Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Sie beschreiben sich selbst als Ästhet aus der Welt der Uhren. Was fasziniert Sie an der Horlogerie?
Mirko Giotto: Es ist die Mechanik. Viele Menschen realisieren gar nicht, welch komplizierte Technik in solchen Chronographen steckt. Es gibt darin Teile, die bewegen sich nur alle vier Jahre ein Stück vorwärts. Stellen Sie sich vor, wie langsam ein Zahnrad drehen muss, damit das aufgeht. Für mich sind mechanische Uhren Kunstwerke wie Bilder, mit dem Vorteil, dass man sie am Handgelenk tragen kann.
2005 verliessen Sie die Welt der Uhren, um eine Zigarrenmarke zu gründen. Wie kamen Sie dazu?
Ich rauche Zigarren, seit ich 18 Jahre alt bin. Es ist eine grosse Passion für mich. Als ich noch in der Uhrenindustrie arbeitete, nahm ich einmal an einer Benefiz-Veranstaltung in Genf teil. Wir stellten eine Uhr zur Verfügung, sämtliche Gewinne kamen dem Projekt zugute. Nur der Zigarrensponsor behielt das Geld für sich. Ich fand das nicht richtig. Auf der Heimfahrt überlegte ich mir, dass ich es anders gemacht hätte – und dass es ein Traum wäre, eigene Zigarren zu haben. Ich ging schlafen und beschloss am nächsten Tag, den Traum wahr zu machen.
Wie gingen Sie vor?
Mein Vorteil war, dass wir in der Uhrenmanufaktur, in der ich damals arbeitete, bereits Zigarren herstellen liessen, in kleinem Rahmen für unsere Kunden. Nachdem ich gekündigt hatte, kontaktierte ich den Zigarrenfabrikanten in der Dominikanischen Republik und erklärte ihm, was ich mir vorstellte.
Hatten Sie damals auch die passende Verkaufsstrategie zum Traum parat?
Ehrlich gesagt, nicht wirklich. Ich habe einfach mal losgelegt, wie sich das für einen Traum gehört. Am Anfang funktionierte es auch sehr gut. Die Marke schaffte es in viele Lounges, bis ins Fünf-Sterne-Hotel Beau Rivage Palace in Lausanne. 2006 kam dann aber das Rauchverbot in Restaurants. Da fragte ich mich schon, wieso ich mich in dieses Abenteuer gestürzt hatte.
Hatten Sie jemals Zweifel am Entscheid?
Das nicht. Als die Zeiten schwierig waren, sagte ich mir einfach, dass ich mir das gönne. Dass ich dafür meine Zigarren rauchen kann, die meinem Geschmack entsprechen.
Sie überlebten diese Periode und feiern heuer mit El Sueño das 15-Jahre-Jubiläum. Eine Erfolgsgeschichte?
Ich bin sehr zufrieden damit, wo wir heute stehen. Wir sind jedes Jahr gewachsen, wenn auch relativ gemächlich. Den US-amerikanischen Markt zu erobern oder auf Teufel komm raus Marktanteile zu bolzen, das ist nicht unsere Strategie. Erstens habe ich noch ein anderes Unternehmen, und zweitens habe ich keine Lust, 350 Tage pro Jahr mit dem Auto unterwegs zu sein, um meine Zigarren zu verkaufen.
Sie sind bis heute der einzige Schweizer, der die Cigar Smoking World Championship in Split gewonnen hat. Wie wurden Sie auf den Wettkampf aufmerksam?
Durch eine Bekanntschaft. Ich nahm 2013 erstmals am Turnier teil, war allerdings nicht sehr gut. 2014 gings etwas besser. Und 2015 kriegte ich den Prix Fairplay, weil ich den späteren Gewinner Oleg Pedan mental unterstützte, nachdem ich ausgeschieden war. Er sass damals neben mir.
Erzählen Sie?
Je länger der Wettbewerb andauert, desto höher wird der Stressfaktor. Ich redete ihm gut zu und beruhigte ihn, wenn nötig. Zudem lief ich ein bisschen im Saal herum und sammelte Informationen über die anderen Teilnehmer. 2019 gewann er das Final übrigens erneut.
Sie triumphierten 2016. Was braucht es dazu konkret?
Ich habe natürlich etwas trainiert. Es gibt bestimmte Techniken, mit denen die Zigarre am Brennen gehalten oder ein Schiefbrand korrigiert werden kann. Auch darf man keine Angst davor haben, kräftig an der Zigarre zu ziehen, sonst riskiert man, dass die Zigarre nach innen brennt. Am Schluss ist das aber wieder wünschenswert, weil man so unter der Banderole durchrauchen und noch Zeit herausholen kann. Ein gutes Quäntchen Wettkampfglück ist auch von Vorteil.
In Russland oder den USA ist das Turnier mittlerweile hoch angesehen, die Gewinner sind entsprechend prominent. In der Schweiz scheint das nicht so.
Der Weltmeistertitel brachte mich schon weiter, er verhalf meinen Zigarren zu mehr Glaubwürdigkeit. Aber tatsächlich war ich etwas enttäuscht, vor allem wenn man sieht, welche Wirkung die Auszeichnung im Ausland hat. Es gibt mittlerweile Qualifikationsturniere in über 40 Ländern, der Gewinn des Finals ist eine grosse Sache, nur leider nicht in der Schweiz.
Letztes Jahr entwickelten Sie zusammen mit Ihrer Gattin Claudia eine Zigarrenlinie speziell für Frauen.
Wir denken, dass da noch ein grosses Potenzial schlummert.
Wie konzipiert man denn eine Zigarre für Genussraucherinnen?
Ich habe mich viel mit Claudia darüber unterhalten, was sie sich wünschen würde, bezüglich Format und Geschmack. Frauen haben eine andere Sicht auf Zigarren als Männer. Letztlich entschieden wir uns für das Format Short Panatela. Wir brauchten etwa ein Jahr, um die richtigen Tabake zu finden und die Zigarre zu entwickeln. Wir hatten eine ziemlich genaue Vorstellung, auch was die Verpackung angeht. Der Name der Linie, .G, zu Deutsch G-Punkt, war die Idee meiner Frau.
Was muss eine auf Frauen zugeschnittene Zigarre können?
Sie muss Geschmack haben, darf aber nicht bitter sein. Wir suchten einen Blend, der geschmacklich gut ausbalanciert, aber nicht zu stark ist. Die .G ist eine Zigarre, die einer Frau die Möglichkeit gibt, in die Welt der Zigarren einzusteigen. Ich kenne aber auch viele Frauen, die grosse Zigarren bevorzugen. Deshalb werden wir bald ein weiteres Format lancieren. Dieses wird sehr mild, sehr dünn und sehr elegant sein. Später soll dann noch ein etwas kräftigeres Toro-Format für geübte Raucherinnen folgen.
Die Zigarren von El Sueño sind allgemein nicht sehr kräftig.
Stimmt, wir produzieren keine sehr starken Zigarren, werden wir nie. Dafür sind unsere Longfiller aromareich und haben das Potenzial, sich zu entwickeln. Ich mache Zigarren, die mir persönlich schmecken. Ich hätte Mühe, ein Produkt zu verkaufen, das mir nicht entspricht. Das ist nicht meine Philosophie.
Neben Zigarren setzen Sie auch auf passende Accessoires.
Diesen Bereich wollen wir in Zukunft ausbauen. Letztes Jahr lancierten wir zum zweiten Mal einen auf 500 Flaschen limitierten Rum. Wir nennen ihn «Tränen der Zigarre», weil wir ihn eine Zeitlang mit unserem Tabak zusammen reifen liessen. Zudem hat meine Frau Einstecktücher und Foulards aus reiner Seide für die Marke kreiert.
In der Deutschschweiz sind Ihre Longfiller wenig bekannt. Wieso eigentlich?
Ich spreche kein Deutsch, das hat mich über die Jahre immer gebremst. Ich hoffe aber, dass sich das langsam ändern wird. Mit Stefano Aprile verfügen wir inzwischen über einen Marken-Botschafter, der uns auch auf der anderen Seite des Röstigrabens bekannter machen soll. Ich glaube, dass unsere Zigarren in der Deutschschweiz gut ankommen würden. Wenn sich also Fachhändler oder Wiederverkäufer für unsere Zigarren interessieren, liefern wir gerne.
Mirko Giotto (56) wuchs im Vallée de Joux, im Zentrum der Schweizer Uhrenindustrie, auf. Seine Karriere lancierte der geborene Entrepreneur in einer Bijouterie. Anschliessend bekleidete er unterschiedliche Führungspositionen in der Bijouterie- und Uhrenindustrie. 2005 kreierte Giotto die Zigarrenmarke El Sueño, 2006 gründete er eine Firma für Alarmanlagen. Heute führt er beide Unternehmen zusammen mit seiner Frau Claudia. 2016 gewann Giotto als bislang einziger Schweizer das Final der Cigar Smoking World Championship in Split. Die Marke El Sueño besteht aus den vier Linien Classic Line Claro, Classic Line Maduro, Grand Reserva sowie der für Raucherinnen konzipierten Linie .G.
el-sueno.net
Merci
Den passenden Rahmen für dieses Interview fanden wir in der gepflegten Zigarrenlounge des Hotels Royal Savoy in Lausanne.
royalsavoy.ch