Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Am 2. Mai informierte die Intertabak AG ihre Kunden über teilweise massive Preiserhöhungen für kubanische Zigarren (siehe Box). Die schlechten Nachrichten waren bereits einige Tage zuvor in der internationalen Fachpresse durchgesickert und bildeten den neuen Höhepunkt einer beispiellosen Angebotskrise. Noch nie wurden mehr kubanische Zigarren verkauft als 2021. Konkret kommunizierte die Habanos SA einen Umsatzrekord von 568 Millionen Dollar, das entspricht einer Steigerung von 15 Prozent. Gleichzeitig war die Verfügbarkeit von Havanna-Zigarren noch nie so schlecht wie heute. Expertinnen und Experten gingen denn auch vielmehr davon aus, dass die Produktion aufgrund der Covid-Pandemie gelitten habe. Wie also erklären sich diese Zahlen?
«Wahrscheinlich ist beides wahr», sagt Zigarrenfachhändler Manuel Fröhlich. «Die Produktion sank aufgrund von Covid, gleichzeitig leerten die Importeure ihre Lager.» In den letzten zwölf Monaten hätten ihm die Konsumentinnen und Konsumenten die Zigarren regelrecht aus den Händen gerissen, und zwar nicht nur Cohiba Behikes oder Partagás Lusitanias, sondern auch die unscheinbaren Ladenhüter, wie Romeo y Julieta Cedros de Luxe oder Partagás Aristocrats. «Alles ging raus.»
Sicher ist: Mit den abrupten Preisaufschlägen katapultieren sich die kubanischen Topmarken ins absolute Luxussegment, vergleichbar mit Weinen von Herstellern wie Domaine de la Romanée-Conti oder Château Cheval Blanc. Die Frage ist, ob die Strategie aufgeht. Einiges spricht dafür. Laut der auf Marktforschung spezialisierten Onlineplattform Statista soll der weltweite Luxusgütermarkt bis 2027 jährlich um 2,7 Prozent wachsen. Die grösseren, exklusiveren Formate von Cohiba sind seit Jahren ein begehrtes Investitionsgut, ähnlich wie Luxusuhren oder seltene Weine, für die Beträge meilenweit über den offiziellen Verkaufspreisen berappt werden. Auch Tony Hoevenaars, Geschäftsführer der offiziellen Schweizer Importeurin Intertabak AG, glaubt, dass die Marke Cohiba in der Schweiz weiterhin Abnehmerinnen und Abnehmer finden wird. «Wir hätten jede Kiste zehn Mal verkaufen können, da ist es logisch, dass man die Preise erhöht.»
Folgt die Habanos SA also einfach den Gesetzen des Luxusgütermarkts? Hilfreich ist in dieser Situation, dass die schlechte Verfügbarkeit kubanischer Zigarren echt ist. Sie ist kein Produkt von Marketingspezialisten, die den Markt künstlich verknappen, sondern Ausdruck einer sozialistischen Misswirtschaft in einem Land, dessen Erde per Zufall den besten Tabak der Welt hervorbringt. Oder anders formuliert: Die Mehrheit der Konsumentinnen und Konsumenten im Luxussegment kauft den Kubanern die Geschichte ab.
Bei den hiesigen Fachhändlern ist das weniger der Fall. «Eine katastrophale Entscheidung», nennt Urs Portmann, seines Zeichens Habanos Man 2014, die neuen Tarife. Einerseits seien die Preise vielen Kundinnen und Kunden nur schwer vermittelbar, andererseits sei gleichzeitig die Händlermarge massiv gesenkt worden. Tatsächlich verdient ein mittelgrosser Händler auf den vier Premiumlinien neu rund einen Drittel weniger. Das Argument, mit den höheren Preisen könne man die Marge verkleinern, ist ein fundamentaler Irrtum. Wenn dem so wäre, bräuchte ein Ferrari-Händler keine Marge mehr.
Die neue Preispolitik ist für die Habanos SA wohl ein letztes Mittel, um der Nachfrage einigermassen Herr zu werden. Seit Jahren versichern die Verantwortlichen – meistens im Rahmen des Festivals del Habano –, die Produktion erhöhen und die notorisch schlechte Verfügbarkeit verbessern zu wollen. Das hat nie geklappt. Eine Verteuerung der Zigarren ist für die Kubaner die einzige Möglichkeit, ihre Wertschöpfung zu steigern – und die Nachfrage gleichzeitig auf ein erträgliches Mass zu senken. Die Strategie birgt indes auch Risiken.
Für eine Cohiba Behike 56 hätte man den Verkaufspreis vervierfachen können. Er entspräche auch dann noch nicht dem aktuellen Marktpreis. Anders schaut es bei einem Miniformat wie Cohiba Exquisitos aus, wenn diese 126 Millimeter lange Schlankheit plötzlich über 30 Franken kostet. Die Erfahrung zeige, so Manuel Fröhlich, dass solche Linien, sind sie einmal besser verfügbar, viel weniger nachgefragt werden. Diese Regel galt noch mit den alten Preisen. Und ob sich die Marke Trinidad auf dem gleichen Level wie Cohiba etablieren kann, wird sich erst noch zeigen. Bei den Formaten Topes, Esmeralda und Fundadores stehen die Chancen nicht allzu schlecht, der Rest der Linie dürfte hingegen Mühe bekunden.
Viel interessanter wird es sowieso auf den hinteren Rängen. Der Preisaufschlag für eine Partagás Serie D No. 4, notabene das meistverkaufte Habanos-Format der Schweiz, beträgt 18,5 Prozent, sie kostet neu 19.80 Franken. Wer diesen Schritt nicht mitgehen will, dem bieten sich viele Alternativen, im kubanischen, aber auch im nichtkubanischen Sortiment. «Die Zigarre Quai d’Orsay 54 wird die neue Partagás Serie D No. 4 werden», sagt Raymondo Bernasconi, Inhaber der in Basel ansässigen The Royal Cigar Company AG. Andere Ausweichmöglichkeiten sind die ebenfalls nicht von Preiserhöhungen betroffenen, aber geschmacklich gleichwertigen kubanischen Marken Bolívar und Ramón Allones.
Die grosse Frage ist, wie sich die Verfügbarkeit von Havannas in der Schweiz entwickelt. «Wir erwarten eine allmähliche Verbesserung in der zweiten Jahreshälfte», sagt Hoevenaars. Die aktuellen Lieferungen würden 80 Prozent des normalen Bedarfs entsprechen. Eine Aussage, die Bernasconi anzweifelt. «Wenn ich die aktuellen Verfügbarkeitslisten von Intertabak betrachte, kann ich mir nicht vorstellen, dass damit 80 Prozent des Bedarfs gedeckt werden können.»
Im Windschatten der Ereignisse werden Premiummarken aus anderen Ländern stark profitieren, zum Beispiel AJ Fernandez aus Nicaragua oder Arturo Fuente aus der Dominikanischen Republik. Wenn sich der Mittelstand eine Cohiba Robusto nur noch zu Geburtstagen leisten kann, hat er jetzt die Gelegenheit, die Vorzüge anderer Hersteller zu entdecken. Dazu gehören nicht zuletzt die preislich bisher eher höher positionierten Zigarren von Davidoff. Zum praktisch gleichen Preis wie eine Partagás Serie D No.4 kann man sich neu für eine Davidoff Nicaragua Robusto entscheiden, mit dem kleinen, aber nicht unerheblichen Unterschied, dass die Wickelqualität bei allen 25 Zigarren in der Kiste einwandfrei ist.
Mit den Preiserhöhungen wagt die Habanos SA ein Experiment mit ungewissem Ausgang. Einen Weg zurück kann es nicht geben, ohne dass die Marken grossen Schaden erleiden. Eines haben die neuen Preise indes erreicht: Sie stärken die Wertschätzung bei den Konsumentinnen und Konsumenten für ein wunderbares, von Hand hergestelltes Produkt. Und zwar ganz generell, nicht nur bei den Havanna-Zigarren. Letztlich sollten wir uns nichts vormachen: Auch die Hersteller in Nicaragua, Honduras und der Dominikanischen Republik werden ihre Preisstruktur anpassen – falls sie es nicht bereits getan haben –, wenn auch in einem bescheideneren Rahmen.
Welche Habanos teurer werden – und welche nicht
Die Habanos SA erhöht die Preise. Dafür wurde das aus 27 Marken bestehende Portfolio in fünf Kategorien unterteilt, die sich unterschiedlich stark verteuern. Seit dem 1. Juni orientiert sich das Preisniveau für die Marken Cohiba und Trinidad sowie für Premiumlinien wie Montecristo Línea 1935 oder Romeo y Julieta Línea de Oro an den (Verkaufs-)Preisen von Hongkong, einem notabene viel stärker besteuerten Markt als in der Schweiz. Konkret kostet eine Cohiba Robustos neuerdings 71.50 Franken, bisher mussten dafür 32.80 Franken auf den Tresen gelegt werden. Am zweitstärksten steigen die Preise für die
Partagás-Serien sowie die Montecristo-Edmundo- und Romeo-y-Julieta-Churchill-Linien. Eine Partagás Serie D No. 4 kostet neu 19.80 Franken anstelle von 16.70 Franken. Zur dritten Kategorie gehört das übrige Portfolio der Havanna-Global-Brands mit Marken wie Hoyo de Monterrey, H. Upmann oder Partagás. Auch in dieser Kategorie steigen die Preise, wenn auch nicht im gleichen Ausmass wie in der zweiten Kategorie. Der Preis einer Hoyo de Monterrey Epicure No. 2 erhöht sich etwa von 16.50 Franken auf 17.90 Franken. In den Kategorien vier und fünf fallen die Preissteigerungen, wenn sie denn stattfinden, moderat aus. So verteuern sich Marken wie Bolívar, Quai d’Orsay, Rámon Allones, Quintero oder Vegueros zurzeit nicht.