Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Der kubanischen Zigarrenindustrie läuft es gut. Zum Auftakt des diesjährigen Festival del Habano in Havanna informierte die Vertriebsorganisation Habanos SA über ihr Jahresergebnis. 2018 erzielte Kuba mit Marken wie Cohiba, Montecristo oder Partagás einen Umsatz von 537 Millionen Dollar. Umsatzrekord! Das Wachstum gegenüber dem Vorjahr betrug sieben Prozent. Auch die Entwicklung über die letzten Jahre beeindruckt: 2012 verkaufte Kuba noch Zigarren im Wert von 400 Millionen Dollar. Das ergibt ein durchschnittliches Wachstum pro Jahr von 4,3 Prozent, «a pesar de los dificultades», «trotz Schwierigkeiten», hiess es an der Pressekonferenz. Als Hauptproblem machen die Kubaner «el bloqueo» aus, das Handelsembargo der USA gegen Kuba, das den Zugang zum grössten Absatzmarkt der Welt versperrt.
Weniger gern als über den Klassenfeind spricht man in Kuba über die hausgemachten «dificultades». Die kubanische Zigarrenproduktion kommt seit Jahren nicht vom Fleck. Stückzahlen kommuniziert Habanos SA nicht, doch das Wachstum der letzten Jahre geht zu einem grossen Teil auf steigende Preise zurück. Die Rechnung ist einfach: Eine Kiste Cohiba Robustos kostete 2012 in der Schweiz 625 Franken, heute legt man für die gleiche Kiste 750 Franken auf den Tisch. Dazu lancierte Kuba neue hochpreisige Zigarren wie die Montecristo Línea 1935, günstigere Zigarren fielen weg.
Von den steigenden Preisen lassen sich die Zigarrenliebhaber indes nicht abschrecken – im Gegenteil. «Wir haben gar nichts», heisst es in der Casa del Habano Partagás. Gemeint sind Spezialitäten, limitierte Zigarren, etwas Besonderes für die Besucher des Festivals. Noch dramatischer ist die Lage im renommierten Zigarrengeschäft des Hotels Habana Libre. Cohiba – die Flaggschiff-Marke – ist ausverkauft. Warum fehlen ausgerechnet Cohibas? «Touristen aus China erwerben fast ausschliesslich diese Marke. Und es fehlt der Nachschub.» Dabei fiel die Ernte in den letzten beiden Jahren endlich wieder überdurchschnittlich aus. Jetzt sollte die Produktion wieder in Gang kommen. Doch auch in Europa bleiben viele Cohiba-Formate knapp. Liefert Kuba die gesuchten Zigarren direkt nach Asien? James Wu, ein gut vernetzter Sammler und Händler aus Hongkong, widerspricht dieser Theorie. «Cohibas sind derart rar, dass die Zigarrengeschäfte einen Aufschlag verlangen. Der aktuelle Marktpreis für eine Kiste Cohiba Robustos liegt in Hongkong bei etwa 1000 Dollar.»
In El Laguito, der Vorzeigemanufaktur Havannas, entstehen die gesuchten Edelzigarren. Das Festival del Habano bietet Gelegenheit für einen Augenschein vor Ort. Auf dem Produktionsplan steht am Besichtigungstag auch die besonders exklusive Cohiba Behike. Diese Premiumlinie von Cohiba ist ganz besonders rar und ganz besonders teuer. Warum wird nicht mehr produziert – Kuba könnte viel Geld verdienen?
Liegt es am Tabak. An den Kisten. Oder doch an den Scharnieren der Kisten, die aus China importiert wurden und mangelhaft waren? Jeder, den man fragt, weiss eine Antwort. «Das Hauptproblem ist das Deckblatt», sagt im vertraulichen Gespräch ein leitender Mitarbeiter von Cubatabaco, der Staatsfirma, welche alle Havannas produziert. Er kennt die tatsächlichen Produktionszahlen und weiss, wovon er spricht. Die fertigen Zigarren übergibt Cubatabaco an die Vertriebsorganisation Habanos SA. «Habanos SA ist sehr streng, was die Qualitätsanforderungen für die Deckblätter angeht – vielleicht zu streng. Die Behike-Deckblätter müssen makellos sein. Diese Qualität produzieren wir zurzeit nicht in ausreichender Menge, trotz guter Ernte.»
Auf der Fototour durch die Fabrik bieten die Roller Zigarren zum Kauf an. Inoffiziell, versteht sich. «Hay que luchar», heisst das auf Kubanisch. «Man muss kämpfen», etwas dazuverdienen. Weil man irgendwie über die Runden kommen muss, verlor auch El Laguito in den vergangenen Jahren kontinuierlich Torcedores. «Seit der Staat mehr Selbstständigkeit zulässt, gibt es neue Jobs, die eine bessere finanzielle Perspektive bieten. Taxifahren lohnt sich mehr», sagt der Mann von Cubatabaco. Dass hier dringender Handlungsbedarf besteht, hat man erkannt. Osmar Hernández Fuentes, Direktor von La Corona, der grössten Manufaktur Havannas, konnte die Löhne seiner Mitarbeiter dieses Jahr deutlich anheben. «Inzwischen verdienen unsere Torcedores das Fünffache des kubanischen Medianlohns.» Damit erreichen die Löhne der Zigarrenroller ein Niveau, mit dem man in Havanna zwar keine grossen Sprünge macht, aber leben kann.
«Nuestra riqueza esta en la tierra», steht auf einem Plakat am Rand der Autobahn Richtung Pinar del Río. Die Stadt im Westen Havannas ist das Eingangstor zur wichtigsten Tabakanbauregion Kubas. Die Reise von Havanna in den Westen dauert mit dem Auto etwa drei Stunden. Unterwegs verändert sich die Landschaft. Die Häuser werden einfacher, die Fahrzeuge klappriger. Übersetzt bedeutet die Parole an der Autobahn: «Unser Reichtum liegt in der Erde.» In Pinar del Río dreht sich alles um den Tabak und den Boden, auf dem er gedeiht.
Iván Máximo Perez ist Tabakbauer in der Region San Juan y Martínez. Seine Tabake gelangen auch in die Cohiba-Produktion. Was ist das Geheimnis des kubanischen Tabaks? «Unsere Böden sind sauer mit pH-Werten zwischen 5,5 und 6,5. Und die Temperatur hat im Tagesverlauf einen Ausschlag von etwa 10 Grad.» Die Kombination dieser beiden Eigenheiten führe für die Pflanzen zu einem «positiven Stress» und lasse sie ihre einzigartigen organoleptischen Eigenschaften ausprägen, erklärt Perez. «Es gibt bessere Böden für den Tabak, aber der Schlüssel ist die Temperaturamplitude.»
«Wir bepflanzen unsere Felder jedes Jahr, es gibt keine Rotation.» Sorgen macht ihm das keine. «Wir machen das hier seit 300 Jahren so. Das gute Land ist knapp.» Mit der Ernte ist Perez zufrieden. «Nicht wie letztes Jahr überragend, aber immer noch gut.» Der kräftige Medio-Tiempo-Tabak – so werden die beiden obersten Blätter der Tabakpflanze genannt, die für die Cohiba-Behike-Serie reserviert sind – sei weiterhin selten. Grund dafür seien falsche Anreize. Wenn er als Bauer die obersten Blätter entferne, erhielten die unteren Blätter mehr Nährstoffe und der Ertrag sei insgesamt grösser.
Während manche Luxusgütermarke ihre Produktion steuert und künstlich verknappt, stockt der Nachschub in Kuba «ganz natürlich» – Planwirtschaft sei Dank. Kein Marketingprofi könnte sich das besser ausdenken. Habanos SA hat erkannt, wie man mit dem limitierten Rohstoff perfekt umgeht. Mit einem sicheren Händchen folgt sie neuen Trends und schreibt die Geschichten der grossen Havanna-Marken weiter.
Die Neuheiten aus Kuba
Traditionell nützt Kuba das Festival del Habano als Bühne, um die Neuheiten des Jahres vorzustellen. Im Mittelpunkt stand heuer die Marke Trinidad, die 2019 ihr 50-Jahr-Jubiläum feiert. Zum Geburtstag spendierte Kuba der Marke einen exklusiven Sonderhumidor sowie drei neue Formate: Esmeralda (53 x 145 mm), Media Luna (50 x 115 mm) und Topes (56 x 125 mm). Mit der Topes überführt Trinidad die erfolgreiche Edición Limitada aus dem Jahr 2016 in das Standardsortiment. Allerdings entspricht der Blend nicht dem Original.
Des Weiteren erhält Punch ein neues Short-Robusto-Format namens Short de Punch (50 x 120 mm). Cohiba Novedosos (15 x 156 mm) heisst ein neues, langes Robusto-Format, das exklusiv über die Casa del Habanos und Habanos Specialists vertrieben wird. Die San Cristóbal 20 Aniversario feiert das 20-Jahr-Jubiläum der Marke San Cristóbal. Montecristo, Ramon Allones und Quai d’Orsay stellen 2019 die Ediciónes Limitadas. Freunde des besonders Raren dürfen sich auf die Hoyo de Monterrey Double Coronas Gran Reserva Cosecha 2013 freuen. Das Ediciónes-Regionales-Programm wird 2019 pausiert. Kuba will das Jahr nützen, um Produktionsrückstände wettzumachen.