Zwischen den Kontinenten | Cigar Newsletter abonnieren
Cigar 3/2016

Zwischen den Kontinenten

Interview: Tobias Hüberli Fotos: Njazi Nivokazi
Robert Caldwell ist eine motivierte Persönlichkeit, ein Unternehmer, mit exzellenten Zigarren im Portfolio und einer Kreativität, die ihresgleichen sucht. Im Interview spricht der Gründer von Caldwell Cigars über seine Ziele in Europa und über die Schwierigkeiten in den USA.
niv_5361.jpg

Tabake aus der Dominikanischen Repub­lik faszinieren Sie, weshalb?
Robert Caldwell: Persönlich bevorzuge ich milde bis mittelstarke, aromareiche Tabake. Jene aus der Dominikanischen Republik passen sehr gut zu mir. Sie sind leider mit dem Stigma behaftet, leicht zu sein. Dazu beigetragen haben die Produkte von grossen Anbietern wie etwa General Cigar oder die klassischen Linien von Davidoff. Die ganze Welt glaubt, es werde in der Dominikanischen Republik nur milder Tabak angebaut. Dabei existiert auf der Insel ein grosses Spektrum an unterschiedlichen Tabaken mit unzähligen Geschmacksprofilen.

Warum arbeiten Sie hauptsächlich mit domini­kanischen Tabaken?
Es ist einfach, Zigarren zu blenden und zu entwickeln, wenn man Material hat, das man mag. Jedes Produktionsland hat seine Eigenheiten beim Anbau oder der Fermentation. Ich finde, in der Dominikanischen Republik leben die Bauern in einer fast schon romantischen Beziehung zum Tabak. Sie behandeln ihn wie ihre Kinder. Einer unserer Lieferanten wollte wissen, in welche Zigarre wir seinen Tabak einarbeiten, bevor er uns die Ballen verkaufte. Ich musste ihm eine Testzigarre anfertigen lassen. Er war sich nicht sicher, ob wir seines Tabaks würdig sind.

Es heisst, sie seien als 19­-Jähriger ein anständiger, drogensüchtiger, athle­tischer Schulabbrecher gewesen.
Ich hatte in meiner Jugend sehr viele Probleme, aber auch zahlreiche Gelegenheiten, mich zu ändern, vor allem dank meiner Mutter. Allerdings hatte ich nie den Willen dazu. Bis ich eines Tages aufwachte und beschloss, mein Leben nicht fortzuwerfen. Ich ging – zum fünften Mal – für drei Monate in eine Reha- Klinik. Die Entscheidung rettete mir das Leben, keine Frage. Es war aber auch interessant, weil die meisten jungen Menschen mit 20 Jahren erst anfangen, Party zu machen. Bei mir hingegen hatte sich der Staub bereits gelegt: Ich wusste ziemlich genau, was ich machen wollte.

Zigarren produzieren?
Es ging damals nicht so sehr um eine konkrete Karriere, aber ich wusste, dass ich reisen und das Leben geniessen möchte. Und dass ich ein Unternehmer werden will.

Sie gründeten in zehn Jahren drei Firmen, weshalb entschieden Sie sich für das Zigarrenbusiness?
Als 20-Jähriger war Tabak für mich das Licht am Ende eines langen Tunnels. Natürlich mochte ich Zigarren, vor allem aber bot mir der Tabak die Möglichkeiten, die ich als Unternehmer suchte.

Zuerst produzierten Sie exklusive Zigarren für Hotels und Restaurants in Miami, dann folgte 2012 die Wynwood Cigar Factory, eine interessante Idee mit abrup­tem Ende.
Im Hotel-Geschäft bin ich noch immer involviert, allerdings nur noch als Investor, die Leitung obliegt meinem Cousin. Wynwood hingegen war ein wirklich cooles und auch erfolgreiches Konzept. Wir rollten, packten und verschickten die Zigarren am selben Tag. Leider hatten mein Geschäftspartner und ich unterschiedliche Vorstellungen, also verliess ich das Unternehmen.

Und gründeten acht Monate später die Caldwell Cigar Company.
Genau. Wynwood war ein sehr künstlerisches, eigenes Konzept. Mit Caldwell Cigars wollte ich diese Linie zwar weiterverfolgen, aber auch verfeinern. Das Design der Marken Eastern Standard oder Long Live the King ist eigentlich eine erwachsene Version von Wynwood. Es versuchen ja viele, ins Zigarrenge­schäft einzusteigen. Was braucht es für den Erfolg? Das Business ist hart, und es hätte nie funktioniert, wenn ich zum Beispiel eine Flor de Roberto gegründet hätte. Es brauchte eine komplett andere Herangehensweise und viel Kreativität. Heute sehe ich in vielen anderen Branchen ebenso Möglichkeiten, mit diesem kreativen Ansatz Ähnliches zu erreichen.

Zum Beispiel?
Im Bereich von Olivenöl; da arbeite ich derzeit an einem Projekt.

niv_5490.jpg
niv_5469.jpg
niv_5453.jpg
niv_5358.jpg
niv_5310.jpg
niv_5378.jpg


Seit letztem Jahr exportieren Sie Ihre Zigarren nach Europa, seit Dezember auch in die Schweiz. Ihr Fazit?
Für einen US-amerikanischen Zigarrenproduzenten ist der europäische Markt in der Regel unwichtig, weil er in dessen Augen höchstens Kleingeld abwirft. Zudem sind die kubanischen Zigarren stark verankert, wobei man schätzt, dass ein Drittel davon über Europa in die Vereinigten Staaten verschickt wird. Der europäische Markt ist kompliziert und teuer. Man muss sich genau überlegen, welche Zigarren zum Beispiel in Frankreich und welche in der Schweiz funktionieren könnten. Dazu kommen unterschiedliche Sprachen, Verpackungsvorschriften und Steuern.

Wieso verkaufen Sie Ihre Zigarren denn nicht einfach in den USA?
Letztes Jahr erfuhr ich, dass Joya de Nicaragua 50 Prozent seines Umsatzes ausserhalb der USA erwirtschaftet. Klar, das US-Embargo gegen Nicaragua in den Achtzigerjahren spielte dabei eine wichtige Rolle. Aber ich bin eine sehr kompetitive Person, also sagte ich mir: Ich will in Europa Erfolg haben. Dafür muss man ständig reisen, ich splitte meine Zeit zwischen den beiden Kontinenten, aber ich bin 33, habe keine Freundin und keine Verpflichtungen. In Schweden fand ich einen Importeur, dem ich sagte: Ich bin nicht der Grösste, nicht der Beste, aber ich arbeite am härtesten. Wir schickten ihm eine Ladung Zigarren und dachten, das reicht jetzt mal für ein Jahr. Innert fünf Wochen kam die nächste Bestellung.

Und wie ist der Stand heute?
Wir sind jetzt in sieben europäischen Ländern präsent und generieren bereits etwa 15 bis 20 Prozent des Umsatzes in Europa.

Sie wirken relativ entspannt, obwohl die neuen Verordnungen der US-­amerikanischen Food and Drug Administration seit August gerade junge Unternehmen wie Ihres hart treffen.
Entspannt ist das falsche Wort. Es ist, wie es ist, und wie es ist, wissen wir noch nicht. Es ist kompliziert, aber ich befürchte, es bedeutet der plötzliche Tod für ganz viele Marken, Blends und Formate in den USA.

Welche Überlebensstrategie verfolgen Sie?
Ich sehe die Möglichkeit, ein paar unserer Zigarren durch das Verfahren zu bringen, aber es wird eine Menge Geld kosten. Wir sparen seit letztem Sommer dafür. Wichtig sind gute Kontakte zu anderen Herstellern, es braucht ein koordiniertes Vorgehen, als kleine Firma können wir die Kosten für Expertise, Consulting und Anwälte nicht alleine stemmen.

Also sind Sie zuversichtlich?
Ich bin nicht bereit, ein Leben in Angst zu leben. Wenn wir in drei Jahren nicht mehr im Geschäft sind, dann ist es halt so. Aber die grossen Zigarrenhersteller müssen ihre zwischen 2007 und 2016 lancierten Produkte auch durch das neue Bewilligungsverfahren bringen, sie sind auf diesen Umsatz angewiesen, sie werden Vorgehensweisen definieren, und ich hoffe, von denen profitieren zu können.

Als wie gross erachten Sie die Möglich­keit, nun noch neue Zigarren auf den US-­Markt zu bringen?
Da wird nichts mehr kommen. Ausser es passiert etwas Unerwartetes. Das Problem ist, dass niemand weiss, worum es geht. Wir haben eine Million Fragen und kriegen drei Antworten, die uns aber nicht weiterhelfen. Die Situation ist auch ein Grund, wieso wir in Europa Fuss fassen wollen. Persönlich denke ich, dass es nicht um eine Verordnung geht, sondern um eine Bestrafung, man will die US-amerikanische Tabakindustrie kaputtmachen, das geht ja überall auf der Welt in die gleiche Richtung.

Kreieren Sie eigentlich Zigarren, die Sie persönlich nicht mögen?
Ich mag alle meine Zigarren, allerdings mag ich nicht alle rauchen. Ein Winzer produziert ja nie nur einen Wein. Bei den Zigarren ist es ähnlich. Aus meinem Portfolio rauche ich etwa 10 bis 15 Prozent regelmässig, den Rest nur zur Qualitätskontrolle. Ich mag zum Beispiel keine Maduro-Zigarren, aber es gibt tausende Menschen, die das anders sehen, darum produziere ich sie auch. Meine beste Zigarre heisst The Last Tsar: Ich hatte ein klares Konzept im Kopf und setzte das genauso um. Rauchen kann ich die Zigarre aber nicht, sie ist mir zu stark.

Das jährliche Verkaufsmeeting der Cald­well Cigar Company organisieren Sie in Europa, das ist eher ungewöhnlich.
Als wir die Firma gründeten, fragten wir uns, was wir machen, wenn wir scheitern. Wir bezahlen nicht die höchsten Löhne, aber wir haben Spass und wir sind Freunde. Jeder Hersteller organisiert seine Verkaufsmeetings entweder in Honduras, Nicaragua, Miami oder auf den Bahamas. Also dachte ich, wir könnten unsere Angestellten nach Europa einladen, die Hälfte des Teams würde das aus eigenem Antrieb nie machen. Ich sagte mir, wenn wir scheitern, dann kann ich meinen Leuten wenigstens etwas bieten, das sie nie vergessen. Letztes Jahr waren wir in Sevilla, nächstes Jahr gehen wir nach Florenz.

Sie bereiten Ihre Leute auf den euro­päischen Markt vor? Es ist mir wichtig, zu zeigen, dass es im Leben eben nicht nur darum geht, viel Geld zu verdienen. Spanien eignet sich gut dafür. Die Leute verdienen dort teilweise 8000 Euro im Jahr, wenn sie ausgehen, gibts eine Portion perfekten Schinken und eine Flasche Bier irgendwo an einer Strassenecke. Und es ist völlig normal. Wenn Sie in den Staaten ein Mädchen dazu einladen, im Park ein Bier zu trinken, ruft es die Polizei. Es geht nur darum, wo man isst, nicht was oder mit wem. Die südeuropäische Kultur tut einem US-Amerikaner deshalb nur gut.

Robert Caldwell (33) wuchs in Miami auf. Er war ein schwieriges Kind, eines, mit dem die anderen nicht spielen durften, wegen dem schlechten Einfluss. Er wechselte mehrmals die Schule und experimentierte mit allerlei Substanzen. Als 19-Jähriger hatte er bereits vier Aufenthalte in Rehabilitationskliniken hinter sich. Erst der fünfte Versuch fruchtete. Caldwell beschloss, Unternehmer zu werden. 2006 gründete Caldwell die Hotel Humidor Company und begann, Zigarren in kleinen Chargen exklusiv für Hotels und Restaurants in Miami zu produzieren. Dafür arbeitete er vornehmlich mit kleinen Manufakturen in Honduras und der Dominikanischen Republik zusammen. 2012 gründete Caldwell zusammen mit Christian Eirora in Miamis Künstlerviertel die Wynwood Cigar Factory mit einem klaren Konzept: Die Zigarren wurden am gleichen Tag frisch gerollt, verpackt und an die Kunden versandt. Ein Jahr später überwarf sich Caldwell mit Eirora, verliess Wynwood und hob Anfang 2014 die Caldwell Cigar Company aus der Taufe. Seit Dezember sind drei seiner derzeit acht Marken (The King Is Dead, Long Live the King und Blind Man’s Bluff) in der Schweiz in fünf aus- gewählten Tabakfachgeschäften (Portmann, Maillefer, Manuel’s, Cigar Must und House of Smoke) erhältlich.

www.caldwellcigarco.com