Eine lange Reise | Cigar Newsletter abonnieren
Cigar 3/2014

Eine lange Reise

Interview: Tobias Hüberli Fotos: Tina Sturzenegger
Zehn Jahre seines Lebens hat Jan Vistisen damit verbracht, den richtigen Tabak für seine Zigarre zu finden. Um es kurz zu machen: Der Gründer von Royal Danish Cigars ist ziemlich verrückt, aber auch ziemlich nett — und seine Zigarren sind ziemlich gut.
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Wie wird man Millionär im Zigarrengeschäft?
Jan Vistisen: Das ist sehr einfach. Sie müssen vorher ein Milliardär sein. Und wenn Sie an den Punkt kommen, an dem weniger als eine Million übrigbleibt, dann wird das Ganze zu einem Hobby (lacht). Im Ernst, es ist schwierig, mit Zigarren erfolgreich zu sein. In Dänemark vielleicht noch etwas schwieriger als anderswo. Mit der Scandinavian Tobacco Group habe ich ein Monsterunternehmen quasi vor der Haustür.

Ist es so schlimm?
Das Unternehmen ist einfach sehr gross und hat den Markt für Premium-Zigarren in Dänemark lange Zeit kontrolliert. Ich breche das seit einem Jahr etwas auf, wobei ich als kleiner Fisch niemanden wirklich störe. Bei meinem Bigsmoke- Event in Kopenhagen konnte ich Scandinavian Tobacco als Sponsor gewinnen.

Sie betonen, dass Ihre Zigarren dänisch sind. Inwiefern sind sie das?
Dänemark hat eine lange Tradition, was Tabak anbelangt. 1813 gab der dänische König erstmals die Erlaubnis, in Dänemark Zigarren zu rollen. Nach dem 2. Weltkrieg konzentrierte sich die Industrie dann leider auf maschinell hergestellte Zigarren. Es gibt aber noch einige dänische Zigarrenblender und Zigarrenroller. Sie sind längst pensioniert. Aber sie haben mir geholfen, einen Blend zu kreieren, der den Zigarren ähnlich ist, die vor hundert Jahren in Dänemark geraucht wurden.

Wie kommt ein gelernter Radiomechaniker, der in Spanien mit Immobilien handelt und in Estland eine Internetfirma betreibt, dazu, alles stehen und liegen zu lassen und eine Zigarrenmarke zu kreieren?
Schuld ist wohl mein Arzt. In den Neunzigerjahren beschäftigte ich in Estland rund 200 Mitarbeiter. Wir produzierten Webseiten für Firmen in ganz Skandinavien. 2004 bekam ich dann Probleme mit dem Blutdruck, worauf mir mein Arzt anriet, kürzerzutreten und etwas zu tun, was mir Spass macht. Und da gab es für mich nur eins: Zigarren.

Mit anderen Worten, Sie haben das letzte Jahrzehnt damit verbracht, die Royal Danish Cigar zu kreieren?
Genau, es ist eine wirklich sehr lange Reise geworden. Zuerst ging ich in die Dominikanische Republik, dann nach Kuba. Ich lernte so viel über den Anbau von Tabak wie möglich. Und ich habe in den letzten zehn Jahren mindestens achtzig Zigarrenfabriken besucht und untersucht. Natürlich bin ich ein paar mal auf die Schnauze gefallen, habe Geld verloren oder habe am falschen Ort Tabak anpflanzen lassen. Entscheidend für den Erfolg des Projekts war, dass ich fliessend Spanisch spreche. So konnte ich etwa direkt mit den Bauern reden und habe mit den Jahren die richtigen Leute kennengelernt, unter anderem auch meine Frau, sie ist eine Zigarrenrollerin aus Panama.

Wo entstehen Ihre Zigarren?
Ich baue in Panama kubanischen Pelot- De-Oro-Tabak an. Dieser wird in Costa Rica weiterverarbeitet. Für den Blend verwende ich zudem Tabak aus Ecuador, Peru, Nicaragua und Jamaika. Sämtliche Tabake kaufe ich persönlich ein. Um Ihre Frage zu beantworten: Meine Zigarren werden in Costa Rica von Kubanern gerollt. Für eine Linie arbeite ich zudem mit einem Tabakbauern in Estelí, Nicaragua, zusammen.

Zehn Jahre Entwicklungszeit. Nach was genau haben Sie so lange gesucht?
Ich bin ein Liebhaber kubanischer Zigarren. Ich glaube, dass wenn jemand den kubanischen Tabak nicht versteht, er keine Ahnung von Zigarren hat. Ich sage nicht, dass die Kubaner zurzeit die besten Zigarren der Welt machen, ganz im Gegenteil. Aber der kubanische Tabak ist der beste, den es gibt. Ich habe einfach nach Tabaken gesucht, die im Aroma mit kubanischen vergleichbar sind. Die Benchmark für meine Zigarren war und ist immer Kuba.

Wie viele Zigarren produzieren Sie derzeit?
Pro Monat machen wir 10000 Zigarren. Mein Ziel ist, irgendwann eine Monatsproduktion von 25 000 Zigarren zu erreichen. Mehr will ich nicht produzieren, dann erhöhe ich lieber den Stückpreis. Von den Goldzigarren wären wir schon sehr glücklich, wenn wir weltweit 500 pro Monat verkaufen könnten.

 

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Sie haben zurzeit drei Zigarrenlinien. Aufsehen erregt vor allem Ihre mit Blattgold und Swarovski-Steinen verzierte Zigarre Queen No 1. Braucht die Welt so etwas?

Eine gute Frage. Braucht es Louis-Vuitton- Taschen oder Schweizer Luxusuhren? Zum Überleben sicher nicht. Aber es wird immer Menschen geben, die etwas haben wollen, was andere nicht haben, und die bereit sind, dafür einen gewissen Preis zu zahlen. Der Luxusgütermarkt funktioniert so. Und ich glaube, dass es für diese Zigarre einen Nischenmarkt gibt. Die Queen- Zigarre kostet normal 20 Dollar. Mit Gold und Steinen verziert steigt der Preis auf 100 Dollar.

Und wie rechtfertigt sich der Preis?
Jede Zigarre ist ein Unikat. Das Gold und die Swarovski-Steine bringe ich persönlich an. Ich habe jahrelang an der Technik getüftelt. Gold leitet sehr stark. Man muss darum achtgeben, dass die Wärme entweichen kann, sonst wird die Zigarre bitter. Wenn ich den Preis für das Material sowie meine Stunden einrechne, verdiene ich sehr wenig daran. Aber es geht auch gar nicht um den Preis.

Sondern?
Um einen Traum. Ich betrachte mich selbst als Künstler. Die goldene Zigarre ist wie ein Gemälde. In der Kunst kann man immer diskutieren, ob das Objekt den Preis wert ist oder nicht. Es geht weniger um den Wert des Materials, sondern um das, was die Zigarre repräsentiert, was sie aussagt. Die unverzierte Queen-Zigarre ist eine 20-Dollar- Zigarre aus Costa Rica, die goldene Version hingegen schmeckt zwar gleich, aber sie ist eine 100-Dollar-Zigarre aus Dänemark, sie nimmt Bezug auf das Königshaus, auf die dänische Tabaktradition, aber auch auf das dänische Verständnis von Kultur und Design.

Und nebenbei ist sie ein super Marketingmittel.
Ich gebe zu, das ist natürlich ein schöner Nebeneffekt. Nur Zigarrenfanatiker können auf den ersten Blick erkennen, ob eine Zigarre 5 Dollar wert ist oder deren 50. Mit dem richtigen Marketing werden aber sehr bald sehr viele Leute auf den ersten Blick sagen können, dass die mit Gold verzierte Queen No 1 100 Dollar kostet.

Was hat es mit der Domain misscigar.com auf sich?
Ich habe aus meiner Internetzeit noch etwa 100 Domains, es ist eine riesige Online-Plattform, die sich jetzt langsam aufwärmt und mit Inhalten gefüllt wird. Unter misscigar.com will ich in den USA Zigarrenevents exklusiv für Frauen durchführen. Mit exklusiven, sonst nirgends erhältlichen Zigarren. Das ist die Idee. Es soll aber auch ein Wettbewerb sein, Richter werden Punkte verteilen, für Schuhe, Haare, das Make-up, die Taschen. Und ich will ein dänisches Modelabel dafür an Bord holen. Der erste dieser Events ist für Dezember in New York geplant.

Sie sind derzeit ständig unterwegs. Wie gehts dem Blutdruck?
Wunderbar. Ich habe mir gerade den perfekten Job geschaffen, um alt zu werden. Ich rauche fünf bis sechs Zigarren pro Tag, reise um die ganze Welt und spreche zu netten Menschen. Es ist einfach ein Fakt, dass man in einer Raucherlounge immer hilfsbereite, nette Menschen trifft. Vielleicht will man nicht immer wissen, mit was sie ihr Geld verdienen, aber während sie rauchen, sind sie nett. Es ist klar, ich habe einen 24-Stunden-Job, aber es ist einer, den ich mir selbst ausgesucht habe.

Jan Vistisen (48) begann als Zwanzigjähriger, kubanische Zigarren zu rauchen. Das war in Spanien, wo der gelernte Radiomechaniker im Auftrag einer dänischen Bank im Immobiliensektor arbeitete. Nachdem Spanien in eine Immobilienkrise geschlittert war, kehrte Vistisen zurück nach Dänemark und baute ab den Neunzigerjahren eine Internetfirma auf. Um die Jahrtausendwende beschäftigte er in Estland 200 Programmierer und produzierte Webseiten für eine internationale Kundschaft. 2004 verkaufte er das Geschäft und trat auf Anraten seines Arztes etwas kürzer. Vistisen beschloss, seine eigenen Zigarren zu produzieren. Nach neun Jahren Entwicklungszeit lancierte er letztes Jahr die Royal Danish Cigars. Die Marke besteht aus drei Linien, dem Single Blend, dem Havana Blend sowie dem Regal Blend. Produziert werden sie in Nicaragua sowie in Costa Rica, wobei Vistisen fast alles selbst macht. Er ist General Manager und Masterblender, Verkaufschef, Tabakeinkäufer und Verpacker. Nur Anbauen und Rollen tut er seine Zigarren nicht selbst. Aushängeschild der Royal Danish Cigars ist die Regal-Blend-Linie mit den Zigarren Royal Twister, Dark Crown und Queens No 1. Der Regal Blend soll jener Zigarrenmischung am nächsten kommen, die vor hundert Jahren in Dänemark geraucht wurde. Die Monatsproduktion von Royal Danish Cigars ist sehr klein. Vorläufig ist die Zigarre nur in Schweden, Dänemark, den USA, Deutschland sowie seit kurzem auch in der Schweiz erhältlich. Dafür hat Jan Vistisen im August einen 3-Jahres-Exklusivitäts-Vertrag mit der Oettinger Davidoff Gruppe abgeschlossen. Seither sind in der Schweiz bereits tausende seiner Zigarren verkauft worden, darunter auch 250 mit Blattgold und Swarovski-Steinen verzierte Unikate zu 100 Dollar das Stück.
www.danishcigars.com