Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Er war der heimliche Star der Galanacht des 19. Festival del Habano. Der als Tresor konzipierte Humidor von H. Upmann zog die Blicke der geladenen Gäste geradezu magisch auf sich. Das mit zahlreichen Details aus Holz und Metall geschaffene Kunstwerk erzählt die (historisch nicht einwandfrei belegte) Geschichte der deutschen Brüder Upmann, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Kuba eine Bank eröffnet haben sollen. Sicher ist hingegen, dass um den Humidor ein eifriger Bieterwettstreit entbrannte und ein Käufer dafür am Ende 200 000 Euro auf den Tisch legte. Ein stolzer, jedoch nicht der höchste Preis des Abends. Für den mit einem markanten Metallkopf verzierten Humidor von Cohiba wurden gar 380 000 Euro geboten.
Beide Zigarrenschränke entstanden in einem kaum 1,60 Meter hohen Raum, im Kopf eines Mannes, dessen imaginäre Welt grenzenlos scheint. Das kreative Atelier von José Ernesto Aguilera liegt in einem mit Neonlicht beleuchteten Keller am Stadtrand von Havanna. Aus dem kargen Betonboden ragt ein bereits etwas angerostetes Excalibur-Schwert, das Wandgestell ist gefüllt mit allerlei Krimskrams, unfertigen Skulpturen und berühmter Literatur: von «Moby Dick» über «Don Quijote» bis hin zu den Werken von Shakespeare. Sechs Monate lang, meistens in den Morgenstunden, brütete Aguilera in dieser Umgebung an Humidor-Entwürfen für die Auktion. Drei seiner Skizzen gab die kubanische Exportgesellschaft für Zigarren, die Habanos SA, heuer bei ihm in Auftrag.
Vor rund 20 Jahren baute der heute 44-Jährige seinen ersten Zigarrenschrank. «Ich wusste zwar nicht wie, aber ich beschloss, die besten Humidore des Landes zu bauen», so Aguilera. Von der Materie Holz hatte er wenig Ahnung, dafür kannte er sich mit Metallen aus. Die Kombination beider Materialien gehört heute zu seinen Markenzeichen. «Die ersten Jahre waren sehr schwer, aber ich war immer davon überzeugt, dass es mit harter Arbeit eine Zukunft gibt in diesem Land.»
Heute entstehen in seiner wohlsortierten Schreinerei auf der gegenüberliegenden Strassenseite des Garagenateliers zirka 2000 Humidore pro Jahr. Im Unternehmen Humidores Habana arbeiten rund 50 Personen, dazu gehören mittlerweile auch ein Industrie-Designer sowie ein Geschäftsführer, der im Ausland Ökonomie studiert hat. Neben zahlreichen Spezialanfertigungen produziert die Firma die prestigeträchtigen Replica-Antigua-Modelle. Die Humidore nach antikem Vorbild werden, gefüllt mit Spezialformaten, in stark limitierter Stückzahl weltweit in den Casas del Habano verkauft. Ebenfalls limitiert sind die Humidore, die Aguilera für den Schweizer Markt herstellt. Für die Zigarre Punch Supremos Edición Regional Suiza 2015 ersann er einen Humidor in Form einer Zigarrenpresse, der weltweit für Aufsehen sorgte. Dass der Zigarrenbehälter für die Juan Lopez Eminentes Edición Regional Suiza 2016 etwas klassischer daherkam, lag an der etwas weniger reichen Geschichte der Marke, aber auch daran, dass dies vom Schweizer Importeur explizit so gewünscht worden war.
«Die Beschaffung von Materialien ist ein konstantes Problem», so Aguilera. Holz kauft er zusammen, wann immer sich die Möglichkeit bietet. Am besten eignen sich Balken aus alten Dachstöcken, aber auch antike Möbel werden weiterverarbeitet. Der Vorteil: Altes Holz verzieht sich nach dem Export nicht mehr. «Zudem erhalten die Kunden ein echtes Stück Kuba.» Trotzdem träumt Aguilera ab und zu von Hölzern aus anderen Weltgegenden und den Möglichkeiten, die sie ihm eröffnen würden. Aguileras Produktionsmethoden sind so antik wie seine sorgfältig gewarteten Werkzeuge. Für Mosaike beispielsweise kleben seine Schreiner verschiedene Hölzer zusammen, sägen sie in die entsprechenden Formen, um diese dann einzeln in den Humidor einzuarbeiten.
Es fehlt an vielem in Kuba, aber ganz sicher nicht an Kreativität. Aus Aguilera sprudelt diese geradezu heraus. «Meine Humidore sind nicht einfach Möbel, sie enthalten immer eine Botschaft», erklärt Aguilera und zeigt dabei auf ein kunstvoll gefertigtes Schiff, ausgestattet mit metallenen Rudern, festgemacht an zwei Säulen. «Du kannst rudern, so viel du willst; zwar denkst du, das Schiff bewege sich, aber eigentlich kommst du nicht vom Fleck», meint er mit einem Schmunzeln.
Reich ist Aguilera übrigens nicht geworden. Er lebt einfach, besitzt einen grünen Lada und viel Respekt im Quartier. Auch, weil er vielen Jungen eine Perspektive ermöglicht. «Das ökonomische Bewusstsein fehlt uns Kubanern vielleicht, dafür denken wir in grossen Dimensionen.» Für den Humidor der neuen Sancho Panza Valientes Edición Regional Suiza 2017 hat er sich wieder etwas Spezielles einfallen lassen. «Mir schwebt etwas in Form von drei Büchern vor, als Hommage an die Geschichte des Don Quijote.» Ob die begehrten Sammlerstücke tatsächlich produziert werden, entscheidet aber die Habanos SA. In trockenen Tüchern ist das Projekt deshalb noch nicht. Dafür sind mittlerweile die 100 Humidore für die Juan Lopez Eminentes Edición Regional Suiza 2016 beim Schweizer Importeur Intertabak angekommen, nicht aber die dazugehörenden Zigarren. Ein fixes Verkaufsdatum steht deshalb noch nicht fest.