Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Der aktuelle Fall von gefälschten kubanischen Zigarren in Zürich wirft ein Schlaglicht auf eine prosperierende, aber aus verständlichen Gründen im Verborgenen agierende Szene. Grundsätzlich gilt: Gefälscht wird nur, was sich lohnt, also rar und teuer ist. In der Zigarrenwelt sind davon fast ausschliesslich kubanische Erzeugnisse betroffen. Nicht erst seit den massiven Preiserhöhungen vor bald drei Jahren sind Havannas zu einem lohnenden Fälschergut mutiert.
Wie gross das Ausmass tatsächlich ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Die Verantwortlichen bei Habanos SA geben diesbezüglich keine Schätzungen ab, nehmen den Schwarzmarkt aber durchaus als Bedrohung wahr: «Wir arbeiten eng mit Zoll- und Polizeibehörden in den einzelnen Ländern zusammen, um gefälschte Havannas aus dem Markt zu nehmen», sagt Álex Fernández-Blanco Barrero, Global Operational Marketing Deputy Director bei der zu Habanos gehörenden Tabacalera Group in Madrid.
Wahrscheinlich kommt nur die berühmte Spitze des Eisbergs überhaupt ans Licht. Je grösser die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage, desto höher ist die Motivation, ein teures Gut mit minderwertigen Stoffen zu kopieren. Letztes Jahr betrug die Jahresproduktion der kubanischen Zigarrenindustrie zirka 58 Millionen Zigarren, die weltweite Nachfrage liegt laut Schätzungen aber ein gutes Stück jenseits der Marke von 100 Millionen. Der Geschäftszweig birgt also ein gewisses Potenzial.
Alles, was man dafür braucht, sind ein paar talentierte Zigarrenroller, die sich darauf verstehen, mit günstigem Tabak die echten Formate nachzubilden. Auf Kuba verlassen derart ausgebildete Fachkräfte das Land derzeit in Scharen. Eine Herausforderung sind die Banderolen, die Kisten und die entsprechenden Siegel. Dort liegt für die Fälscher die grösste Gefahr aufzufliegen. Auch weil Habanos seine Sicherheitsmassnahmen laufend weiterentwickelt. So werden laut Fernández-Blanco Barrero einige Produkte neuerdings mit einem NFC-Chip ausgerüstet, um Fälschungen zu erschweren. Zudem habe man einen Online-Anti-Piraterie-Überwachungsdienst ins Leben gerufen.
Im Zuge der Recherchen hat Cigar zahlreiche kopierte Havannas gesammelt. Dabei fällt auf: Nachgebaut werden nicht nur die Formate der Prestigemarke Cohiba, sondern fast die gesamte kubanische Markenwelt. Und zwar teilweise so täuschend echt, dass die Fälschung nur im direkten Vergleich mit einem Original und nur anhand kleinster Unter- schiede an der Banderole oder an den Kisten identifiziert werden kann. Die grosse Frage dabei ist: Gibt es auch bei echten Havannas aus offizieller Produktion eine gewisse Schwankungsbreite respektive Abweichungen bei den Banderolen und Kisten?
Die Banderolen der Prestigemarke Cohiba werden seit Jahren in den Niederlanden gedruckt und dabei fast wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Auskunft gibt dort niemand. Fernández-Blanco Barrero bestätigt indes, dass sich das Motiv auf den Cohiba-Banderolen seit Jahren nicht verändert hat. «Der Indianerkopf liegt immer genau in der Mitte des weissen Randes. Es kann zwar je nach Drucktechnik und Material zu gewissen Unterschieden kommen, die sind mit blossem Auge allerdings nicht erkennbar.»
Schwieriger wirds bei anderen Marken, weil Habanos im Verlauf der Jahre ab und zu den Banderolen-Anbieter ausgewechselt hat. «Jede Druckerei arbeitet mit einer anderen Toleranz, deshalb kann das Aussehen der Bauchbinden etwas variieren, wobei stets hohe Qualitätsstandards eingehalten werden», so Fernández-Blanco Barrero.
Die Ineffizienz des kubanischen Wirtschaftssystems und die damit einhergehenden Schlupflöcher lassen zahlreiche Erzählungen der Fälscher glaubhaft erscheinen. Die Rede ist dann von einem alten Bekannten, der die Zigarren direkt in der Fabrik besorgt, oder noch besser: von einem höher gestellten Diplomaten mit angeblich direktem Zugang. Die meisten dieser Zigarren werden in Fälscherfabriken in Costa Rica oder Panama gerollt und über einschlägige Websites weltweit verkauft.
Die angeblich echten Havannas, die Rudolf R. jahrelang in der Zürcher Gastronomie vertrieben hat, stammen vom Onlinehändler solocigars.com. Laut der Webseite cigaranalysis.com handelt es sich dabei um einen notorischen Anbieter von Fälschungen. Diese würden in Nicaragua hergestellt. Die Firma selbst gehöre dem Kirgisen Andrey Yurechenco und nutze Adressen in Panama, Zypern sowie Hongkong.
Doch wie lassen sich gefälschte kubanische Zigarren erkennen? Am besten, indem man das eigene Hirn benutzt. Niemand verkauft echte kubanische Zigarren unter ihrem Wert, weder in Zürich noch in Madrid und ganz sicher nicht in Havanna. Mit der weltweiten Vereinheitlichung der Verkaufspreise seit einigen Jahren meint es Habanos sehr ernst; jede Abweichung, die sich über ein paar Prozente aus den normalen Devisenschwankungen ergibt, ist für den Käufer ein Alarmzeichen. Falls doch solche Zigarren auftauchen, handelt es sich entweder um falsche oder gestohlene Ware. «Konsumenten müssen sich bewusst sein, dass sie sich mit dem Kauf solcher Produkte am illegalen Handel beteiligen», sagt Fernández- Blanco Barrero.
Wer also sichergehen will, hält sich an den verifizierten Fachhandel und prüft die Kisten und Zigarren auf ihre Qualität. Für den Schweizer Markt hat Intertabak vor einiger Zeit ein zusätzliches – und bis heute nicht gefälschtes – Qualitätssiegel auf den Kisten eingeführt. Auch in anderen Märkten kämpfen die Importeure so gegen den Schwarzmarkt. Liegt trotzdem eine mutmassliche Fälschung vor, lohnt ein direkter Vergleich mit einem Original inklusive Kiste. Fachhändler, etwa in einem La-Casa-del-Habano-Geschäft, bieten dazu in der Regel gerne Hand.