«Ich bin ein Macher» | Cigar Newsletter abonnieren
Cigar 1/2019

«Ich bin ein Macher»

Interview: Tobias Hüberli Fotos: Njazi Nivokazi
Raymondo Bernasconi ist eine Kämpfernatur, immer in Bewegung, bisweilen bissig und mit einem klaren Plan. In drei Jahren will er in Rente gehen.
20190318-cigar-interview-royal-cigars_21.jpg

Sind Sie ein streitbarer Mensch? Raymondo Bernasconi: So würde ich das nicht sagen. Aber ich bin bissig und verteidige mein Territorium.
Etwa wenn ein anderer Importeur versucht, Ihnen eine Zigarrenmarke abzujagen? Es gab in der Vergangenheit ein paar solche Geschichten. Allerdings muss man jeden Fall einzeln betrachten. Es ist ein bisschen wie in einem Fussballverein, manchmal wechselt der Trainer oder dann halt ein Spieler. Wenn das einigermassen sauber und vernünftig abläuft, ist das kein Problem. Auch dafür gibts gute Beispiele.

Erzählen Sie.
2006 verlor ich die Marke Macanudo. Das war ein herber Schlag für mich. Aber der Grund war verständlich: Der Konzern General Cigar, zu dem Macanudo gehörte, wurde an Swedish Matches verkauft. Die Skandinavier hatten eine Partnerschaft mit der Davidoff-Gruppe, also flog ich raus. Das war nicht nett, aber Davidoff verhielt sich absolut korrekt, übernahm mein gesamtes Lager, ich konnte weiterarbeiten und die Marke nahm keinen Schaden. So sollte es sein.

Beschreiben Sie die Schweizer Tabakbranche.
Wir sind eine kleine Familie und müssen sehr viel Sorge tragen – zum Produkt und zu dem, was wir hier machen. Klar, wir kämpfen alle mit harten Bandagen. Aber wenn immer nur Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, wird es langweilig, dann schläft man ein und beginnt, Fehler zu machen. Der Zigarrenmarkt wird nicht grösser, und es gibt immer mehr Marken. Um erfolgreich zu sein, muss man sich bewegen. Ich glaube, dass diese Dynamik wichtig ist – fürs Produkt, für die Branche und letztlich für den Konsumenten. Es ist ein sportlicher Konkurrenzkampf. Ich musste lernen, damit umzugehen.

Sie importieren kubanische Zigarren an der offiziellen Importeurin vorbei und machen sich damit nicht nur Freunde.
Als ich vor 19 Jahren meine Logistik aufbaute, mietete ich in Münchenstein ein Ladenlokal. Allerdings weigerte sich Intertabak, mich zu beliefern. Und ohne kubanische Zigarren konnte man damals kein Geschäft betreiben. Wir waren dazu gezwungen, Habanos auf anderen Wegen zu beschaffen.

Dabei scheinen Sie für kubanische Zigarren nicht besonders viel übrig zu haben.
Ich habe Mühe mit der Vergötterung von kubanischen Zigarren. Wenn ich sehe, welche Qualitäten wir erhalten, da stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis einfach nicht. Wir arbeiten mit Habanos, aber wir verkaufen sie nicht mit Freude, weil uns immer das Damoklesschwert über dem Kopf hängt in Form von unzufriedenen Kunden, die reklamieren.

Qualitätsschwankungen gehören doch zum Mythos kubanischer Zigarren.
Und jene Raucher, die dem Rechnung tragen, nehmen auch in Kauf, dass mal eine Zigarre einen strengeren Zug hat. Aber es gibt einfach viele Gelegenheitsraucher, die damit nicht umgehen können. Wir machen heute fast 70 Prozent unseres Umsatzes mit nicht kubanischen Zigarren.

Sie sind nun 19 Jahre auf dem Markt. Wo steht The Royal Cigar Company heute?
In den letzten eineinhalb Jahren bereinigten wir unser Portfolio. Jetzt sind wir mit rund 30 Brands hervorragend aufgestellt und wollen eigentlich keine neuen aufnehmen.

Worauf legten Sie den Fokus?
Wir haben alle Marken der grossen Konzerne wie etwa Imperial, Altadis oder Scandinavian Tobacco aussortiert und konzentrieren uns auf Boutique Brands. Für mich sind das Zigarrenmarken, die noch in Familienbesitz sind. Das ist uns gut gelungen, wobei wir mit den Zigarren von Drew Estate, die inzwischen an den Swisher-Konzern verkauft wurde, eine kleine Ausnahme machten. Aber mit Drew-Estate-Gründer Jonathan Drew verbindet mich eine lange Freundschaft.

20190318-cigar-interview-royal-cigars_22.jpg
20190318-cigar-interview-royal-cigars_20.jpg
20190318-cigar-interview-royal-cigars_09.jpg
20190318-cigar-interview-royal-cigars_14.jpg

Wie beurteilen Sie die Lage des Schweizer Tabakfachhandels?
Er hat eine Zukunft, aber es wird immer schwieriger. Zurzeit wächst etwa die Zahl der Zigarrenclubs, die Konstrukte schaffen, um zu Handelspreisen Ware einzukaufen. In Basel haben wir gerade so ein Fall. Hinzu kommen der Onlinehandel und die Discounter wie Denner und Otto’s Warenposten, die einen beachtlichen Umsatz machen und den Fachhändlern den Teppich unter den Füssen wegziehen.

Das Thema brennt Ihnen sichtlich unter den Nägeln.
Der Tabakfachhandel hat uns und jede erfolgreiche Marke gross gemacht. Ohne physische Verkaufspunkte baut man keine Zigarrenmarke auf, im Internet geht das nicht. Wir versuchen deshalb, den Fachhandel nicht nur zu bevorteilen, sondern auch ein Stück weit zu schützen. Sobald wir zum Beispiel sehen, dass im Onlinehandel mit unseren Marken Rabattschlachten entstehen, reduzieren wir den betreffenden Anbietern die Marge so weit, dass solche Aktionen nicht mehr möglich sind.

Was empfehlen Sie den Schweizer Fachhändlern?
Sie müssen beweglich sein und sich den Realitäten stellen. Zum Beispiel könnten sie darüber nachdenken, ob sie sich für Zigarrenmarken einsetzen wollen, die drüben beim Discounter für 40 Prozent brachgeschlagen werden, unter dem Einstandspreis des Handels notabene. Sicher ist, dass sich das Händlernetz künftig reduzieren wird. Zudem verlagern sich die Geschäfte vermehrt in die Agglomeration. Mit den aktuellen Margenstrukturen kann man ein reines Tabakgeschäft an 1a-Lagen kaum mehr rentabel betreiben.

Wie rentabel ist eigentlich Ihre eigene Zigarrenmarke Gilbert de Montsalvat?
Gilbert ist ein Phänomen. Das Produkt lief immer so ein bisschen nebenher. Ich hatte nie genügend Zeit, um mich wirklich darum zu kümmern. Mittlerweile sind wir seit elf Jahren auf dem Markt. In der Schweiz verdienen wir Geld damit, in Deutschland haben wir ein schönes Volumen, Österreich läuft, und im Rest der Welt sind es nur Peanuts. Wenn ich ehrlich bin, rechnet sich der Aufbau einer Zigarrenmarke ohne den US-amerikanischen Markt nicht. Das tönt jetzt hart, aber ich würde es nicht nochmals machen, nicht alleine.

Wie gehen Sie mit Rückschlägen um?
Wir sind ein paarmal knapp am Konkurs vorbeigeschrammt, zum Beispiel 2011, als wir die Marke Vega Fina verloren. Da kam einiges zusammen, aber wir haben immer gekämpft und Lösungen gefunden. Das hat das Unternehmen auch gestärkt.

Welche Lösungen haben Sie sich für Ihre Zukunft überlegt?
Zurzeit arbeiten wir dran, dass sich unsere Mitarbeiter Dominik Mezzomo und Matthias Fleig an der Firma beteiligen und sie dereinst auch übernehmen können. Das Unternehmen hat mittlerweile eine Grösse erreicht, bei der das Verwalten wichtiger wird. Ich aber bin der Macher. Darum ist es für mich an der Zeit, die Weichen zu stellen. Und mir auch zu sagen: Was jetzt kommt, das können die besser als ich.

Sie lassen sich pensionieren?
Ich sagte immer, dass ich mit 50 in Rente gehen will. Das heisst jetzt nicht, dass ich dann aufhöre zu arbeiten, aber ab dann will ich nur noch tun, was mir Spass macht.

Und das wäre?
Ich will mein Spanisch verbessern. Und gerne mehr Zeit in den Zigarrenfabriken verbringen, noch tiefer reinschauen in die einzelnen Prozesse, noch besser verstehen, worauf es ankommt. Dafür muss ich mal für sechs Monate nach Nicaragua oder in die Dominikanische Republik reisen und die Ernte sowie die Fermentationsprozesse vollständig mitmachen. Vielleicht habe ich dann auch mehr Zeit für Gilbert.

Raymondo Bernasconi (46) kam in New York zur Welt und war ein Jahr alt, als seine Eltern mit ihm nach Basel zurückkehrten. Nach einer Speditionsausbildung arbeitete er zuerst bei einer grossen Reederei und danach während zweier Jahre für eine Speditionsgesellschaft in Hongkong und Singapur. 1999 heuerte Bernasconi bei der Intertabak AG, der offiziellen Schweizer Importeurin kubanischer Zigarren, an. Nach elf Monaten verliess er das Unternehmen bereits wieder, entschloss sich aber gleichzeitig, in der Tabakbranche zu bleiben. Anfang 2000 importierte Bernasconi die ersten Zigarren (von Carlos Toraño) in die Schweiz und gründete ein Jahr später die Firma The Royal Cigar Company GmbH. Um sich über Wasser zu halten, arbeitete Raymondo die ersten sechs Monate noch temporär wieder bei der Reederei, danach noch zwei Jahre als Key Account Manager derselbigen. Den gesamten Urlaub und praktisch die ganze Freizeit investierte er in den Aufbau der eigenen Firma. Diese ist heute die drittgrösste Schweizer Importeurin für Premiumzigarren und vertreibt insgesamt 30 namhafte Brands wie Plasencia, Drew Estate, Flor de Selva, Ashton, Alec Bradley oder Ernesto Perez-Carillo. Vor elf Jahren gründete Bernasconi zudem die Zigarrenmarke Gilbert de Montsalvat, die er in Nicaragua sowie in der Dominikanischen Republik produzieren lässt.

www.cigarcompany.ch