Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Ihre neue Zigarrenlinie La Bucanera haben Sie nicht selbst geblendet, sondern in der nicaraguanischen Fabrik Mombacho zusammen mit Claudio Sgroi gemacht. Sind Sie zufrieden mit dem Resultat?
Henderson Ventura: Die Zigarre ist so geworden, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir suchten ganz spezifisch nach einem nicaraguanischen Geschmacksprofil. Gleichzeitig ist der Blend harmonisch und ausgewogen. Im Stil entspricht La Bucanera dem, was wir auch in der Tabacalera William Ventura in der Dominikanischen Republik verfolgen, gleichzeitig trägt sie aber klar die Handschrift von Claudio Sgroi.
Worin erkennt man Ihre Handschrift?
Claudio Sgroi: Vielleicht im Weg, wie wir die Zigarre geblendet haben. Es gibt viele Möglichkeiten, eine Zigarre zu entwickeln. Man kann mit dem Deckblatt anfangen oder mit den Einlagetabaken oder man kann ganz einfach mit dem Tabak herumexperimentieren, den man herumliegen hat. In diesem Fall war das ganz anders.
Erzählen Sie.
Sgroi: Henderson Ventura und Marcel Knobel kamen bereits mit der konkreten Idee einer Zigarre zu mir. Sie wollten eine komplexe, gut ausbalancierte Zigarre mit spezifischen Aromen. Die Aufgabe war herausfordernd.
Wie gingen Sie vor?
Sgroi: Zuerst musste ich die Idee verstehen, was genau die beiden mit der Zigarre eigentlich wollten. Ab da wurde es bereits sehr komplex. Beim Blenden muss man wissen, wie die einzelnen Tabake den Gaumen stimulieren, dazu kommen die Aromen, die Tiefe und die Stärke der Geschmäcker sowie zum Schluss die Stärke der Zigarre. Da wir ausser dem ecuadorianischen Deckblatt nur mit nicaraguanischen Tabaken arbeiteten, war es ein bisschen kompliziert, damit die einzelnen Blätter auch gut zur Geltung kommen. Letztlich funktioniert der Blend aber auch dank des Deckblatts sehr gut.
Was war Ihre Rolle?
Ventura: Mir war wichtig, dass einerseits das Terroir von Nicaragua, also die Geschmackstiefe klar in La Bucanera zum Ausdruck kommt, aber mit dem Adventura-Touch, nicht ganz so schwer wie die nicaraguanischen Puros und mit unserem Hauch von Komplexität.
Wie kam es eigentlich zu dieser Zusammenarbeit?
Ventura: Zuerst war da die gute Beziehung zwischen mir, Claudio Sgroi und Marcel Knobel. Marcel hatte schon lange die Idee, etwas in Nicaragua zu machen. Es war klar, dass wir das mit Mombacho machen werden, weil Claudios Manufaktur genauso wie Adventura Boutiquezigarren produziert und das gleiche Konzept verfolgt wie wir.
Was genau verstehen Sie unter einer Boutiquezigarre?
Sgroi: Die Bezeichnung hat nichts mit der Produktionsgrösse, sondern mit der Art zu tun, wie wir unsere Arbeit machen. Es sind die kleinen Details, um die wir uns bei La Bucanera kümmern, zum Beispiel die zweite mit einem Hinweis versehene Banderole unter der ersten. Vergessen Sie solche Details in einer Fabrik, in der zehn oder 14 Millionen Zigarren pro Jahr rausgehauen werden.
Die Grösse einer Produktion ist also doch relevant.
Sgroi: Solche Details wären auch in einer Zehn-Millionen-Zigarren-Produktion möglich. Aber dafür müsste die Qualitätskontrolle eine ganz andere Dimension erreichen. Sie müsste nämlich auf die Details ausgerichtet sein. Nur kümmert das die grossen Produzenten nicht, die Details, meine ich. Gerade in den USA merkt man aber, dass die Boutiquezigarren-Produzenten immer stärker werden, weil wir die Dinge anders machen, nicht nur bei der Verpackung, sondern auch beim Blenden, der Qualitätskontrolle, beim Rollen. Es ist eine Kombination von ganz vielen Details, die eine Boutiquezigarre ausmacht.
Für die La Bucanera suchten Sie ein nicaraguanisches Geschmacksprofil. Dabei verwenden Sie auch für die Adventura-Zigarren nicaraguanischen Tabak.
Ventura: Das stimmt. Aber in der Dominikanischen Republik kennen wir das Konzept des Puros nicht. Wir produzieren keine Zigarren ausschliesslich aus dominikanischen Tabaken, sondern stehen vielmehr für das Blenden unterschiedlicher Provenienzen. Wir suchen immer nach komplexen Geschmacksprofilen und darum unterscheiden sich die Adventura-Zigarren je nach Linie auch ganz klar.
Von der Zigarrenmarke Adventura sind fünf Linien geplant und drei bereits auf dem Markt. Existieren die fehlenden zwei Blends bereits?
Ventura: Wir haben genügend Zigarrendesigns für die nächsten zehn Jahre. Es ist langsam Zeit, die Ideen rauszubringen. Zu viel kann ich noch nicht sagen, aber wir werden die Marke Adventura weiterentwickeln. Vielleicht unterscheiden wir die Linien in Zukunft zwischen alter und neuer Schule, wenn es um den Blendingstil geht.
Wie ist das zu verstehen?
Ventura: Reiche und einzigartige Geschmacksprofile sind für mich die neue Schule. Alte Schule würde ich dann sehr ausbalancierte, mit gereiften Tabaken gefertigte, nicht allzu starke Zigarren nennen. Die neue Schule geht mehr Richtung stärkere Full-Body-Zigarren.
Wie würden Sie Ihren Blendingstil für Mombacho beschreiben?
Sgroi: Das ist so eine Sache. Wenn ich nur Zigarren machen würde, die ich mag, müsste ich pro Jahr eine halbe Million Zigarren rauchen. Im Zigarrenbusiness geht es nicht primär darum, was ich mag, sondern wie die Zigarren sein sollten. Meine Philosophie basiert auf drei Pfeilern: Balance, Aroma und Konsistenz.
Fahren Sie fort.
Sgroi: Wenn meine Zigarre nach einem Kuhstall schmeckt, ist sie vielleicht einzigartig, aber es kauft sie niemand. Eine Zigarre braucht ein schönes, komfortables Aroma. Dann muss die Balance stimmen zwischen der Stimulation, dem Aroma, dem Geschmack sowie der Stärke. Das genau hinzukriegen, ist extrem schwierig. Denn diese vier Dinge sind verantwortlich für die Komplexität der Zigarre. Die Balance ist also nicht nur das Verhältnis von Stärke und Aroma, sondern geht sehr viel tiefer. Und zum Schluss kommt die Konsistenz. Meine Aufgabe als Masterblender ist es, dass Sie jahrein, jahraus immer die gleiche Zigarre rauchen, obwohl darin nicht immer der gleiche Tabak ist.
Ist es schwierig, einen guten Puro zu entwickeln?
Sgroi: Nein, es ist ein einziger Albtraum. Der Blend ist dabei überhaupt kein Problem. Den kriegen sie mit etwas Übung in 30 Minuten hin. Aber ein Blend bedeutet nicht einfach nur, die richtigen Tabakblätter zusammenzurollen, sondern sicherzustellen, dass man das auch reproduzieren kann. Das ist der schwierigste Teil. Dafür müssen Sie die Tabakbauern persönlich kennen und ihnen vertrauen. Ich muss wissen, wie sie arbeiten, sicher sein, dass sie nächstes Jahr die gleichen Samen setzen und überhaupt wieder mit mir zusammenarbeiten wollen.
Aber mal ehrlich, reduziert man bei einem Puro und der Beschränkung auf nicaraguanische Tabake nicht die Blendingmöglichkeiten massiv?
Sgroi: Das ist eine wundervolle Frage. Denn die meisten Menschen wissen nicht, dass die Vielfalt nicaraguanischer Tabake schlicht toll ist. Wir haben verschiedene Samen, unterschiedliche Regionen und darum unzählige Optionen. Wir sind immer noch daran, neue Tabake zu entdecken. Oder anders gesagt: Ich habe unzählige Puzzlestücke zur Verfügung, die Kunst ist es, diese richtig zusammenzufügen.
Wie gehts weiter mit La Bucanera und der Zusammenarbeit von Mombacho und Adventura?
Sgroi: Natürlich haben wir bereits über die Zukunft gesprochen. Marcel Knobel und Henderson Ventura denken langfristig, sie sind da für den Marathonlauf. Das war für mich bei dieser Kooperation das Wichtigste.
Ventura: Wer weiss, vielleicht machen wir das nächste Mal eine dominikanische Mombacho.
Sgroi: Wieso nicht?
Henderson Ventura (29) hat kein einziges Familienmitglied, das nicht im Tabakbusiness tätig ist. Sein Vater William Ventura arbeitete unter anderem 20 Jahre für Davidoff in verschiedenen Positionen. 2007 machte er sich in Santiago de los Caballeros mit der Tabacalera William Ventura selbstständig. Henderson Ventura stieg in die Firma ein. Heute zeichnet er als General Manager verantwortlich für sämtliche Geschäftsbeziehungen der Fabrik. Sein Vater kümmert sich hauptsächlich um die Qualitätskontrolle. Bei den Blends unterstützen sich Vater und Sohn gegenseitig. 1,5 Millionen Zigarren verliessen letztes Jahr die Manufaktur. Neben der eigenen Zigarrenmarke Adventura, die Henderson Ventura zusammen mit dem Schweizer Marcel Knobel ins Leben rief, produziert die Fabrik auch Premium-Longfiller für zahlreiche andere Boutique-Brands, etwa für Caldwell Cigars oder La Barba.
www.adventuracigars.com
Claudio Sgroi (43) ist Sizilianer und sagt von sich, er gehöre zu den glücklichsten Menschen der Welt. Das hat viel mit der Leidenschaft für den Tabak zu tun, die er am 18. Mai 2001 in der Fabrik von Davidoff in der Dominikanischen Republik für sich entdeckte und die ihn seither nicht mehr losgelassen hat. 2006 gründete er in der nicaraguanischen Stadt Grenada die Zigarrenmanufaktur Mombacho. In seinen drei bisherigen Zigarrenlinien setzt Sgroi ausschliesslich auf nicaraguanische Tabake. Aktuell beträgt die Produktion der Fabrik 500 000 Zigarren pro Jahr, davon gelangen 45 Prozent auf den europäischen Markt. In der Fabrik fungiert Sgroi als Elektriker, Klempner, Hausabwart, Präsident und Masterblender. Seine Linien Tierra Volcan, Liga Maestro und Casa Favilli werden von der Importadora Corrazza in die Schweiz importiert.
www.mombachocigars.com