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Falsche Kubaner: Alles noch viel schlimmer

Letzte Woche machten Cigar und finews.ch die Machenschaften des dubiosen Zigarrenhändlers Cubaruedi publik. Weitere Recherchen zeigen nun: Seine gefälschten Havannas wurden nicht nur im Tao’s, sondern auch an renommierten Adressen der Gourmetgastronomie weiterverkauft.

Text: Tobias HĂĽberli
Fotos: Chris Iseli - Tobias HĂĽberli

Das Restaurant La Zagra im Zürcher Seefeld-Quartier steht für eine süditalienische Küche und wird von den Testern des Gault&Millau seit Jahren mit 15 Punkten bedacht. Diese Wertung erhalten Restaurants, denen der renommierte Gourmetführer «eine hohe Qualität und Kochkunst» attestiert.

Die Parmigiana di melanzane, das Ossobuco, die sautierten Pilze sowie das Vitello Tonnato schmecken denn auch sehr gut. Auf ein Amuse-bouche – bei 15 Punkten eigentlich Pflicht – warten wir indes vergeblich. Für drei Vorspeisen, einen Hauptgang, eineinhalb Flaschen Wein, ein Dessert sowie einen Espresso bezahlen wir 330 Franken. Ausgesprochen günstig sind im La Zagra derweil die Zigarren – zumindest die kubanischen.

Wir kaufen eine Cohiba Siglo VI für 38 Franken, ein Schnäppchen könnte man meinen. Im Vergleich mit einem Original, das im Fachhandel rund 100 Franken kostet, wird die Fälschung offensichtlich: Der Indianerkopf auf der Banderole ist unsauber aufgedruckt, auch das Hologramm stimmt nicht.

Am vergangenen Freitag machte Cigar gemeinsam mit dem Finanz-Online-Medium finews.ch die Aktivitäten des dubiosen Zigarrenhändlers Rudolf R. alias Cubaruedi publik. Der 84-Jährige beliefert seit Jahren nicht nur Privatpersonen, sondern auch zahlreiche Zürcher Gastrobetriebe mit angeblich echten Havannas, darunter die Tao’s Bar oder das Restaurant Meat Me.

Weiterführende Recherchen zeigen nun: Mit dem La Zagra ist auch die Gourmetgastronomie der Limmatstadt betroffen. Auf unsere Anfrage reagiert Geschäftsführer Luca Gioia enttäuscht. «Wir arbeiten seit sieben Jahren mit Cubaruedi zusammen, bis jetzt hat noch nie ein Gast reklamiert.» Allerdings räumt Gioia auch ein, dass er sich mit dem Thema Zigarren nicht auskennt und seinem Lieferanten vertraut habe. Sämtliche von Cubaruedi gelieferten Zigarren – neben Cohiba sind das die Formate Montecristo Open Eagle sowie Romeo y Julieta Wide Churchill – habe er aus dem Verkehr gezogen und seinen Anwalt eingeschaltet.

Sieben Jahre lang lieferte Cubaruedi seine gefälschten Havannas ins Gault-Millau-Restauarant La Zagra.
Die gefälschte Edición Limitada (links) aus dem Restaurant Neue Real ist nur per Zufall als solche zu identifizieren.
Die Fälschungen (jeweils rechts) aus dem Restaurant Strauss unterscheiden sich nur beim genauen Hinsehen vom Original (links). (Foto: Chris Iseli)

Die Intertabak AG, offizielle Importeurin kubanischer Zigarren, muss sich nach den neuesten Befunden die Frage gefallen lassen, wie genau sie es mit der Durchsetzung der Markenrechte tatsächlich nimmt. So hat Cubaruedi seine Aktivitäten, selbst nachdem er 2018 von Cigar aufgedeckt worden war, munter weitergeführt. Zudem ist mittlerweile bekannt, dass beim Firmensitz der Intertabak in Pratteln bereits vor Wochen Hinweise auf gefälschte kubanische Zigarren in der Zürcher Gastronomie eingegangen sind.

«Nach unseren Informationen stellte Cubaruedi seine Aktivitäten 2018 ein, deshalb beschloss mein Vorgänger, keine weiteren Massnahmen zu ergreifen», sagt CEO Tony Hoevenaars.  Seit 2018 habe Intertabak nichts mehr über irgendwelche Aktivität von Cubaruedi gehört. Da nun klar sei, dass Rudolf R. seine Aktivitäten nie wirklich eingestellt habe, rate er der Markeninhaberin Habanos SA, rechtliche Schritte einzuleiten. Ebenfalls bestätigt Hoevenaars, dass Intertabak schon seit rund vier Wochen von gefälschten Kubanern in Zürichs Gastronomie Kenntnis hatte. «Wir waren an dem Thema dran, aber die Presse halt schneller.»

In den letzten Tagen hat die Redaktion von Cigar Hinweise auf noch mindestens fünf weitere Restaurants im Kanton Zürich erhalten, die von Rudolf R. beliefert werden. So zum Beispiel das Restaurant Strauss in Winterthur. Das Lokal in der Innenstadt ist für seinen gut gepflegten Weinkeller sowie seine feine Küche bekannt. In der Zigarrenbar spielt abends jeweils ein Pianist. Auch dort stossen wir auf ausschliesslich gefälschte kubanische Zigarren, wir kaufen eine Montecristo Open Eagle für 27 Franken sowie eine Cohiba Medio Siglo für 26 Franken. Das ist ein bisschen so, als würde man einen Golf Polo teurer verkaufen als einen Ferrari. Der ansonsten sehr kompetente Service-Angestellte gibt denn auch freimütig zu, dass er von Zigarren (noch) nicht sehr viel verstehe.

Eine Überraschung gibts im Restaurant Neue Real in Zürich. Neben einer gefälschten Cohiba Medio Siglo erstehen wir eine Romeo y Julieta Edición Limitada. Da auf der Zusatzbanderole kein Jahrgang vermerkt ist, müsste das Format, falls es sich um ein Original handelt, aus dem Jahr 2000 stammen. Alle späteren Limitada-Editionen wurden mit dem Jahrgang versehen. Und tatsächlich wurde im Gründungsjahr der mittlerweile legendären Serie eine Romeo y Julieta aufgelegt, allerdings hatte jene Zigarre ein komplett anderes Format. Ein Glück, denn optisch wäre die Fälschung als solche kaum identifizierbar gewesen.

Auf Anfrage von Cigar reagierte Mazen Rahmani, Geschäftsführer des Restaurants Neuen Real, sofort und entfernte die kopierten Kubaner aus dem Humidor. «Mein Vertrauen wurde von Cubaruedi missbraucht und dem guten Ruf des Lokals geschadet», so Ramani. Ein kleines Sortiment an Premiumzigarren will er weiterhin anbieten, allerdings nur noch von offiziellen Lieferanten.

«Wir arbeiten seit einigen Jahren mit Cubaruedi zusammen, bereits mein Vorgänger hat die Zigarren bei ihm eingekauft», antwortet Tuba Özdemir, Geschäftsführerin des Restaurants Strauss auf unsere Anfrage. Zu Reklamationen seitens der Gäste sei es nie gekommen, weshalb man die Zusammenarbeit nie hinterfragt habe. «Cubaruedi behauptet die Echtheit seiner Zigarren nachweisen zu können, wir werden der Sache umgehend selbstständig nachgehen und gegebenenfalls rechtliche Schritte einleiten», so Özdemir.  

Heute morgen meldete sich auch Rudolf R. alias Cubaruedi telefonisch auf der Redaktion. «Meine Zigarren sind allesamt echt», insistiert er. Man könne den Barcode auf seinen Kisten auf der Webseite von Habanos SA prüfen und so die Echtheit verifizieren. Laut Yannick Goetschy, Marketingverantwortlicher von Intertabak, sei es indes ein Leichtes, einen echten Barcode auf gefälschte Kisten zu drucken. 

Sicher ist: Bei den von Cubaruedi verkauften und von uns geprüften Zigarren handelt es sich allesamt um Fälschungen. Die auffälligen optischen Abweichungen der Banderole und der viel zu niedrige Preis lassen in der Kombination keinen anderen Schluss zu. Die Markeninhaberin Habanos in Kuba kontrolliert die internationale Distribution ihrer Zigarren sehr engmaschig. In den meisten Märkten ist sie sogar an den jeweiligen Importeuren wirtschaftlich beteiligt. Schon der Importpreis, den ihre eigenen Importeure für die Zigarren bezahlen müssen, dürfte ein Mehrfaches dessen betragen, was Cubaruedi seinen Kunden verrechnet. Er selbst ersteht die Zigarren noch bedeutend günstiger.

Über die Herkunft schweigt sich Rudolf R. zuerst aus, verrät seinen Lieferanten am Schluss aber doch noch. Es handle sich dabei um die Firma Solocigars. Diese wirbt auf ihrer Webseite mit 100 Prozent authentischen kubanischen Zigarren und einer weltweiten Auslieferung. Die Webseite Cigaranalysis.com kommt allerdings zu einem anderen Schluss. Bei Solocigars handle es sich um einen Anbieter von Fälschungen. Die Zigarren würden in Nicaragua hergestellt. Die Firma selbst gehöre dem Kirgisen Andrey Yurechenco und nutze Adressen in Panama, Zypern sowie Hongkong.

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