Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in Kuba ein Hilfswerk zu gründen?
Mark Kuster: Im Prinzip war es eine Schnapsidee – im Sinne von Rum. Ich war 1998 als junger Mann zum ersten Mal in Kuba, weil ein Kollege dort seinen 25. Geburtstag feierte. Nach einer tollen Woche mehrheitlich in Camagüey im Herzen Kubas stellte ich fest, dass Kuba tief in mir drin etwas ausgelöst hatte. Ich spürte eine tiefe Dankbarkeit und wollte Kuba etwas zurückgeben.
Ein Junggesellen-Kuba-Trip als eine Art Erweckungserlebnis?
Die Reise hatte in der Tat eine spirituelle Dimension. Die kubanische Kultur und Bevölkerung berührten mich emotional. Mit der Lebensfreude, aber auch mit all den Widersprüchen. Das eigentliche Warum ist mir auch heute noch nicht klar. Vielleicht war es das Kuba-Virus.
Sie waren in der Finanzbranche tätig und damals auch Präsident der Jungen SVP. Wie hat Ihr Umfeld im rechten politischen Lager auf die Idee reagiert, im kommunistischen Kuba ein soziales Kinderhilfswerk auf die Beine zu stellen?
Tatsächlich waren einige irritiert, weil mein Engagement für die SVP und für Kuba auf den ersten Blick nicht recht zusammenpassen. Ich war eher businessorientiert und nicht der alternative Aussteiger-Typ. Ich bin damals wie heute der gleiche Mark Kuster, der die Schweiz über alles liebt, und bezeichne mich wie viele Auslandschweizer auch als Patriot. Aber Kuba liess mich etwas entdecken, das auch noch in meinem Herzen schlummerte. Das SVP-Thema hat mir anfangs viel Publicity eingebracht. Es gab Artikel in der Woz und im Tages-Anzeiger nach dem Motto «Vom Saulus zum Paulus», die einen Rundschau-Beitrag im Schweizer Fernsehen nach sich zog. Dabei trat das Projekt immer mehr in den Hintergrund. Ich bin inzwischen aus der Partei ausgetreten. Nicht, weil ich eine Mitgliedschaft mit meiner Moral und Weltvorstellung nicht mehr hätte vereinbaren können, sondern weil ich mit Camaquito politisch komplett neutral auftreten möchte.
Was hat es eigentlich mit dem Namen «Camaquito» auf sich?
Unsere Projekte konzentrieren sich hauptsächlich auf die Provinz Camagüey. Unser Name leitet sich von den Vorsilben «Cama» ab, kombiniert mit der populären Verkleinerungsform «-quito». Die Leute vor Ort nennen mich Marquito. Manche nennen mich auch Marx, aber das mag ich nicht so gern. Vor Ort bin ich der einzige Ausländer. Wir beschäftigen nur einheimische Fachkräfte, die vom kubanischen Staat bezahlt werden. Darum gehört es zu meinen wichtigsten Aufgaben, dass sich die Leute mit Camaquito identifizieren. In anderen Ländern ist die Arbeit für Hilfsorganisationen möglicherweise einfacher, weil nicht alles mit den Behörden abgestimmt werden muss. Dafür sind die Projekte in Kuba nachhaltiger verankert.
Welche Projekte verfolgen Sie konkret?
In Kuba herrscht wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation ein
grosser Bedarf an Infrastruktur-Investitionen. Konkret investieren wir in
Bau- und Renovationsprojekte von Kindergärten, Schulen, Heimen und Spitälern sowie in die Erschliessung und den Unterhalt der Trinkwasserversorgung. Besondere Aufmerksamkeit schenken wir der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Unser erstes Projekt war eine Blindenschule. Jüngst ist in Camagüey ein Container eingetroffen mit Equipment für eine Sonderschule, in der Kinder und Jugendliche mit
Autismus-Spektrum-Störungen betreut werden. Dafür braucht es Schulungsmaterial, Computer und Audioanlagen sowie Sportartikel und Instrumente. Neben Infrastrukturprojekten unterstützt Camaquito Kinder und Jugendliche in den Bereichen Bildung, Sport, Kultur, Gesundheit und Umwelt auch mit soziokulturellen Projekten.
Wie gross sind Ihre Investitionen?
In den 20 Jahren unseres Bestehens konnten wir dank unseren Spenderinnen und Spendern gut vier Millionen Franken in Kuba investieren. Bei jährlichen Investitionen von inzwischen rund 250 000 Franken bringt das eine grosse Verantwortung mit sich und ich bin bemüht, den Verwaltungsaufwand mit zehn bis 15 Prozent möglichst gering zu halten. Camaquito ist nicht der Weihnachtsmann. Ich agiere als eine Art Intermediär zwischen Zivilgesellschaft und Behörden. Das braucht grosses politisches Fingerspitzengefühl. Wir verteilen kein Geld, sondern arbeiten mit den kubanischen Behörden projektbezogen und kontrollieren sehr genau, dass die Spenden die Bedürfnisse der Bevölkerung wirkungsvoll erreichen. Das bin ich den Spendern, aber auch den vielen ehrenamtlichen Unterstützern schuldig. Und deshalb geniessen wir auch das Vertrauen der Botschaften der Schweiz, Deutschlands, Österreichs und Japans.
Sie sind in der Zigarrenszene gut verankert. – Wie ist es dazu gekommen?
Ein Botschafter der ersten Stunde ist Heinrich Villiger. Ich habe ihn in den
Anfangszeiten des Camaquito-Projekts kennen gelernt. Urs Tanner von der Intertabak AG ermöglichte mir im Rahmen eines Habanos-Festivals die Teilnahme an einem Galadiner, an dem wir ins Gespräch kamen. Er hat unsere Projekte persönlich besucht und verleiht Camaquito grosse Glaubwürdigkeit als Türöffner und Brückenbauer. Das Gleiche gilt für die Händlerfamilie Portmann oder Lounge-Besitzer Manuel Fröhlich, der uns immer wieder in seinem Lokal in Zürich mit Aktionen unterstützt hat. Wir verfolgen mit Camaquito die Philosophie «Spenden mit Genuss» und drücken nicht auf die Tränendrüse.
Sondern?
Wer Camaquito unterstützt, soll dies aus Freude tun – mit dem Wissen, dass die Spende etwas Positives bewirkt. Da sind die Zigarrenraucher und Zigarrenraucherinnen natürlich sehr interessant, weil viele einen Bezug zu Kuba haben und auch bereit sind, soziale Verantwortung zu übernehmen. Wir sind immer auf der Suche nach Händlern, Lounges, Hotels oder privaten Clubs, die Camaquito unterstützen. Ich trete an solchen Anlässen gerne auf und erzähle etwas über das Projekt oder das Leben als Auslandschweizer in Kuba.
Was rauchen Sie eigentlich am liebsten?
Ich mag die Zigarren von H. Upmann und rauche sonst auch gerne eine Partagás. Wenn ich rauche, bin ich meistens alleine. Andere machen Yoga, ich rauche Zigarren. Sie beruhigen mich, schenken mir Genuss und wirken sehr animierend, wenn ich Projekte Revue passieren lasse und neue Ideen entwickle.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?
Camaquito ist eine Lebensaufgabe. Ich kann mir nicht vorstellen, mit 65 in Rente zu gehen. Für ein Leben als Pensionist in der Schweiz wird es auch finanziell nicht reichen. Aber mir geht es gut und ich bin sehr zufrieden. Allerdings bin ich doch sehr viel unterwegs und würde mittelfristig gerne mehr Zeit mit meiner Frau und meinen beiden Kindern in Kuba verbringen. Das Land hat grosses Innovationspotenzial. Die Leute sind gebildet und kultiviert, solidarisch, aber auch patriotisch und familienverbunden. Das ist eine gute Basis für eine erfolgreiche Zukunft. Die junge Generation ist heute über das Internet viel vernetzter und wird künftig mehr Unabhängigkeit sowie wirtschaftliche und politische Teilhabe und Mitbestimmung einfordern. Das Land hat in den letzten Jahren Reformen eingeleitet und hätte durchaus das Potenzial, gesellschaftspolitisch ein Vorbild für ganz Latein- und Südamerika zu werden.
Mark Kuster (48) wächst als Sohn einer Arbeiterfamilie in Winterthur-Töss auf. Nach einer KV-Lehre bei der Erb-Gruppe in der Abteilung Kleinkredite arbeitet er in der Finanzbranche und engagiert sich politisch als Präsident der Jungen SVP. 1998 verändert ein Junggesellen-Trip nach Kuba das Leben des 25-Jährigen: Kuster erliegt dem Kuba-Virus und will Land und Leuten etwas zurückgeben. 2001 gründet er das Kinderhilfswerk Camaquito. Neben der Renovation von Kindergärten, Schulen, Heimen und Spitälern unterstützt der gemeinnützig anerkannte Verein soziokulturelle Initiativen für Kinder und Jugendliche. 20 Jahre später hat Camaquito rund vier Millionen Franken an Spendengeldern in Infrastruktur- sowie Familien-, Sport- und Freizeitprojekte investiert. Zum Unterstützerkreis gehört auch die Schweizer Zigarren-Community, darunter Heinrich Villiger als Botschafter der ersten Stunde, die Händlerfamilie Portmann, Habanos Specialist Manuel Fröhlich sowie Urs Tanner, ehemaliger Direktor der Intertabak AG.
camaquito.org