Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Sagen Sie mal: Was würden Sie nie und nimmer tragen?
Caglar Kazanci: Kurze Ärmel. Aber sonst? Ich bin vielfältig, mein Stil lässt sich nicht in eine Schublade stecken. Ich habe einen klaren Hang zum Retrolook, aber im Sommer laufe ich zum Beispiel ganz anders rum als heute: sehr bunt, mit extrem blauer Hose, weissem Hemd und Strohhut. Ich mische einfach gern – und es ist mir egal, was andere von mir halten.
Sie wollen provozieren?
Nein, mir gings immer nur darum, mein Ding durchzuziehen. Als Achtjähriger trug ich eine Fliege, im Gymi eine Krawatte. Mit 16 fing ich an, die alten Anzüge meines Vaters mit Hosenträgern und Borsalino-Hüten zu kombinieren – total Dreissiger, ich war völlig in der falschen Dekade unterwegs. Währenddessen trug Sandra, ganz der Punk, zerrissene Jeans und Dauerwelle. 1993 rasierte ich meinen Rossschwanz in einem Schritt zur Glatze und zog dazu wallende Kleider an. Da umklammerten die alten Damen an der Haltestelle ihre Handtaschen fester, wenn ich kam (lacht). Für viele Leute wars damals ein Schock, für mich wars okay – mir gefiels. So wie mein weisser Bart heute: Mir ist bewusst, dass er mich älter macht als 45. Na und? Ich mag meinen Bart.
Auf Ihrer Internetseite steht, Punk sei, wenn man tut, was man mag, und mag, was man tut. Inwiefern trifft das auf Sie zu?
So ziemlich. Viele fragen uns, was wir eigentlich machen – und wie. Warum ich eine Sammlung von Spazierstöcken habe? Einfach so. Ich habe halt zufällig sieben, acht Stück daheim. Sie sind schön.
Sie stehen auf Retro-Design. Was fasziniert Sie an alten Sachen?
Ich mag Altes, das ist wahr, aber ein Retro-Fetischist bin ich nicht. Ich mag auch Neues – ich liebe das Digitale. Am liebsten habe ich es, wenn alt und neu aufeinandertreffen. Ein Beispiel: Ich finde alte Uhren sehr schön, kann aber keine tragen, weil sie mir zu klein sind. Also wünsche ich mir eine alte Uhr – in riesengross. Noch gibt es sie nicht, aber vielleicht mach ich mal eine.
So lief das mit den Koffern auch.
Stimmt. Mein Lieblingskoffer ging kaputt und ich brauchte einen neuen, weil ich geschäftlich verreisen musste. Was ich auf dem Markt fand, gurkte mich an: langweilig. Im Internet stolperte ich dann über ein Modell aus Japan, das mir gefiel. Ich sah den Koffer, überlegte, rechnete Yen um, studierte an der Machbarkeit herum. Mein Bauch sagte sofort: Ja, das ist ein Geschäft! Aber der Kopf musste erst rechnen. Schliesslich bestellten wir acht Koffer per Luftfracht und begannen, sie zu testen. Wir reisten mit ihnen, gaben sie Freunden mit. Heute produziert die japanische Firma die Koffer nach unseren Vorgaben in einer wunderbaren Qualität.
Sie passten das Modell Ihren Vorstellungen an?
Ein wenig, ja, qualitativ waren die Koffer bereits auf einem hohen Niveau. Wir trafen die Farbauswahl und kreierten auch Modelle, die nicht ganz so punkig sind wie wir. Wir haben Rot und Pink im Angebot – und die Farben kommen überraschend gut an. Aber auch Zurückhaltung ist okay, Schwarz ist schön. Ich glaube nicht, dass Kleider, Taschen oder Koffer einen Menschen verwirklichen. Aber wir haben ein Leben, und das soll Spass machen: Gönnen wir uns doch die Freude, gönnen wir es uns, hier zu sein, eine Zigarre zu rauchen, ein Bier zu trinken und zu tragen, was wir mögen.
Als Marketingleiter verfolgen Sie sicher eine klare Strategie, um die Koffer unter die Leute zu bringen.
Wir bedienen verschiedene Kanäle. Vor allem aber gehen wir nicht den normalen Weg und bedienen uns verrückter Marketingmethoden. Zum Beispiel? Einmal reisten wir mit ein paar Koffern an eine Classic-Car-Ausstellung in St.Gallen. Als Besucher, mit den Koffern im Schlepptau. Wir spazierten einfach so durch, und der sonst so zurückhaltende Schweizer erstaunte uns nicht schlecht. Wir wurden an jeder Ecke angesprochen: Woher habt ihr die Koffer? Es war der Hammer. Nächstes Jahr stellen wir da aus.
Einen Stand hatten Sie auch an der «Man’s World».
Richtig, wir setzten in diesem Rahmen unseren Launch an. Die Messe war super, eine herrliche Mischung aus Business und Party.
Inwiefern passen die Retro-Punk-Koffer denn zum stilvollen Mann von heute?
Es ist interessant: Schaut man alte Filme, erkennt man anhand der Kleidung der Menschen, aus welcher Dekade der Streifen stammt. Seit Ende der Neunziger ist das anders; weil modisch so vieles möglich ist. Stil zu haben, bedeutet nicht mehr zwingend, Anzug zu tragen, das geht auch in Jeans und Pulli. An der «Man’s World» trafen wir auf Männer, die im klassischen Sinn sehr stilvoll sind, genau wie auf solche, die Stil sehr modern interpretieren. Beide Typen mochten unsere Koffer. Wir haben für unseren Abnehmer aber auch kein bestimmtes Bild von einem Menschen im Kopf, sondern eine Einstellung.
Die da wäre?
Mir gefällts, also mach ichs. Und es ist mir egal, was andere denken.
Also wie Sie. Selbst pflegen Sie Stil ja längst nicht nur in der Mode, sondern als Geniesser aller schöner Dinge im Leben allgemein ...
Wobei mich materieller Luxus nicht interessiert. Meiner Meinung nach wird das Wort exklusiv falsch verwendet: für teure Waren. Die kann aber jeder haben, wenn er bloss das Geld dafür aufbringt. Exklusiv sollte bedeuten, dass etwas jenen Menschen vorbehalten ist, die einen besonderen Geschmack oder speziellen Lebenswert haben. Sobald der hohe Preis der Aufhänger ist, glaube ich nicht mehr an Exklusivität.
Wie definieren Sie Luxus stattdessen?
Platz ist in der engen Schweiz sicher ein Luxus. Zeit auch. Und Luxus ist eben, tun zu können, was man gern macht. Wir sind momentan viel unterwegs, die Wochenenden sind ausgefüllt, ich könnte mich über stressige Tage beklagen. Aber: Ich habe Spass dabei, Sandra in meiner knappen Freizeit nach Kräften für Retro Punk zu unterstützen. Ich bestimme selbst darüber.
Bringen Sie das so auch Ihren Töchtern bei?
Wir sagen ihnen: Wenn man tun will, was man gern tut, zahlt man immer einen Preis. Der kann mannigfaltig sein: Vielleicht verdient man weniger oder arbeitet mehr. Wir leben unseren Töchtern vor: Wenn du etwas willst, kannst du das erreichen, sofern du bereit bist, den Preis dafür zu zahlen. Ich glaube dabei auch an den Zufall. Spiele das Spiel, und spiele es oft – irgendwann klappts. Wer hundertmal würfelt, erwischt öfter eine Sechs, als wer fünfmal würfelt.
Eine einfache Rechnung.
Ja, und ein bisschen rechnen hilft, auch wenn der Bauch die erste Entscheidung fällt. Nur um den grossen Reibach gings bei unseren Unternehmen nie primär. Mit dem Spass kommt auch das Geld, das man reinvestieren kann.
Eine Einstellung, die man sich leisten können muss.
Klar, ohne Geld gehts nicht. Aber wenn man mit dem, was man hat, gut umgeht, funktionierts mit erstaunlich wenig. Es gibt Leute, die eine Firma gründen und als Erstes ein Büro mieten und ein Auto leasen. Nach einem halben Jahr sind sie überrascht, dass das Unternehmen hopsgegangen ist. Wir machten das nie so, wir blieben immer auf dem Boden.
Die Firma «BolBol» ist nicht Ihr erstes eigenes Business.
Stimmt. 1991 gründeten wir bereits einen Sandwich-Lieferdienst. Der lief grandios. Wir waren die Ersten, die Sandwiches en gros einkauften und auslieferten, zum Beispiel an Fitnesszentren. Nach sechs Monaten kam allerdings das Gesundheitsamt an: Wir sollten dafür einen Gewerberaum mit gekachelten Räumen haben – obwohl wir die Sandwiches bloss transportierten. Das machte es uns zu schwierig. Ich wollte mich nicht verschulden, also liessen wir das Ganze bleiben. 2004 gründeten wir eine zweite Firma und handelten mit thermobeschichteten Papieren. Nach zehn Jahren verkauften wir sie und riefen die «BolBol AG» ins Leben – weil wir wussten, wir machen noch mehr zusammen. Die Koffer sind erst der Anfang.
Was schwebt Ihnen vor?
Wir möchten Aktentaschen machen, die es so noch nicht gibt – wieder eine Mischung aus früher und heute. Und dann vielleicht Handtaschen, Mützen, Sonnenbrillen ... Es gibt so viele Optionen. Wobei man nicht vergessen darf, dass wir am Anfang stehen und lernen: Deshalb sind für uns die Feedbacks so wichtig, die wir auf Messen bekommen. Manche Kunden haben echt wertvolle Inputs und Ideen.
Ist es also doch nicht egal, was andere denken?
Na ja: Den Anfang machten wir ohne Rücksicht auf die Meinung anderer – wir hätten sogar gedacht, dass die Koffer für viele Leute zu speziell sind. Aber jetzt freuen wir uns natürlich, dass sie gefallen. Es ist spannend, was die Leute in den Koffern sehen. Viele meinen ja, die seien schick und teuer – und sind dann vom Preis überrascht. Ich finde: Stil sollte nicht teuer sein. Und vor allem hat nicht alles, was teuer ist, auch Stil. Ich halte den Louis-Vuitton-Koffer oder das Poloshirt mit überdimensionalem Logo für eine Katastrophe. Ja, das trage ich auch prinzipiell nicht: Sachen, die angeschrieben sind. Lieber anders- dressed als underdressed.
Inwiefern passen die Retro-Punk-Koffer denn zum stilvollen Mann von heute?
Es ist interessant: Schaut man alte Filme, erkennt man anhand der Kleidung der Menschen, aus welcher Dekade der Streifen stammt. Seit Ende der Neunziger ist das anders; weil modisch so vieles möglich ist. Stil zu haben, bedeutet nicht mehr zwingend, Anzug zu tragen, das geht auch in Jeans und Pulli. An der «Man’s World» trafen wir auf Männer, die im klassischen Sinn sehr stilvoll sind, genau wie auf solche, die Stil sehr modern interpretieren. Beide Typen mochten unsere Koffer. Wir haben für unseren Abnehmer aber auch kein bestimmtes Bild von einem Menschen im Kopf, sondern eine Einstellung.
Die da wäre?
Mir gefällts, also mach ichs. Und es ist mir egal, was andere denken.
Also wie Sie. Selbst pflegen Sie Stil ja längst nicht nur in der Mode, sondern als Geniesser aller schöner Dinge im Leben allgemein ...
Wobei mich materieller Luxus nicht interessiert. Meiner Meinung nach wird das Wort exklusiv falsch verwendet: für teure Waren. Die kann aber jeder haben, wenn er bloss das Geld dafür aufbringt. Exklusiv sollte bedeuten, dass etwas jenen Menschen vorbehalten ist, die einen besonderen Geschmack oder speziellen Lebenswert haben. Sobald der hohe Preis der Aufhänger ist, glaube ich nicht mehr an Exklusivität.
Wie definieren Sie Luxus stattdessen?
Platz ist in der engen Schweiz sicher ein Luxus. Zeit auch. Und Luxus ist eben, tun zu können, was man gern macht. Wir sind momentan viel unterwegs, die Wochenenden sind ausgefüllt, ich könnte mich über stressige Tage beklagen. Aber: Ich habe Spass dabei, Sandra in meiner knappen Freizeit nach Kräften für Retro Punk zu unterstützen. Ich bestimme selbst darüber.
Bringen Sie das so auch Ihren Töchtern bei?
Wir sagen ihnen: Wenn man tun will, was man gern tut, zahlt man immer einen Preis. Der kann mannigfaltig sein: Vielleicht verdient man weniger oder arbeitet mehr. Wir leben unseren Töchtern vor: Wenn du etwas willst, kannst du das erreichen, sofern du bereit bist, den Preis dafür zu zahlen. Ich glaube dabei auch an den Zufall. Spiele das Spiel, und spiele es oft – irgendwann klappts. Wer hundertmal würfelt, erwischt öfter eine Sechs, als wer fünfmal würfelt.
Eine einfache Rechnung.
Ja, und ein bisschen rechnen hilft, auch wenn der Bauch die erste Entscheidung fällt. Nur um den grossen Reibach gings bei unseren Unternehmen nie primär. Mit dem Spass kommt auch das Geld, das man reinvestieren kann.
Eine Einstellung, die man sich leisten können muss.
Klar, ohne Geld gehts nicht. Aber wenn man mit dem, was man hat, gut umgeht, funktionierts mit erstaunlich wenig. Es gibt Leute, die eine Firma gründen und als Erstes ein Büro mieten und ein Auto leasen. Nach einem halben Jahr sind sie überrascht, dass das Unternehmen hopsgegangen ist. Wir machten das nie so, wir blieben immer auf dem Boden.
Die Firma «BolBol» ist nicht Ihr erstes eigenes Business.
Stimmt. 1991 gründeten wir bereits einen Sandwich-Lieferdienst. Der lief grandios. Wir waren die Ersten, die Sandwiches en gros einkauften und auslieferten, zum Beispiel an Fitnesszentren. Nach sechs Monaten kam allerdings das Gesundheitsamt an: Wir sollten dafür einen Gewerberaum mit gekachelten Räumen haben – obwohl wir die Sandwiches bloss transportierten. Das machte es uns zu schwierig. Ich wollte mich nicht verschulden, also liessen wir das Ganze bleiben. 2004 gründeten wir eine zweite Firma und handelten mit thermobeschichteten Papieren. Nach zehn Jahren verkauften wir sie und riefen die «BolBol AG» ins Leben – weil wir wussten, wir machen noch mehr zusammen. Die Koffer sind erst der Anfang.
Was schwebt Ihnen vor?
Wir möchten Aktentaschen machen, die es so noch nicht gibt – wieder eine Mischung aus früher und heute. Und dann vielleicht Handtaschen, Mützen, Sonnenbrillen ... Es gibt so viele Optionen. Wobei man nicht vergessen darf, dass wir am Anfang stehen und lernen: Deshalb sind für uns die Feedbacks so wichtig, die wir auf Messen bekommen. Manche Kunden haben echt wertvolle Inputs und Ideen.
Ist es also doch nicht egal, was andere denken?
Na ja: Den Anfang machten wir ohne Rücksicht auf die Meinung anderer – wir hätten sogar gedacht, dass die Koffer für viele Leute zu speziell sind. Aber jetzt freuen wir uns natürlich, dass sie gefallen. Es ist spannend, was die Leute in den Koffern sehen. Viele meinen ja, die seien schick und teuer – und sind dann vom Preis überrascht. Ich finde: Stil sollte nicht teuer sein. Und vor allem hat nicht alles, was teuer ist, auch Stil. Ich halte den Louis-Vuitton-Koffer oder das Poloshirt mit überdimensionalem Logo für eine Katastrophe. Ja, das trage ich auch prinzipiell nicht: Sachen, die angeschrieben sind. Lieber anders- dressed als underdressed.
Den Startschuss gaben Sandra Vogt und Caglar Kazanci an der «Man’s World» Anfang Februar, als sie mit ihrer Firma «BolBol» die Kofferlinie von Retro Punk offiziell lancierten. Die beiden Sets, jeweils bestehend aus Rollkoffer und Messenger, sorgten an der Zürcher Messe für einiges Aufsehen, nicht zuletzt der augenfälligen Farben (erhältlich sind deren sechs) und Kombinationen wegen. Das kleine Set (Rollkoffer in Kabinengrösse und Messenger) kostet 439 Franken, das grosse Set (Rollkoffer mit 65 Zentimetern Höhe und Big Messenger) 459 Franken. Das stilvolle Reisegepäck wird in China von einer japanischen Firma in viel Handarbeit gefertigt. Eine Liste der Händler, die Retro Punk im Sortiment haben, gibts auf der Website.
www.retropunk.ch