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Cigar 1/2018

«Ein Hobby, das aus dem Ruder lief»

Text: Anemi Wick Fotos: Anemi Wick / z. V. g.
Alles wächst in Saigon: die Stadt, der Wohlstand – und damit auch die Zigarrenkultur. Im Cigar Club des findigen Unternehmers Timen Swijtink sieht man genau das.
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Hinter den Wolkenkratzern von Saigon verschwindet die Sonne. Unten erwacht das Lichtermeer, der hektische Verkehr der Acht-Millionen-Stadt beginnt zur Rushhour zu stocken und schiebt sich nur noch langsam über die Kreuzungen – wie zwei Tatzelwürmer, die sich aneinander reiben. Die VietBank blinkt in allen Farben, auf riesigen Reklametafeln leuchten Coca-Cola, Saigon Special Beer und Kentucky Fried Chicken. Nordwestlich sticht vom nahen Flughafen Tan Son Nhat ein Flugzeug in den Himmel.

Der Metropole im Süden Vietnams kann man von hier oben, vom 24. Stock des AB Towers im Stadtzentrum, buchstäblich zusehen beim Wachsen und sich Bewegen, in alle Richtungen gleichzeitig. Manchmal wird hier gefeiert, was daraus hervorgegangen ist, aus diesem rasend schnellen Wachstum. Hier, im The Saigon Cigar Club hoch über der Stadt.

Geschäftsleute kommen hierher, um ihre Erfolge und besiegelten Geschäfte zu zelebrieren, mit einer Zigarre und einer Flasche Champagner oder einem guten Whisky, sagt Timen Swijtink. Der 31-jährige Holländer, einer der Gründer des Saigon Cigar Clubs, trägt gerne Jeans und T-Shirt. «Ich schmeiss mich selten in Schale. Wir haben hier im Club keinen Dresscode. Die Leute können mit Flipflops kommen, wenn sie wollen. Wir schreiben unseren Gästen nicht vor, was sie zu tragen, zu trinken, zu rauchen oder zu tun haben. Das ist der ultimative Luxus der Freiheit.»

Swijtink studierte internationales Recht und Politik. Nach Vietnam kam er zum ersten Mal im Jahr 2005, als Rucksack-Reisender. Er kehrte in das südostasiatische Land für einen Job als Tour Scout für einen Reiseveranstalter zurück. Nebenbei stellte er die Ausgeh-Plattform Outinsaigon.com auf die Beine, die er inzwischen verkauft hat. Er war Eventveranstalter und Spirit Portfolio Manager für Namen wie Campari, Remi Cointreau und Louis XIII, bevor er seine eigene Marketingfirma Inbius gründete.

«Für Leute, die Ideen und eine Leidenschaft haben, Neues schaffen und hart arbeiten wollen, ist Vietnam das Land der 1000 Möglichkeiten», sagt Swijtink. Und: «In Hong Kong, Singapur oder Thailand gibt es schon viele Zigarrenclubs, der Markt ist bereits da. Hier war das noch neu.» Gegründet hat er den The Saigon Cigar Club Ende 2014, zusammen mit seinem Geschäftspartner, einem Auslandvietnamesen aus Norwegen. Er nennt den Club ein «Hobby, das aus dem Ruder lief»; damals seien in Saigon noch keine solchen Orte zu finden gewesen, an denen man sich zum Zigarrerauchen treffen und Zigarren auch kaufen konnte. Mittlerweile führt Swijtink unter dem Namen Tu Casa ein Business-to-Business-Geschäft, das in Vietnam zahlreiche Restaurants und Lounges mit Zigarren versorgt.

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«Seit der Gründung des Clubs ist die Zigarrenkultur in Vietnam in einem unglaublichen Tempo gewachsen», sagt Swijtink, «schneller als in jedem anderen Land, das ich kenne.» Wie kommt das? «Die Zigarre ist ein Luxusprodukt, das Erfolg im Leben symbolisiert. Die zunehmende Popularität geht auch einher mit dem wirtschaftlichen Wachstum des Landes. Noch vor 20 Jahren ging kaum ein Vietnamese ins Ausland in die Ferien. Nun fliegt er nach Europa, Japan, in die USA und kehrt mit frischen Eindrücken und einer Neugierde auf unbekannte Dinge, die Spass machen, zurück.»

Auch Touristen kommen, Zigarrenenthusiasten, die im Internet auf den Club gestossen sind. «Und immer mehr Frauen», sagt Swijtink. Sie mischen die Männerdomäne auf – und brechen, die Zigarre in der kunstvoll manikürten Hand, mit dem konservativen Stereotyp der vietnamesischen Frau von gestern. Im Big Business Vietnams halten sie schon längst mit, die Frauen, die auf klassischen Gemälden und in den Köpfen vieler noch als elfenhaft zarte Wesen im langen Seidengewand verträumt zwischen Blumen sitzen. Die Städterin von heute ist very busy, rast mit Laptop und zwei dauernd piepsenden Smartphones von Termin zu Termin. Sie gehört zum Charakter Saigons, der Stadt, die vor Aufbruch und Unternehmergeist beinahe zu platzen scheint.

«Wie viel Zeit haben Sie?», ist denn auch oft die erste Frage, die den Besuchern des The Saigon Cigar Club gestellt wird, wenn diese bei der Wahl der Zigarre Beratung möchten. Sie kommen auch der Ruhe und Privatsphäre wegen hierher, und dazwischen auch für Veranstaltungen wie Roll-your-own-Events mit kubanischen Rollern, Longest Ash Contests oder, wie gerade wieder im März, der Vietnam-Vorausscheidung für die Cigar Smoking World Championship in Kroatien.

Im The Saigon Cigar Club liegt der Fokus vor allem noch auf den gängigen, bekannten kubanischen Zigarren. «Das Ziel ist aber, das Sortiment sehr bald zu erweitern, mit Marken, die hier noch kaum einer kennt», sagt Swijtink. Derweil wächst auch draussen Saigons Skyline weiter – immer höher, immer schneller.

The Saigon Cigar Club @ Sorae Restaurant AB Tower
76A Le Lai, Distrikt 1 Ho-Chi-Minh-Stadt
Der Cigar Club ist von 17 bis 1 Uhr geöffnet.
www.saigoncigarclub.com