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Cigar 3/2018

Traumwelt in Technicolor

Text: Delia Bachmann Fotos: Njazi Nivokazi
In Interlaken werden Helden geboren und auf Film gebannt. Bei einer Reise zu den Schauplätzen kommen spannende Geschichten auf den Tisch und die Sinnesfreuden nicht zu kurz.
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Das Bödeli zwischen den Seen Thun und Brienz bietet ein Bühnenbild, wie es kein Kulissenbauer besser hinbekommen hätte. Tiefblaues Wasser und mondäne Belle-Époque-Bauten, eingebettet in dichte Wälder und hohe Berge, die der Szenerie die nötige Dramatik verleihen. Kein Wunder, reisen Filmteams aus aller Welt hierher, um ihre Geschichten zu erzählen. Meist handeln diese von der grossen Liebe und ihren Hindernissen, immer aber von Helden, die zweifeln, kämpfen und am Ende über sich hinauswachsen – im Film wie auch im echten Leben. Denn gute Geschichten liefert Interlaken auch fernab der Leinwand. Und wenn sie auch nicht alle wahr sind, dann zumindest gut erfunden.

Über Ernst Voegeli gibt es gleich mehrere Geschichten zu erzählen, und alle handeln sie von Pferden. Da wäre die des Fuhrhalters in dritter Generation, der in Interlaken seit 35 Jahren einen grossen Kutschenbetrieb führt, daneben Reitschüler unterrichtet, Pferde züchtet und diese unter anderem dem Militär verkauft. Die des Sammlers, der neben einer mit viel Liebe und Geld restaurierten Kutschenkollektion aus dem 19. Jahrhundert auch einen fast 2000-jährigen Säbel sowie das Zaumzeug von General Guisan sein Eigen nennt. Und da wäre die Geschichte des Laienschauspielers, der als Kommandant bei den Berner Dragonern reitet, bei den Tellspielen schon fast jede berittene Rolle verkörperte und auch in grossen Filmen den einen oder anderen Auftritt hatte. Angefangen mit dem James-Bond-Streifen «Im Geheimdienst ihrer Majestät» von 1969.

Der damals 25-Jährige kutschierte die Schauspieler im autofreien Mürren zur Schilthornbahn – und wurde vom Regisseur spontan ins Drehbuch reingeschrieben. Seither waren Voegeli sowie seine Pferde und Kutschen in über 50 Produktionen zu sehen, von «Zauberberg» (1982) über «Sherlock Holmes» (2009) bis hin zur Neuverfilmungdes «Dällebach Kari» (2012) und etlichen Bollywood-Filmen. Für den grünen Heinrich (1993) gab er Mathias Gnädinger gar drei Wochen lang Reitunterricht. Abseits der Kamera schwingt sich Voegeli leider kaum noch auf den Kutschbock: «Nur, wenn die Queen kommt.» Im Stall in Unterseen steht der 73-Jährige hingegen jeden Tag, spannt Pferde an, prüft, ob die Scheuklappen sitzen, die Mähnen sauber und die obligaten Pferdewindeln – im Bürokratensprech Pferdeäpfel-Auffangvorrichtungen genannt – montiert sind. Noch sucht Voegeli nach einem Nachfolger. Bis jedoch das letzte Kapitel geschrieben ist, drehen seine Pferde und Kutschen auf dem Interlakener Höheweg und im Freilichtmuseum Ballenberg weiter ihre Runden.

Ein Abstecher ins Zentrum von Interlaken ist jenen zu empfehlen, die ohne Zigarrenproviant angereist sind. Hier hat die gelernte Krankenschwester Verena Steiner vor sechs Jahren ein Souvenir-Tabak-Lädeli übernommen und zu einem Fachhandel ausgebaut. Letztes Jahr zog der Tabakcorner in ein grösseres Lokal auf der anderen Strassenseite, wurde zum Davidoff-Depositär und das Sortiment noch breiter: Neben Zigarren aus allen wichtigen Herkunftsländern finden sich in Steiners Humidor auch Limitadas wie die Montecristo 80 Aniversario oder die Cohiba Talismán Edición Limitada 2017. «Die Limitadas laufen gut, gerade bei Leuten aus den Emiraten. Wir leben aber vor allem von unserer Stammkundschaft», so Steiner. Gesegnet mit einem guten Geschäftssinn konnte die Quereinsteigerin eine Filiale in Meiringen eröffnen. Geführt wird diese von ihrem Lebenspartner, was sich im Alltag als äusserst praktisch erweist: «Kommen wir am Abend nach Hause, wird erst einmal Ware ausgetauscht.»

Wer es nicht erwarten kann, sich eine der erstandenen Zigarren anzustecken, geht am besten ins Grand Café Schuh gleich um die Ecke. Die grosse Gartenterrasse bietet einen unverstellten Blick auf die Jungfrau und die Gleitschirmpiloten, die im Minutentakt auf der Höhematte landen. Bekannt ist das Traditionshaus, Baujahr 1818, für seine handgemachte Schokolade und Patisserie sowie seinen romantischen Gründungsmythos: Eine schöne Schokoladenverkäuferin, die von Verehrern aus dem ganzen Land umworben wird, gibt ihre Hand dem Schuhmacher, der ihr einen Schuh aus edelster Schokolade schenkt. Eine wahre Begebenheit?

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Gastgeber Thomas Michel weiss es nicht. Als Schauplatz von grossen Liebesgeschichten macht der Schuh aber allemal etwas her. So wurden im vorletzten November Szenen für den indonesischen Kinofilm «Satu Hari Nanti» in der Chocolaterie und im Café gedreht. Für ihre Begriffe sei das eine recht chaotische Sache gewesen, erzählt Michel, der selbst schon als Statist vor der Kamera stand: «Solange die Dreharbeiten den Betrieb nicht übermässig stören, sind wir dafür offen.» Das ist auch im Sinne der Tourismusorganisation, über welche die meisten Anfragen laufen.

Den Grund dafür muss man nicht lange suchen. Er steht einen dreiminütigen Spaziergang entfernt im Kursaalgarten und heisst Yash Chopra. Mit der lebensgrossen Bronzestatue ehrte die Gemeinde den berühmten indischen Regisseur und Produzenten, der 2012 verstarb und dem sie viel zu verdanken hat. Zehn Filme drehte der «König der Romanzen» im Berner Oberland und inspirierte viele Bollywood-Kollegen dazu, es ihm gleich zu tun. Jedes Jahr reisen Zehntausende Touristen an, auch um die Schauplätze ihrer Filmhelden mit eigenen Augen zu sehen und ihre Lieblingsszenen nachzustellen.

Chopra prägte das Bild der Schweiz als heile Bergwelt, in der eine Heldin schon mal den Zug verpasst, weil sie am Kiosk eine Kuhglocke kauft. Zum Glück sind dann grosszügige Chaletbesitzer mit freien Zimmern zur Stelle und freundliche Polizisten, die sich nicht mit Lappalien wie fehlenden Führerscheinen aufhalten. Die Szenen stammen aus dem dreistündigen Film «Dilwale Dulhania Le Jayenge», einem Meilenstein in der Geschichte des Bollywood-Kinos. Im Maratha-Mandir-Kino in Mumbai läuft der Kassenschlager seit 1995 ohne Unterbruch. Als das Kino vor drei Jahren versuchte, den Film aus dem Programm zu nehmen, protestierten die Leute laut und erfolgreich dagegen.

Den Wert eines Klassikers weiss auch Dominik Gyger zu schätzen. Seit sieben Monaten managt der 37-Jährige die Bar des Grand Hotels Victoria-Jungfrau – und stellte diese gehörig auf den Kopf: «Die Karte ist die Visitenkarte des Chef de Bar, eine persönliche Empfehlung, auf welche Reise er seine Gäste schicken möchte.» Wilde Kreationen mit überbordender Dekoration wird man darauf nicht finden, dafür klassische Cocktails aus drei Jahrhunderten. Auf einer glamourösen Zeitinsel wähnt man sich spätestens, wenn jemand eine Flasche Champagner bestellt: Dann bietet Dominik Gyger an, die Flasche mit dem Sabrage-Säbel zu köpfen oder dabei zu assistieren. Bei der Technik, die unter Napoleons Offizieren populär wurde, gleitet die stumpfe Klinge dem Körper der Flasche entlang und trifft sie an ihrer Schwachstelle knapp unter dem Kragen. Den Rest erledigt der Überdruck, oder anders gesagt: «Mit Prosecco funktioniert es nicht.»

Wer einfach nur aus dem allsommerlichen Touristenstrom ausbrechen und gemütlich eine Zigarre rauchen möchte, setzt sich auf die Terrasse oder in den Salon Davidoff. Die geräumige Lounge verfügt über einen gut sortierten Humidor und grenzt direkt an die Victoria Bar. Allein beim Whisky stehen 50 Begleiter zur Verfügung. Weil das Gute bekanntlich nahe liegt, fällt die Wahl auf den Swiss Mountain Single Malt Whisky «Ice Label» aus Matten bei Interlaken. Dieser wird von der Rugenbräu AG destilliert, erst im Felsenkeller in Oloroso-Sherry-Fässern gelagert und dann in einer Eisgrotte auf dem Jungfraujoch bei minus vier Grad Celsius ausgereift. Jedes Jahr wird eines der nur neun Fässer abgefüllt und ein neues hochgebracht. So weit, so spektakulär. Aber macht das einen Unterschied? «Bei einem Drittel weniger Luftdruck tauscht sich das Fass anders mit der Umgebung aus. Ausserdem verringert die tiefe Temperatur den Angels Share und verlangsamt die Reifung», erklärt Master Distiller Kurt Althaus: «Dadurch nimmt man den Ice Label trotz den 56 bis 58 Volumenprozenten als sehr fein wahr.»

Bei einem Gläschen an der Eisbar kann man gleich selbst testen, wie der Whisky auf 3454 Metern über Meer schmeckt. Gut gewählt ist die Bühne im ewigen Eis allemal, auch wenn sie geteilt werden muss. Denn das Joch gehört für viele Filmteams zum Pflichtprogramm. Pro Jahr gibt es 50 Produktionen in der Region – von denen man weiss. Denn eine Drehbewilligung braucht es nicht, Regeln gibt es aber schon. So liegt das Joch in der Flugverbotszone, und es sind auch schon Drohnen abgestürzt. Wenn es blöd läuft, landet das teure Equipment in einer Gletscherspalte oder muss von einem Bergführer geborgen werden. Ob das Verbot enthusiastische Cineasten abschreckt, ist zu bezweifeln. Zu gross ist die Versuchung, die traumhafte Schneelandschaft aus der Vogelperspektive einzufangen.

Einen Abstecher wert

Tabakcorner
Der Davidoff-Depositär ist das einzige Tabakfachhandelsgeschäft in Interlaken. Der von Verena Steiner geführte Laden verfügt über ein breites Zigarrensortiment sowie eine grosse Auswahl von elektronischen Zigaretten, Verdampfern sowie Liquids.
Jungfraustrasse 45, 3800 Interlaken, 033 822 54 55, www.tabakcorner.ch

Grand Café-Restaurant Schuh
Das Traditionshaus war schon vor über 100 Jahren über die Landesgrenzen hinaus für seine Schokoladenkreationen und Patisserie bekannt. Eine eher jüngere, mit dem Bichsel Laboratorium entwickelte Spezialität ist das «Pavé du soleil», ein mit Vitamin D angereichertes Schokoladen-Vanille-Praliné.
Höheweg 56, 3800 Interlaken, 033 888 80 50, www.schuh-interlaken.ch

Rugen Distillery
Unter dem Dach der Rugenbräu AG wird längst nicht mehr nur Bier gebraut. Neben einem Bierbrand und edlen Whiskys, etwa dem Swiss Mountain Single Malt Whisky «Ice Label», produziert Rugenbräu mit dem Swiss Crystal Gin seit 2016 auch einen Wacholderbrand.
Wagnerenstrasse 40, 3800 Matten b. Interlaken, 033 826 46 46, www.rugenbraeu.ch

Raucheroasen in der Region

Victoria-Jungfrau Grand Hotel & Spa
Mit dem Salon Davidoff verfügt das Grand Hotel am Interlakener Höheweg über eine Zigarrenlounge, die der erstklassigen Victoria Bar würdig ist. Entsprechend gut sortiert ist der transparente und mit Tabakblättern geschmückte Humidor: Von Davidoff ist fast alles da, dazu kommt eine schöne Auswahl an kubanischen Zigarren. Speziell im Angebot hat das Haus auch Pairings mit Zigarren und Cocktails.
Höheweg 41, 3800 Interlaken, 033 828 28 28, www.victoria-jungfrau.ch

Hotel Eden Spiez
Situiert am Südufer des Thunersees in einer idyllischen Parkanlage bietet das Vier-Sterne-Superior-Resort alles, was das Herz begehrt. Ein besonderer Genussort ist die stilvoll-moderne Smoker Lounge, in der regelmässig Zigarrenevents stattfinden. Zum klassischen Zigarrensortiment mit einem Schwerpunkt auf kubanischen und dominikanischen Provenienzen werden edle Brände von nah und fern gereicht.
Seestrasse 58, 3700 Spiez, 033 655 99 00, www.eden-spiez.ch

Restaurant & Hotel Schlossberg

Die Gemäuer des mittelalterlichen Schlosses Thun laden Geniesser aller Couleur zum Verweilen ein. Im Sommer steht im Schlosshof ein mobiler Humidor zur Verfügung. Im Winter ziehen sich Zigarrenliebhaber in die auf Anfrage geöffnete Smokers Lounge mit Bar im Dachstock zurück. Das Haus setzt nicht nur beim Whisky auf Schweizer Provenienzen, auch die La-Fuente-Zigarren werden bei einem Importeur aus Köniz bei Bern bezogen.
Schlossberg 2, 3600 Thun, 033 227 75 00, www.schlosshotelthun.ch