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Cigar 4/2019

«VOR BIER FEHLT ES AN RESPEKT»

Interview: Virginia Nolan Fotos: Njazi Nivokazi
Ein Bier zur Zigarre? Diese Kombination ist vielen fremd. Biersommelier und Genussraucher Beat Hofmeister erklärt, warum sich Aficionados darauf einlassen sollten.
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Wie geniessen Sie persönlich Ihre Zigarre am liebsten?
Beat Hofmeister: Am wichtigsten erscheint mir, dass man sich genügend Zeit nimmt, die Musse und die innere Ruhe dafür mitbringt. Von alledem habe ich reichlich. Und dann brauchts einen bequemen Sessel und die richtige Begleitung, für mich darf sie gerne in Form einer schönen Frau und des passenden Getränks daherkommen.

Womit wir beim Stichwort sind: Das Vorurteil, Bier passe nicht zu Zigarren, hält sich hartnäckig.
Das hat damit zu tun, dass die meisten Schweizer wenig Ahnung haben von Bier, Bierstilen und den damit verbundenen Möglichkeiten im Hinblick auf Aromen. Vorurteile haben immer mit Unwissenheit zu tun. Worin liegt diese begründet? In der Schweiz wird seit Jahrhunderten gebraut, Bier hat sich aber nie als Kulturgut etabliert, wie es etwa in Deutschland oder Belgien der Fall ist. Dort gilt Bierbrauen als hohe Kunst, die man stets verfeinert. Hierzulande war zuletzt das Bierkartell der grösste Hemmschuh für eine solche Entwicklung. Es kontrollierte von 1935 bis 1991 den Markt, diktierte die Preise und wies jeder Marke ein Gebietsmonopol zu. Das verhinderte jede Innovation, es gab fast nur Lagerbier. Und in der Gastronomie fehlte es an geschulten Fachkräften, die uns Bier in seiner Vielfalt hätten näherbringen können. All diese Faktoren trugen dazu bei, dass der Schweizer Bier nicht als Genussmittel wahrnahm – und ihm ein einschlägiges Image verpasste.

Nämlich?
Der landläufigen Meinung zufolge war Bier etwas für Bauarbeiter und Büezer, für jene, die schuften und zum Ausgleich saufen. Solche Klischees wirken bis heute nach. Etwa, dass es sich für eine Frau nicht schicke, Bier zu trinken. Bierkulturländern wie Deutschland, England, Tschechien oder Belgien ist dieses Vorurteil fremd. In der Schweiz hingegen assoziierte der Normalbürger Biertrinken während Jahrzehnten mit banalen, niederen Motiven. Wein betrachtet er demgegenüber automatisch als Kultur- gut, so mies er auch sein mag. Vor Bier fehlt es an Respekt. Das hat sicher nicht geholfen, es bei denen zu etablieren, die sich, wie Zigarrenraucher, als kultivierte Genussmenschen verstehen.

Warum lohnt es sich doch, sich auf Bier als Begleiterin zur Zigarre einzulassen?
Weil es viel zu entdecken gibt. Zweifellos sind ein schön temperierter spanischer Brandy, ein feiner Cognac oder ein nicht zu kräftiger Whisky als Zigarrenbegleiter sichere Werte. Sie gehen immer, wenn nicht grad zwei geschmackliche Extreme aufeinandertreffen, und sind für den Gaumen sehr zugänglich. Bier ist demgegenüber eine komplexere Geschichte, was die Sache umso spannender macht. Das Interessante liegt darin, zu experimentieren, sich an geschmackliche Offenbarungen heranzutasten, die nicht gleich auf der Hand liegen.

Was gilt es dabei zu beachten?
Zunächst einmal darf das Bier nicht zu kalt sein. Für leichtere, untergärige Biere wie ein Pils sind sechs bis acht Grad, für obergärige, kräftigere Bierstile wie Trappist, Stout, Porter oder Pale Ales acht bis zwölf Grad ideal. Von eiskaltem Bier, das mit drei bis fünf Grad daher- kommt, würde ich sowieso abraten: Die Kälte macht den Gaumen taub für Aromen. Manche Genussraucher machen den Fehler, dass sie die Zigarre vor dem Bier probieren oder erst dann zum ersten Schluck ansetzen, wenn die Zigarre bereits ihre würzigsten Noten offenbart. Tatsache ist, dass selbst eine mittelkräftige Zigarre Geschmacksknospen und Geruchsinn so stark in Beschlag nimmt, dass diese hinterher keine Chancen ha- ben, Nuancen im Bier wahrzunehmen. Ganz grundsätzlich verlangen Zigarren nach charaktervollen Bieren, Lagerbier etwa ginge unter.

Vielen Aficionados ist Bier als Zigarrenbegleiterin fremd. Welche Kombination eignet sich, um das Eis zu brechen?
Einsteigern empfehle ich milde, zart-feine Zigarren, wie sie beispielsweise die Signature-Linie von Davidoff anbietet. Dazu passt ein Pils, kein allzu herbes, also nicht zu nordisch. Pils hat deutlich mehr Eigengeschmack als ein Lager, ist aber nicht zu komplex, und seine herben Hopfennoten bilden einen schönen Kontrast zur leichten Süsse der Zigarre. Die Devise, dass gleich und gleich sich gern gesellt, hat sicher Gültigkeit, was den Stärkegrad von Bier und Zigarre betrifft: Ein leichtes Bier macht sich gut mit einer milden Zigarre, ein kräftiges verträgt würzigere Rauchnoten. In Sachen Aroma sieht es wieder anders aus.

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Inwiefern?
Da können Gegensätze sich durchaus anziehen, also komplementäre Aromen den Gaumen verwöhnen. So funktionieren etwa ausgeprägt süssliche Zigarren bestens mit sehr herben Bieren. Das ist beim Essen nicht anders. Beispielsweise ist ein Irish Stout wie Guinness oder Murphy’s der perfekte Begleiter zum Tiramisu: Seine herben, kaffeebitteren Noten kontrastieren hervorragend mit der Süsse des Desserts.

In der Schweizer Bierszene hat sich viel getan. Wie steht es denn heute um heimische Biere?
Sie sagen es: Es hat sich viel getan. Heutzutage gibt es hierzulande viele Kleinbrauereien. Das finde ich begrüssenswert. Problematisch dünkt mich, wenn höhere Vielfalt automatisch mit besserer Qualität gleichgesetzt wird – alles ist besser, wenn die Kartellära als Vergleich herangezogen wird. Die Annahme, Kleinbrauereien produzierten besseres Bier, gegen das die «Massenware» der Grossen nicht ankomme, ist in der Schweiz ungemein populär. Mit der Realität hat sie nichts zu tun. Tatsache ist, dass es Kleinbrauereien gerade bei den beliebtesten Bierstilen wie Lager oder Pils niemals mit den Grossen aufnehmen können, wenn es um Qualität, deren Konstanz und das Preis-Leistungs-Verhältnis geht. Zu gross ist der Vorsprung, den die Branchenschwergewichte im Hinblick auf Infrastruktur und Know-how haben.

Wo sehen Sie für die Kleinbrauereien konkret Potenzial?
Wer als Kleinbrauerei erfolgreich sein will, sollte zuerst von den Grossen lernen und sich dann auf Spezialitäten konzentrieren. Ich sage jetzt bewusst nicht «eine Nische besetzen», denn das dürfte schwierig werden. Heute sind ja auch speziellere Bierstile wie Summer Ales, Indian Pale Ales oder neuerdings Sour Beers in aller Munde. Wie gesagt: Die Qualität einer Brauerei hängt nicht von ihrer Grösse ab. Und übrigens ist auch Swissness kein Garant dafür. Viele heimische Brauereien machen tolle Produkte, was nichts daran ändert, dass die Schweiz in dieser Domäne kein Spitzenreiter ist. Die besten Biere kommen aus anderen Ländern. Ich denke da vor allem an Belgien, Deutschland, Tschechien, England, Irland und die USA.

Dankeschön
Das Interview mit Beat Hofmeister fand mit freundlicher Genehmigung der Betreiber in der zur Brasserie Louis gehörigen Tina Bar im Zürcher Niederdorf statt. Die Biere für die Pairing-Empfehlungen wurden uns von der Amstein SA zur Verfügung gestellt.

www.brasserie-louis.ch
www.amstein.ch