauft Patoro pro Jahr?
Wir kommunizieren keine Zahlen. Das ist vielleicht eine etwas veraltete Vorgehensweise, aber das war von Anfang an klar, als ich bei Patoro einstieg. Und das respektiere ich auch. Darum nur so viel: Wir haben die Zahlen in den letzten Jahren vervielfacht.

Sie gehören zum Schweizer Jetset, werden jeweils als Davidoff-Erbe betitelt.
Wenn ich das höre, schaudert es mich immer ein bisschen.

Aber Sie verkehren in diesen Kreisen?
Stimmt, aber das ergibt sich auch ein bisschen aus den Produkten, die ich verkaufe. Neben Patoro bin ich mit meinem Vater noch an einer Uhrenmarke im High-End-Bereich beteiligt. An solchen Anlässen finde ich mein Zielpublikum. Ob ich zu dieser Welt gehöre, lasse ich mal dahingestellt. Ich bin eigentlich eher der einfache Typ, gehe gerne mit meiner Freundin in die Berge wandern oder Ski fahren. Ich weiss ziemlich genau, wo mein Platz ist.

Sie sind mit 34 noch jung. Gibt es Projekte abseits von Zigarren und Uhren, die Sie beschäftigen?
Die Medizin ist immer noch in mir drin. Während der Corona-Pandemie wurde ich für einen Monat als Militärarzt eingezogen, um Menschen auf Covid-19 zu testen. Ich war in Freiburg stationiert und habe alles mitgemacht. Anfangs hatte ich ein bisschen Respekt, aber die Erfahrung war sehr interessant. Auf dem Gebiet der Medizin will ich auch weiterhin tätig sein. Ich bin zum Beispiel an einer Firma beteiligt, die einen Antikörper-Schnelltest für Covid-19 entwickelt hat. Zusammen mit Roche sind wir eine der ersten Firmen, die den Test in den USA verkaufen dürfen. Das ist eine schöne Geschichte, auch weil ich beides kombinieren kann, das medizinische Know-how und das Business-Mindset.

Und wie sehen Sie Ihre Zukunft bei Patoro?
Wir haben nichts Genaues definiert. Patrick Martin liebt und lebt dieses Business. Er sagt ja von sich selbst, dass er niemals aufhören wird zu arbeiten. Und ich glaub ihm das. Aber vielleicht wird es mal in einer anderen Art für ihn weitergehen. Oder es kommen noch mehr Leute hinzu. Ich denke, das wird sich mit der Zeit ganz natürlich entwickeln.

Pablo Richard (34) wuchs in Biel auf. Mit Zigarren kam er bereits früh in Berührung: Sein Grossvater war Ernst Schneider, der 2009 verstorbene Patron der Oettinger Davidoff Group. Nach dem Medizinstudium in Bern wollte Richard sich in Brasilien zum plastischen Chirurgen weiterbilden, änderte seine Pläne aber binnen einem Jahr und entschloss sich für eine Karriere im Handel. 2013 lernte er Patrick Martin, Vater der Zigarrenmarke Patoro, kennen. Nachdem er in der Fabrik von Augusto Reyes in der Dominikanischen Republik während fast eines Jahres in die Grundlagen der Zigarrenherstellung eingewiesen worden war, stieg er als Partner bei Patoro ein. Seit 2014 verantwortet Richard die Exportstrategie des Schweizer Brands. Das Portfolio besteht derzeit aus sechs Linien. In der Schweiz vertreibt Patoro zudem Zigarrenlinien von Nirka Reyes (Saga), Christian Eiroa (Eiroa, Asylum) und Phil Zanghi (Indian Motorcycle Cigars).
patoro.com