Ein Kenner und Könner der Welten | Cigar Newsletter abonnieren
Cigar 3/2015

Ein Kenner und Könner der Welten

Text: Wiglaf Droste Illustrationen: aus «Wie im Bilderbuch», Nikolaus Heidelbach, © 2006 by Kein & Aber AG Zürich
Der deutsche Illustrator Nikolaus Heidelbach wird heuer 60 Jahre alt. Eine Eloge auf den Mann, der das Unvorstellbare vorstellbar macht.
11_heidelbach.jpg

Als ich die ersten Zigarrenbilder von Nikolaus Heidelbach sah, auf den Titelbildern der Bücher von Kinky Friedman, begann ich, mich für Zigarren zu entflammen. Es war luxuriöse Inspiration, lässig und cool, und es hatte nichts von dem Image des gemeinen Kapitalisten, das der Zigarre von Allesfalschverstehern beliebig angehängt wird. Es war Genuss und gut, und den bekennenden Zigarristen Kinky Friedman zu treffen, bei seinem ersten Auftritt in Deutschland, in der säkularisierten Passionskirche in Berlin, war reiner kubanischer Tabak.

Über den Maler Nikolaus Heidelbach erfuhr ich bald mehr; einen Menschen, der sich – und das, wohlgemerkt, auf eigene Kosten – drei Monate Zeit nimmt, um das nicht unbeträchtliche Werk «À la recherche du temps perdu» (Deutsch: «Auf der Suche nach der verlorenen Zeit») von Marcel Proust zu eruieren, muss man erst einmal kennen lernen. Mir war und ist dieses Glück vergönnt.

Der gelernte Literaturwissenschaftler Heidelbach lebt und ackert schier unermüdlich als autodidaktischer Maler in Köln, beständig, stark und zuverlässig superb; an dem, was dieser Mann Tag um Tag wegpinselt, werden sich die Museen einer besseren Welt sättigen. Aber das hat, Gott seis getrommelt, noch Zeit. Denn der Mann wird ja erst 60 Anfang Dezember im Jahre 2015 des Herrn.

Als ich die im Verlag Beltz und Gelberg erschienene Ausgabe der Grimmschen Erzählungen las, die Heidelbach ausgewählt und mit zirka 130 Bildern verwunderschönt hatte, war ich hin- und weggerissen; hier gehen Sprache und Malerei Hand in Hand miteinander spazieren. Es folgten weitere Heidelbach-Prachtbände, beispielsweise Hans Christian Andersens Zaubereigeschichten; das Wort «Märchen» ist selber ein Märchen, denn im Märchen ist alles so wahr, wie es in der «Wirklichkeit» genannten Weltquasselei nicht wahr sein darf.

Heidelbach aber ist nicht allein ein genialer Illustrator; er schreibt seine eigenen Geschichten, und über Seehunde, Krabben, Kinder und alle anderen beseesternten Austerixe dieser Welt weiss er alles. Wie schön er die Träume von Mädchen und Jungs malen kann, und seien sie auch mitunter alper Natur! Er hat aber die Kenntnis davon, die Tiefenschärfe, den Humus, den Humor, und deshalb darf er das; ohne Schyschologie gäbe es keinen Verstand.

12_heidelbach.jpg
76_heidelbach.jpg
92_heidelbach.jpg

Äusserlich wirkt Nikolaus Heidelbach wie ein Biberschopf von James Fenimore Cooper: Der Mann hat Matte. Dennoch handelt er kühn und uneitel; er arbeitet eben. Wie das Leben so geht, wenn man es richtig versteht. Heidelbach ist, neben F.K. Waechter, Bernd Pfarr, Ernst Kahl, Hans Traxler, Rudi Hurzlmeier und F.W. Bernstein, der grösste Maler der Literatur.

Mehrfach durfte ich mit ihm, im grundguten Verbund mit dem Stuttgarter Meisterkoch Vincent Klink, zu Gunsten des in Köln aufsässigen Dumont-Verlags, Bücher machen, wobei ich, als Jüngster unserer kleinen Truppe, stetig der Ablieferungsnachzügler war. Was aber Nikolaus Heidelbach in den Bänden «Wurst», «Weihnachten», «Wein», «Wild», «Gemüse» und «Liebe» malte, hat die Kraft, das Unvorstellbare vorstellbar zu machen. Wie dieser Mann «Würstchenträgerinnen in der Serengeti» darstellen kann! Man glaubt es nicht, und das ist ja das Schöne, denn Glauben macht blöde – und richtich Hinkucken macht, so es genau geht, möglicherweise schlau.

Wenn Heidelbachs Bücher «am Markt», wie die Bubis und Mädels vom Marketingeltangel sagen, «gut gehen», freut mich das immer, denn ein guter, ehrlicher Mann soll von guter, ehrlicher Art gut leben. Was aber beim Tiefsehtauchen zählt, ist, dass man tief taucht. Und das kann Nikolaus Heidelbach wie kaum ein zweiter Sehhund.