Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Etwa vier Stunden dauert die grosse Rundfahrt auf dem Zürichsee. Ausreichend Zeit also, um sich an Deck eines der ganz grossen Formate zu gönnen, vielleicht eine Partagás Lusitanias, währenddas Schiff Fahrt aufnimmt Richtung Rapperswil und alsbald die dicht bebauten Seeufer von Kilchberg und Rüschlikon vorbeiziehen.
Auf dem 65 Quadratkilometer grossen See scheint die Welt noch in Ordnung. Oder wieder, seit sich die Bewohner der Pfnüsel- und der Goldküste verbrüderten und sich erfolgreich gegen den Schiff-Fünfliber wehrten, diesen vom Zürcher Regierungsrat eingeführten Zuschlag auf Schifftickets, um die Kantonsfinanzen aufzubessern. Sicher ist, Gebühren und andere Begehrlichkeiten des Staates sind auf beiden Seiten des Zürichsees äusserst unpopulär.
Beliebt ist dafür die 1991 von tatkräftigen Kleinaktionären gegründete Kleinbrauerei in Wädenswil. Das Wädi-Brau-Huus mit angehängter Beiz liegt etwa 100 Meter vom Anlegesteg entfernt. Unter der Leitung von Braumeister Sebastian Fleck entstehen dort zahlreiche, biozertifizierte und mehrheitlich unfiltrierte Biere. Die meistverkaufte Sorte ist das klassische Lagerbier, gefolgt vom stärker gehopften Pale Ale. Es gibt aber auch Pils, Weizen- und Dunkelbier sowie Saisonbiere. Interessant ist der Bierbrand, den Fleck bei Schnapsbrenner Ruedi Käser (Käsers Schloss, Elfingen) brennen lässt. «Dafür benutze ich, wenn möglich, unser Pils, das Endprodukt erinnert geschmacklich an einen milden Grappa», so der 31-Jährige.
In Rapperswil angekommen, ist es Zeit, sich die Beine zu vertreten. Zum Beispiel in der Altstadt, wo mit der La Corona die schmucke Zigarrenlounge von Andreas Stachl zur zweiten Zigarre einlädt (siehe Box). Oder aber man spaziert in die andere Richtung über die spektakuläre Holzbrücke nach Hurden. Was der Rapperswiler Zoo für die Kinder, ist der im Kanton Schwyz gelegene Ort für die Reichen. Die Bodenpreise der 1,3 Quadratkilometer grossen Halbinsel sollen die zweithöchsten des Landes sein. Villen, Strassen und die kleine Kapelle sind sauber herausgeputzt, die Sicht auf den See ist unverstellt.
Genau hier, im Restaurant Adler, wirtet Markus Gass, ein Monument von einem Koch. Seit 2001 zelebriert der 51-Jährige zusammen mit seiner Frau Cristine Hess Gass eine klassische französische, mit einem Stern ausgezeichnete Hochküche. 2008 wurde Gass zum Cigarman of the Year gekürt. Mit ein Grund dafür war die mit viel Sinn fürs Detail eingerichtete Zigarrenlounge im zweiten Stock. Diese eröffnet dem Gast nicht nur einen spektakulären Blick hinunter in den hellen, mit viel Kunst geschmückten Gastraum, sondern bietet auch eine kleine, aber gepflegte Zigarrenauswahl. Berühmt ist der Adler übrigens für seine hausgemachten Taleggio Triangoli und Edelfische wie Steinbutt oder bretonischer Wolfsbarsch. Lokalen Fang verarbeitet Gass selten, aber immer dann, wenn er eine prächtige Seeforelle bekommt. «Einerseits reisen unsere Gäste nicht wegen Felchenfilets zu uns, da sie diese als zu fett befinden. Andererseits ist es sehr schwer, überhaupt an lokalen Fang zu kommen», so Gass.
Ist der Zürichsee also leer? «Nein», sagt Bernhard Zahner. «Es gibt ausreichend Fische.» Nur sei der See zu sauber und die Fische dadurch zu klein, um in den Maschen der 90 Meter langen und bis zu fünf Meter hohen Netzen hängen zu bleiben. «Die Zukunft der 18 professionellen Fischer am Zürichsee ist bedroht», so der 30-Jährige. Für Zahner, der das Berufsfischerpatent vor sieben Jahren erwarb, ist die Fischerei mit diesen schwachen Fangerträgen zurzeit eher eine repräsentative Sache. Er betreibt in Gommiswald einen Fischhandel sowie eine Flotte von Verkaufswagen rund um den See (und ab Mai im Zürcher Viadukt). Mit der eigenen Fischerei könne er seinen Kunden wenigstens ab und zu lokalen Fang anbieten. «Ich liebe die Ruhe auf dem See», sagt Zahner, der seit 2016 auch im Kantonsrat von St. Gallen sitzt. Vor allem im Frühling, wenn auf dem Wasser noch nicht so viel los ist und er abends nach dem Auslegen der Netze eine Zigarre geniesst.
Auf den Geschmack des handgerollten Tabaks brachte ihn Marcel Knobel, der wohl einzige Produzent von Premiumzigarren am Zürichsee. «Eigentlich wollte ich nur einen eigenen Longfiller für mein Zigarrengeschäft in Altendorf produzieren», erzählt Knobel. Dafür entwickelte er vor drei Jahren in der Zigarrenmanufaktur von Henderson Ventura in der Dominikanischen Republik 5000 Longfiller.
Heute sind Knobel und Ventura Geschäftspartner und Besitzer der Zigarrenmarke Adventura. Drei Zigarren-linien in beachtlicher Qualität haben die beiden bis heute auf den Markt gebracht, eine vierte Linie (La Bucanera) wird in diesem Jahr folgen. Zudem kreierte Knobel mit der mexikanischen Tabacalera A. Turrent eine weitere Zigarre namens El Loco (siehe auch Seite 75). Leicht sei das Zigarrengeschäft nicht, meint Knobel. Aber der 40-Jährige verfolgt eine überlegte Expansionsstrategie – und hat offensichtlich Blut geleckt. «Wir verkaufen zurzeit etwa 100 000 Zigarren im Jahr, das ist nicht so schlecht für eine Marke, die es erst seit zwei Jahren gibt.»
Aber zurück aufs Schiff, die Goldküste entlang nach Stäfa. Dort, nur ein Katzensprung vom Anlegeplatz entfernt, liegt das historische Gasthaus Sonne, in dessen 500 Jahre alten Gewölbekeller ein echter Schatz schlummert. Gemeint ist das weltweit grösste Angebot an Weinen von den zahlreichen Winzern aus dem Zürichseegebiet. Eine Auswahl der Weine kann glasweise genossen werden. Oben in der Küche glänzt Küchenchef Cäsar Meyer mit einer elaborierten und vor allem lokalen Fischküche. «Ich habe immer etwas aus dem See, aber halt einfach das, was wir gerade kriegen», erklärt der 45-Jährige. Im Frühling sind das zum Beispiel prächtige Hechte, deren dickes Fleisch eigentlich interessanter zu kochen sei als dünne Eglifilets.
Sowieso experimentiert der mit 15 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnete Meyer gerne mit den weniger bekannten Fischarten des Sees. Etwa mit dem Weissfisch Alet, den er in Essig einlegt und anschliessend zu einem Salat verarbeitet. Fischleberli stehen fast das ganze Jahr auf der Karte, und aus dem Rückenfleisch der Brachsme, einer Karpfenart, stellt er ein feines Ragout her. Den Gästen scheints zu gefallen, der Laden brummt. Einziger Wermutstropfen aus Sicht des Aficionados ist die fehlende Zigarrenlounge. Diese musste Meyer vor Jahren schliessen, weil der Rauch durch sämtliche Räume des 1792 gebauten Hauses zog.
Das Zigarrenrauchen aufgegeben hat auch Josef Schuchter. «Ich vertrage sie leider nicht mehr so gut», gesteht der 69-Jährige. Vor 15 Jahren setzte der begeisterte Segler alles auf eine Karte, verkaufte seine Autogarage in Stäfa und wurde Bootsbauer. «Nicht wenige dachten damals, ich hätte den Verstand verloren», erinnert sich Schuchter. Er selbst habe das nie so dramatisch gesehen. «Ich war mir absolut sicher.» Im Kopf hatte er ein Boot, das es nirgends gab: sportlich, schnell und gleichzeitig so unkompliziert, dass es alleine oder zu zweit manövrierbar bleibt.
Als sein erstes Modell, die Esse 850, fertig war, setzte es Schuchter ins Wasser, segelte los und gewann auf Anhieb die erste Regatte. Das Boot war genau so, wie er es sich vorgestellt hatte: schnell und einfach. Ein wichtiger Grund dafür liegt unter Wasser. «Der Kiel ist mit 700 Kilo ausserordentlich schwer», so Schuchter. Das Gewicht hält das Boot während des Turns gerade im Wasser, ohne dass es von einer grossen Mannschaft ausbalanciert werden muss. Ein Jahr später wurde die Esse 850 erstmals zum European Boat of the Year gewählt. «Das half natürlich.»
Bis heute verkaufte Schuchter etwa 250 Boote in die ganze Welt, mehr als jede andere Schweizer Werft. Für die Esse 850 gibts mittlerweile eine eigene Rennkategorie, das ist so etwas wie der Ritterschlag für jeden Bootsbauer. Gefertigt werden die mittlerweile vier Modelle in Stäfa und in Italien, der Stückpreis liegt zwischen 90 000 und 250 000 Franken. «Zum 15-Jahr-Jubiläum planen wir ein fünftes Modell», so Schuchter. Es soll ein Weekend-Cruiser werden, immer noch sportlich, aber mit etwas mehr Komfort, fürs ganze Wochenende eben.
Letzter Halt auf der grossen Rundfahrt für Zigarrenaficionados ist Herrliberg, oder genauer: das Weingut Schipf. Ein wunderbarer Ort. Bereits Goethe erwähnte den Konzertsaal des Hauses, und Winston Churchill dinierte bei seinem legendären Besuch 1946 in Zürich darin. Seit einem Jahr ist Önologe Jonas David Ettlin verantwortlich für die 4,5 Hektar Reben und die Weinproduktion des Guts, fast 48 000 Flaschen waren es letztes Jahr. Ehrfürchtig führt er durch den imposanten, 291 Jahre alte Weinkeller mit eigener Quelle. «Die grosse Arbeit geschieht in den Reben, hier im Keller muss man den Dingen seinen Lauf lassen», so Ettlin. Der 39-Jährige hält nichts von (erlaubten) Tricksereien wie dem Zusatz von Eiweiss oder Tanninen, um Wein zu schönen. «Das Klima und die Tradition dieses Kellers verpflichtet zu Purismus. Wir arbeiten nur mit Trauben, Hefe und etwas Schwefel.» In diesem natürlichen Prozess, so ist Ettlin überzeugt, liegt auch die lange Lagerfähigkeit seiner Weine begründet. Auf der Galerie des Kellers lagern rund 12 000 Flaschen aus den letzten 20 Jahren. Diese wunderbaren Raritäten verkauft Ettlin allerdings fast ausschliesslich an die Gastronomie.
«Schweizer Weine im Allgemeinen und die vom Zürichsee im Besonderen werden immer noch unterschätzt», sagt Ettlin. Doch unter den Winzern der Region tut sich was. Fast überall ist ein Generationenwechsel im Gang. Junge übernehmen das Ruder, arbeiten und kommunizieren zusammen. Ein gutes Beispiel dafür ist der gemeinsame Auftritt an der nächsten Gourmesse, die vom 12. bis 15. September in Zürich-Oerlikon stattfindet.
Wer nicht so lange warten will, sollte in Herrliberg das Schiff verlassen und das Gut besuchen. Degustationen sind jeden Samstag oder unter der Woche auf Anfrage möglich. Und schliesslich gibt es kaum was Besseres, als bei schönem Wetter einen knackigen Räuschling zu geniessen, die Reben im Rücken, den See vor Augen, vielleicht mit einer kleinen Zigarre.
Gut beraten
Aficionados können sich auf einer Reise rund um den Zürichsee auch unterwegs mit Zigarren versorgen. Nicht weniger als fünf wohlsortierte Tabakfachgeschäfte liegen auf ihrem Weg.
Tabaklädeli, Adliswil
Seit 18 Jahren führen Christian Fleisch und sein Team in Adliswil ein mit Zigarren, Pfeifen und Accessoires vollgepacktes Tabakfachgeschäft. Als Habanos Specialist bietet er hervorragend gelagerte kubanische Zigarren, aber auch Premium-Longfiller aus allen anderen wichtigen Herkunftsländern an. In den zahlreichen Humidoren des Lokals schlummern Marken wie Maya Selva, Davidoff, Villiger, Casa de Torres oder Rocky Patel. Im Untergeschoss warten auf den Aficionado zudem eine heimelige Lounge, ein begehbarer Humidor für die Kistenlagerung sowie eine schöne Auswahl an Whisky.
www.tabaklaedeli.ch
Tabakhüsli, Jona
Seit 20 Jahren führt die Familie Denzler das Tabakhüsli in Jona. Mit Marc Denzler (32) ist die zweite Generation am Ruder, wobei Vater Max immer noch im Laden anzutreffen ist und tatkräftig mithilft. Im Tabakhüsli hats alles, was der Genussraucher begehrt: ausgewählte Pfeifen, die dazu passenden Tabake sowie Premiumzigarren aus aller Welt. Wobei das Sortiment zu drei Vierteln aus Nichtkubanern besteht. Eine interessante Auswahl an (Schweizer) Spirituosen, E-Zigaretten, Humidoren und Accessoires runden das Angebot ab.
www.tabakhuesli.ch
La Corona, Rapperswil
2000 eröffneten Margrit Wandeler und Andreas Stachl an der Kluggasse, gleich unter der Rapperswiler Burg, das La Corona, ein schmuckes Lokal mit begehbarem Humidor, einer Bar und wenigen Sitzplätzen. Klug ist nicht nur die Gasse, sondern auch das Angebot des La Corona, das mit ausgewählten Spirituosen (Single Malt Whisky, Bourbon, Rum, Portwein) beeindruckt. Und wenn das Lokal voll ist, was oft vorkommt, über Mittag oder abends, kann der Aficionado auch draussen unter den Arkaden sitzen oder an der Bar stehen.
www.lacorona.ch
Tabatière, Küsnacht
Verena Vollenweider ist die Grande Dame des Schweizer Tabakfachhandels. Seit sage und schreibe 32 Jahren führt sie den schmucken Tabakladen (mit der legendären ewigen Flamme links vom Eingang) direkt am Bahnhof von Küsnacht. Stets charmant und mit viel Sachkenntnis berät Vollenweider ihre Stammkundschaft beim Kauf von Premiumzigarren oder Pfeifentabaken. Ebenfalls im Sortiment führt sie eine feine Auswahl an Spirituosen, Humidoren sowie all den anderen kleinen Dingen, die ein gut sortiertes Tabakgeschäft ausmachen.
www.tabatiere-kuesnacht.ch
Don Cigarro, Zollikon
«Königreich der Zigarren» lautet die Underline von Jürg Brunolds Tabakfachgeschäft Don Cigarro in Zollikon. Sein beeindruckend grosser Humidor ist bestückt mit einer umfassenden Auswahl an Premiumzigarren aus allen wichtigen Produktionsländern. Brunold, der das Geschäft seit 15 Jahren führt, ist ein beschlagener Fachmann, der nicht nur seine Zigarren, sondern auch die meisten Hersteller dahinter kennt und ihre Geschichten gerne weitererzählt. Durch das Sortiment des Ladens stöbert es sich auch ganz bequem im Onlineshop.
www.doncigarro.ch
Legendäre Fahrten
Eine exklusive Möglichkeit, den Zürichsee zigarrenrauchend zu befahren, bietet der Verein Smoke on the Water. Die kulinarischen Fahrten auf dem MS Davidoff sind legendär. Mitte März war Startschuss in die neue Saison. Details zu einer Mitgliedschaft finden sich im Internet.
www.smokeonthewater.ch
Die Adressen zur Geschichte
Wädi-Brau-Huus AG, Florhofstrasse 9, 8820 Wädenswil, www.waedenswiler.ch
Restaurant Adler, Hurdnerstrasse 143, 8640 Hurden, www.adler-hurden.ch
Zahner Fischhandel AG, Hof 15, 8737 Gommiswald, www.frisch-fisch.ch
Esseboats – Josef Schuchter, Seestrasse 5, 8712 Stäfa, www.schuchter.ch
Gasthaus Sonne, Seestrasse 37, 8712, Stäfa, www.sonnestaefa.ch
Weingut Schipf, Seestrasse 1, 8704 Herrliberg, www.schipf.ch