Ein karibisches Meisterstück | Cigar Newsletter abonnieren
Cigar 1/2018

Ein karibisches Meisterstück

Text und Fotos: Tobias Hüberli
In Kuba fehlt es an vielem. Am 20. Festival del Habano setzt der Inselstaat indes auf seine Stärken. Auch davon haben die Kubaner einige.
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Bei einem 20-Jahre-Jubiläum tendiert man fast automatisch dazu, zurückzuschauen, zu den Anfängen, zur Initialzündung sozusagen. Das erste Festival del Habano fand 1999 statt. Wahrscheinlich war es nicht das einfachste Jahr für die Kubaner. «Nach einer Phase der Entspannung und Öffnung igelt sich die Zuckerinsel ein und geht auf Konfrontationskurs zum Erzfeind USA», schrieb Der Spiegel damals, und weiter: «Auch der Tourismussektor, Hauptdevisenbringer des Mangelstaats, spürt jetzt den eisernen Besen der Regierung.» In dieser Atmosphäre gründete die Habanos SA ein Festival, das sich zu einem der wichtigsten jährlichen Happenings in der Zigarrenwelt und darüber hinaus zu einem touristischen Meisterstück entwickeln sollte.

Es gibt erstaunlich viele Schweizer Zigarrenhändler, die an der ersten Ausgabe dabei waren. Zum Beispiel Urs Portmann, der später, 2014 wars, im Rahmen des Festivals zum Hombre del Habano gekürt wurde, oder Urs Tanner, damals Direktor von Intertabak, dem Schweizer Importeur kubanischer Zigarren. Bisher kein einziges Festival ausgelassen hat der Genfer Zigarrenhändler Rolf Spring. «Es stimmt mich schon ein bisschen nostalgisch, wenn ich an die Anfänge zurückdenke», gestand er, während wir am Festival-Mittwoch abends im Grand Teatro De La Habana an einem Mojito nippten.

Etwa 400 Gäste waren 1999 dabei. «Bei den meisten handelte es sich um Zigarrenhändler», erinnert sich Spring. «Die schweizerisch-deutsche Delegation bestand aus rund 40 Leuten, und man kannte eigentlich alle.» Natürlich schaute auch der Comandante Fidel Castro himself vorbei (2002 erschien er zum letzten Mal) und schwang eine für seine Verhältnisse extrem kurze (also etwa 20-minütige) Rede. Ebenfalls bereits Teil des ersten Festivals waren die Humidor-Versteigerungen, deren Erlöse seither jedes Jahr in das kubanische Gesundheitssystem fliessen.

«Das Publikum am Festival hat sich verändert, es hat weniger Händler, dafür mehr Private, mehr Sammler», fasst Spring zusammen. Tatsächlich ist die Anzahl der schweizerisch-deutschen Fachhändler über die Jahre ständig geschrumpft, auf etwa 15 Personen dieses Jahr. Das Festival hingegen ist jedes Jahr gewachsen, für die fehlenden Europäer sind die Asiaten, allen voran die Chinesen, in die Bresche gesprungen. Sicher ist: Wer darauf brennt, als Erster zumindest einen Teil der kubanischen Neuheiten in den Händen zu halten, muss am Festival teilnehmen.

Und spektakuläre Neuheiten gabs in der Vergangenheit immer wieder. 1999 wurde am Festival zum Beispiel die Marke Trinidad lanciert. 2004 präsentierten die Kubaner die Montecristo Edmundo und 2009 die erste Cohiba Gran Reserva. In ziemlich guter Erinnerung behält Laurent Fuchs, Präsident des französischen Humidorbauers Elie Bleu, das Festival von 2006. Auf Anfrage von Habanos SA fertigte die in den Aussenbezirken von Paris situierte Humidormanufaktur 100 Zigarrenbehältnisse, ausgerüstet mit jeweils 40 Zigarren für die Lancierung der Cohiba Behike. Kostete einer dieser Humidore damals 15 000 Euro, werden sie heute für zwischen 120 000 und 150 000 Euro gehandelt. Zehn Jahre später fertigte Elie Bleu zum 50-Jahre-Jubiläum von Cohiba 50 exklusive Humidore, gefüllt mit jeweils 50 nummerierten Cohibas im Grandiosos-Format. «Als Firma haben wir vom legendären Ruf der kubanischen Zigarrenindustrie und vom Festival profitiert, das steht ausser Frage», so Fuchs.

Eines muss sich der regelmässige Festivalbesucher dann doch ehrlich und ohne Umschweife eingestehen: Das Rahmenprogramm ist jedes Jahr ähnlich (vielleicht ein Grund für die schrumpfende schweizerisch-deutsche Delegation?). Abends werden jeweils die neuen Zigarren präsentiert. Dieses Jahr gabs zum Beispiel an der Welcome Night zwei Cohiba Robustos Reserva Cosecha 2014. Ein ziemlich langer Name für eine Zigarre, von der weltweit nur 5000 Boxen à 20 Stück in den Handel gelangen. Manuel Fröhlich, Zürcher Zigarrenhändler, schätzt, dass er etwa drei Kisten zugeteilt bekommt.

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Solange die kubanische Sonne scheint, besichtigt der Festivalbesucher Fabriken, einen ausgewählten und glasklar instruierten Tabakbauern, eine Escogida (dort werden die Tabakblätter nach Blattstufe und Qualität sortiert) sowie eine sogenannte Despalilla, eine Anlage, in der die Mittelrippen entfernt und die Tabake fermentiert werden. Zentrales Thema unter den besorgten Aficionados ist bei diesen Ausflügen immer der aktuelle Stand der Ernte. Nun, nach ziemlich mageren Jahren war 2017 ein Wendepunkt: Die Ernte fiel erfreulich gut aus, und auch 2018 war die Natur der Insel bislang wohlgesinnt. Zum Vergleich: In der besuchten Despalilla (es gibt nur eine in der Region San Juan y Martínez) wurden letztes Jahr 230 Tonnen Tabak verarbeitet, 2016 waren es 160 Tonnen, und heuer rechnet der Betriebsleiter mit 275 Tonnen.

Und dann ist da natürlich die Messe im 1979 erbauten Palacio de Convenciones de La Habana, eine 15-Euro-Taxifahrt vom Zentrum Havannas entfernt. Sie (also die Messe) ist in einem gemütlichen Tempo innert 20 Minuten durchschritten. Gezeigt werden allerhand Humidore, kunstvolle Malereien, Weine, Spirituosen, Parfüms, Bekleidung sowie natürlich die für 2018 geplanten Zigarrenneuheiten der kubanischen Marken. Zum Beispiel die drei Ediciones Limitadas 2018, von denen, zu unserem tiefen Bedauern, erneut keine Muster verteilt wurden. Es handelt sich dabei um eine H. Upmann im Mareva-Gruesa-Format (Länge 120 Millimeter, Durchmesser 18,2 Millimeter), eine Bolivar im Duke-Format (Länge 140 Millimeter, Durchmesser 21,4 Millimeter) sowie eine Romeo y Julieta Taco Imperiales (Länge 168 Millimeter, Durchmesser 19,4 Millimeter).

In den Sälen des Palacio (sie erinnern mit ihren leicht antiquierten Simultanübersetzungsapparaten an Beratungsorte der UNO, nur besser – man darf rauchen) finden Vorträge und Präsentationen statt. Sehr aufschlussreich waren etwa die Ausführungen des 2012 pensionierten kubanischen Genetikers Eumelio Espino Marrero. Nachdem der Tabakblauschimmel 1980 über 95 Prozent (von 60 000 Hektar) der kubanischen Ernte zerstört hatte, entwickelte Espino Marrero innert 14 Jahren neue resistente Tabaksorten und rettete damit die kubanische Zigarrenindustrie. Dafür kreuzte er kubanische Sorten mit Saatgut aus Frankreich, Bulgarien, Ostdeutschland, Polen und den USA. So entstanden die zwei neuen Sorten Habana 2000 (Deckblatt) und Habana 92 (Filler). Alle heutigen kubanischen Züchtungen basieren auf diesem Saatgut.

Noch ein paar Worte zur Gala, dem Schlusspunkt des Festivals. Den geschätzten 1000 Teilnehmern wurden zwei neue Formate der Partagás-Maduro-Linie präsentiert. Auf der Bühne sorgten unter anderem die Orishas für Entzücken und der Auktionator Gary Heathcott (erneut) für einige Kopfschüttler. Der Amerikaner schafft es noch nicht, den legendären Simon Chase zu ersetzen. Und das, obwohl für die sieben Humidore insgesamt 1,48 Millionen Euro gelöst wurden, immerhin 260 000 Euro mehr als 2017.

Traditionell organisiert die Intertabak AG während des Festivals für die Schweizer Delegation ein Tasting der neuen Edición Regional Suiza. Das Proberauchen einer so jungen Zigarre gleicht allerdings immer etwas einem Kaffeesatzlesen. Wenig erstaunlich zeigte auch die frisch gerollte La Gloria Cubana Orgullosos einen Ammoniak-Ton, typisch für eine nicht ausreichend gelagerte Zigarre. Unter dem Misston war aber bereits ein interessantes Aromaspektrum zu erkennen: Nuss, Kaffee, etwas Pfeffer und eine leichte Süsse. Vielleicht hilft an dieser Stelle ein Vergleich: Die vor einem Jahr in Kuba getestete Sancho Panza schnitt bedeutend schlechter ab, entwickelte sich aber bis zur Ankunft in der Schweiz im letzten Oktober zu einer ausgezeichneten Zigarre (siehe Tasting Seite 93). Man darf also guter Hoffnung sein. Auch weil die La Gloria Cubana hervorragend verarbeitet war und ein optimales Zugverhalten an den Tag legte.