Big Smoke
Eine Hommage an den Genuss
Sind Zigarren etwas Lustiges? Spontan würde ich sagen: Ja! Nur schon von der Form her. Die ist doch eindeutig lustig. Im Gegensatz zu einer komplett unlustigen Form wie etwa einem Dodekaeder. Es käme auch niemandem in den Sinn, sich ein Dodekaeder in den Mund zu stecken und anzuzünden, oder?
Aber warum ich mich hier überhaupt mit dieser Frage beschäftige: Cigar-Chefredaktor Hüberli hat mir folgende Mail geschrieben: «Lieber Gion, ich finde, du wärst der Richtige, um im Cigar über Humor und Zigarrenrauchen zu schreiben. Die nächste Ausgabe muss lustig werden, weils überall sonst so tieftraurig ausschaut.»
Mit dem letzten Punkt hat Hüberli recht. Aber der Druck, der auf mir lastet, ist enorm. Wehe, es wird in den kommenden Zeilen nicht lustig! Dann ist die Welt verloren.
Verzweifelt versuche ich, mich daran zu erinnern, wann ich wegen einer Zigarre zum letzten Mal so richtig lachen musste. Mir fällt nichts ein. Ausser einem Walt-Disney-Comic, in welchem dem dicken Kater Karlo eine Zigarre im Gesicht explodierte. Aber den habe ich anno 1981 gelesen, als ich sieben Jahre alt war.
Meine einzige Rettung: Humor-Experten in meinem Bekanntenkreis. Können sie mir mit einem Witz oder et- was Ähnlichem aus der Patsche helfen?
Der Erste, den ich anfrage, ist Satiriker Dominic Deville. Innert zwei Minuten schreibt er mir zurück: «Alles Lustige, was im Zusammenhang mit Zigarren gemacht wurde, findet sich hier drinnen», und dazu attacht er mir ein Foto mit dem Cover von «Tim und Struppi – Die Zigarren des Pharaos». (Habe ich nie gelesen, ist aber bestimmt ein guter Tipp.)
Im Laufe des Tages trudeln die folgenden Antworten bei mir ein:
Peach Weber, the one and only: «Das Einzige, was mir halbwegs zum Thema in den Sinn kommt: Herr Schneider ist auf Besuch bei Bekannten. Nach dem Essen fragt er: ‹Dürfte ich mir vielleicht eine Zigarre anzünden?› – ‹Fühlen Sie sich wie zu Hause.› – ‹Gut, dann halt nicht.› Dürftig für einen Weltklasse-Komiker, ich weiss ...»
Pablo Haller, Nachwuchskomiker aus Luzern: «Nach dem Rauchen einer Queen of Hearts, Ringmass 54, aus dem Hause Arturo Fuente war ich fix und fertig und hatte folgenden Albtraum: Die Herzkönigin aus Alice im Wunderland stapfte auf mich zu und schrie: ‹Off with his ass!› (‹Weg mit seinem Arsch!›) Krabbenfarbige Zigarrencutter umzingelten mich. Einer zwickte mir den Hintern ab. Im nächsten Moment zündete ein vorbeirollender Reifen mein Haupt an. Die Herzkönigin sog an meiner neu entstandenen Öffnung und gab ein wohliges Geräusch von sich.»
Adrian Stalder, stets fideler Hotel- und Gastrokonzepter: «Ein Zigarrenwitz? Was haben Hamster und Zigarre gemeinsam? Bei beiden passiert nicht viel – bis man sie in den Mund steckt und anzündet.»
Almi, die berühmteste Zahnlücke der Schweiz: «Hi Gion, hier ein Witz: Ein Vertreter klingelt an der Tür. Fritzchen öffnet, im Mund eine dicke Zigarre und in der Hand ein Glas Whisky. Irritiert fragt der Vertreter: ‹Sind deine Eltern da?› Grinst Fritzchen zurück: ‹Sieht es etwa so aus?› PS: Du könntest erwähnen, dass es von mir eine eigene Zigarre auf dem Markt gibt, mittelstark, mit Tabak von Davidoff, siehe Bild im Anhang.»
Kliby, von Kliby und Caroline: «Vor 20 Jahren lag ich im Spital auf der Intensivstation nach zwei Schlaganfällen. Der Arzt kam ans Bett und meinte: ‹Herr Kliby, Sie rauchen auch? Ich habe es schon gerochen, als Sie heute morgen eingeliefert wurden. Es wäre besser, wenn Sie es sein lassen könnten.› Ab diesem Moment habe ich keine Zigarette bzw. Zigarre mehr angezündet. Dafür hole ich mir beim Metzger öfter einen Stumpen = etwas grösser als ein Cervelat, den ich mir dann auf dem Grill zubereite. Liebi Grüess us Chrüzlinge.» (Hm ... die ersten Sätze klangen noch nach dem Auftakt eines klassischen Witzes, aber es war dann gar keiner.)
Herr Hürzeler, bekannt von seinen Nonsens-Briefen: «Am kommenden Wochenende werden mich Tante Kimberly und Onkel Clifford besuchen. Ich bin ein einjähriger Mann und Tante Kimberly wird an diesem Tag vierzehn. Ich schenke ihr ein künstliches Hüftgelenk aus einem Onlineshop mit Rang und Namen sowie einen Zigarrenziehkarren. Auf dem Geburtstagskuchen werden vierzehn brennende Zigarren stehen. Den Sonntag werden wir auf der Eckpolstergruppe auf Onkel Cliffords Luftkissenboot verbringen und Zigarren rauchen, das tut Tante Kimberly nämlich am liebsten.»
Dr. Christoph Meister, Germanist und Spezialist für komische Stellen bei Thomas Mann: «‹Wie schmeckt der Krautwickel, Castorp?› Mit diesen Worten wendet sich Hofrat Behrens, ärztlicher Direktor des Sanatoriums Berghof in ‹Der Zauberberg›, an Hans Castorp, den jugendlichen Besucher aus dem Tiefland. (Der Krautwickel ist eine Maria Mancini, eines der Leitmotive in einem Jahrhundertroman und somit eine der berühmtesten Zigarren der Weltliteratur.) Der Hofrat gerät ins Erzählen: Am liebsten hätte er immer nur schwere Havannas geraucht, sie aber nicht vertragen. Einmal habe er ‹zwei kleine Henry Clays ans Herz genommen›, die ihn ‹um ein Haar unter den Rasen› gebracht hätten: ‹Eisbeine, kalter Schweiss, wo Sie wollen, linnen-weiss das Gesicht, das Herz in allen Zuständen, der Puls holterdipolter, das Gehirn in einer Aufregung. Ich war überzeugt, dass ich abtanzen sollte.› Gleichwohl war es ‹höchst fidel und eine rechte Festivität, obwohl ich ganz und gar aus Angst bestand›. – Diese Vorstellung vom Sterben als einem fidelen Abtanzen in den Tod nach Zigarrengenuss hat mich immer sehr angesprochen.»
Karpi, Comedian und Dozent für künstliche Intelligenz: «Als Nichtraucher lösen Zigarren viele Fragen aus bei mir. Zum Beispiel: Gibt es neben E-Zigaretten und E-Joints auch bereits E-Zigarren? Sehen die aus wie qualmende Blockflöten? Können Zigarren wirklich explodieren oder tun sie das nur in Stummfilmen? Und welche Körperteile fallen Zigarrenschneidern am häufigsten zum Opfer?»
Andrin C. Willi, Epicurean Consultant mit rabenschwarzem Humor: «Es gab auf der Welt nur drei Menschen, die Zigarren mit Humor verbinden konnten: Mark Twain, Groucho Marx und Winston Churchill. Twain sagte einst: ‹Menschen sind wie Zigarren: Beide werden am Anfang gewickelt, lassen sich später entflammen und enden als Asche.› Marx antwortete auf die Bitte seiner Frau, mit dem Rauchen aufzuhören: ‹Nein, aber wir können gute Freunde bleiben.› Und Churchill fühlte sich nur deswegen zu 200 Prozent in Form, weil er viel trinke, wenig schlafe und eine Zigarre nach der anderen rauche.»
Voilà. Das ist, was meine kleine Umfrage ergab.
Ich wollte mich dann doch nicht lumpen lassen und für die Schlusspointe selbst verantwortlich zeichnen. Und so wandte ich mich mit folgender E-Mail an die Clinton-Foundation in New York: «Dear former U.S. President Bill Clinton, I hope you are doing well! I have an unusual request: I am writing an article about cigars and humor for the Swiss Cigar magazine. Would you have a joke about cigars or an idea of something funny you could do with a cigar? Either way, I wish you all the best from Schwamendingen: Gion Mathias Cavelty.»
Die Antwort von forms@clintonfoun- dation.org kam postwendend: «Please be assured that your email will be read. However, due to the high volume of emails we receive, we may not be able to respond to each email individually. We appreciate your understanding and patience. Thank you for your support.»
Ich warte heute noch auf eine Antwort (ha, ha, ha) ...