cigar | Falsche Kubaner in Zürich
Tabak total

Falsche Kubaner in Zürich

Derzeit werden in bekannten Restaurants der Limmatstadt kopierte Havannas als echte verkauft. Dahinter steckt ein alter Bekannter, den Cigar bereits vor sechs Jahren einmal ĂĽberfĂĽhrte.

Text: Tobias HĂĽberli

Das Restaurant Tao's liegt im Herzen der Zürcher Finanzwelt und ist ein beliebter Treffpunkt ebendieser. Die Zigarrenlounge des Lokals ist auf eine zahlungskräftige Kundschaft ausgerichtet, hinter der Bar prangt eine Flasche Cognac Remy Martin Louis XIII, die im Fachhandel fast 4000 Franken kostet, auf der Karte finden sich edle Weine und teure Zigarren. Erst nach und nach erkennt man die Brandlöcher in den Sitzen, nimmt die süsslich aromatisierte Raumluft wahr und fragt sich, ob das Etablissement wirklich so edel sei?

Auch beim Griff in den Humidor ist höchste Vorsicht geboten. Im Zuge einer gemeinsamen Recherche mit dem Online-Finanzmedium finews.ch erwerben wir Anfang Oktober im Tao's zwei angebliche Cohiba Siglo VI für jeweils 115 Franken. Bei der Degustation zeigt die Testzigarre keine der markentypischen Aromen und lässt jegliche Tiefe vermissen. Im Direktvergleich mit einer echten Cohiba Siglo VI wird die Fälschung offensichtlich: Der ikonische Kopf des Taíno-Indianers auf der Banderole ist nicht sauber aufgedruckt zudem stimmt die Breite des Cohiba-Schriftzugs nicht mit dem Original überein. Im Tao's bestätigt der Chef de Bar, dass die Cohiba-Zigarren von einem gewissen Cubaruedi stammen würden.

Dabei handelt es sich um einen alten Bekannten. 2018 machte Cigar die Geschäfte von Rudolf R. alias Cubaruedi erstmals publik. Der damals 78-Jährige belieferte neben Privatkunden auch diverse Restaurants. Auf seiner mittlerweile nicht mehr aktiven Webseite schrieb er: «Dank Direktimport aus Kuba bin ich in der Lage, auf den Listenpreisen von Intertabak bei den meisten Zigarren einen Rabatt von 25 Prozent zu gewähren.» Als Cigar ihn mit einer von ihm gehandelten, gefälschten Cohiba Behike 56 konfrontierte, stellte er die Angelegenheit als einmaligen Ausrutscher dar. Unsere Recherchen zeigen nun: das Gegenteil ist der Fall; Cubaruedi hat mit gefälschten Havannas in der Zürcher Gastronomie expandiert. Dies unter Ausnützung der allgemeinen Kubaner-Knappheit.

Wenige Tage später kaufen wir im Tao's weitere Test-Zigarren, eine Romeo y Julieta Wide Churchill für 26 Franken sowie eine Montecristo Open Eagle für 32 Franken. Beide Formate schmecken nicht einmal schlecht, sind aber leider ebenfalls Fälschungen. Eine aktuelle Preisliste von Cubaruedi fördert überdies erstaunliches zu Tage. Die 25-er-Kiste Cohiba Siglo VI verkauft er für lumpige 500 Franken. Für eine echte Box muss man im Fachhandel mindestens 2500 Franken berappen. Anders formuliert: An jeder gefälschten Cohiba Siglo VI verdient die Tao's Bar 95 Franken.

Die Tao's Bar verkauft die gefälschte Cohiba Siglo VI mit 95 Franken Marge.
Klare Fälschung: Das Format der im Restaurant Meat Me gekauften Behike (rechts) existiert gar nicht.
Auf der Banderole der gefälschten Behike (rechts) fehlt der Relief-Druck.
Tiefe Preise sind ein Indiz für Fälschungen: Die Cohiba Behike im Restaurant Meat Me kostete 80 Franken, im Fachhandel muss man rund 300 Franken dafür berappen.
Unser zweiter Testkauf im Restaurant Tao's.
Bei der kopierten Romeo y Julieta (links) stimmt die Schrift auf der Zusatzbanderole nicht. Auch die Prägung der Münzen auf der Hauptbanderole entspricht nicht dem Original.
Klarer Fall: Schrift und Breite der Zusatzbanderole entlarven die Fälschung (rechts).
Tiefe Preise sind ein Indiz für Fälschungen. Cubaruedi verkauft eine Kiste Cohiba Siglo VI für läppische 500 Franken. Eine echte kostet rund 2500 Franken.

Warum treibt das Geschäft mit Fälschungen gerade jetzt wieder Blüten? Kubanische Zigarren sind in der Schweiz nicht nur sehr teuer, sondern auch überaus knapp geworden. Die Intertabak AG, offizielle Schweizer Importeurin für kubanische Zigarren, steht seit Jahren vor der grossen Herausforderung, die immer geringer ausfallenden Lieferungen aus Havanna unter ihren Kunden zu verteilen. Dabei ist die Hackordnung ziemlich klar. Zuerst kommen die La-Casa-del-Habano-Geschäfte, dann die Läden der Habanos Spezialisten sowie der Habanos Points. Für viel mehr reicht es meistens nicht mehr. Auch, weil Intertabak das eigene Lager für noch härtere Zeiten wappnen will.

Für die helvetische Gastronomie sind das schlechte Neuigkeiten. Die Chancen, als Restaurant oder Bar direkt von Intertabak beliefert zu werden, stehen bei quasi null. Regionale Zigarrenfachhändler versorgen die Gastro- und Hotelbetriebe zwar immer noch, allerdings sind viele nicht mehr bereit, den sonst üblichen Gastrorabatt von 30 Prozent zu gewähren, da sie die Zigarren selbst jederzeit verkaufen können. Kein Wunder steigt die Versuchung, auf Händler von Zigarren dubioser Herkunft zurückzugreifen. Ob die Ware dabei echt ist oder nicht, scheint viele Gastronomen gar nicht richtig zu interessieren. Unrealistische tiefe Einkaufspreise sind ein starkes Indiz für Fälschungen. Zudem lässt sich die Vergangenheit von Cubaruedi mittels Google innert 20 Sekunden recherchieren – wenn man denn will.

Manuela Summer, Operations Manager bei der The Tao Group AG, räumt denn auch ein, dass die verantwortlichen Mitarbeiter in der Tao's Bar «zu leichtgläubig und naiv gehandelt haben.» Glücklicherweise seien nur wenige dieser Zigarren verkauft worden, den Rest habe man mittlerweile aus dem Humidor entfernt. Wie lange die falschen Kubaner tatsächlich im Sortiment waren, sagt das Tao's auf Anfrage allerdings nicht. «Wir können versichern, dass alle anderen Produkte, die wir anbieten, bei renommierten Händlern gekauft werden», so Summer. Gäste, die gefälschte kubanische Zigarren im Tao's gekauft hätten, würde man auf Anfrage entschädigen. 

Sicher ist: Das Tao's ist kein Einzelfall. Auch im Steakhouse Meat Me im Zürcher Kreis Vier sind wir auf gefälschte Zigarren gestossen. In diesen Fall ist die Verbindung zu Cubaruedi offensichtlich. Dieser sitzt bei unserem Besuch nämlich in fröhlicher Runde höchstpersönlich an der Bar. Laut Servicemitarbeiter beliefert Ruedi R. das Restaurant mit Cohiba-Zigarren. Wir erstehen für 80 Franken eine fast schon plumpe Behike-Fälschung. Die Länge der Zigarre stimmt mit keinem der offiziellen Formate überein, dazu fehlt auf der Banderole der Relief-Druck.

Mit dem Befund konfrontiert reagiert Geschäftsführer Astrit Nrecaj betroffen und mit grosser Offenheit. «Unser Hauptlieferant ist die Firma Villiger, von der wir auch den Humidor haben, dazu beziehen wir Zigarren von Oettinger Davidoff sowie von den Zürcher Fachhandlungen Manuels und Wellauer.» Auf Drängen von Stammgästen habe er vor rund zwei Jahren auch gewisse Formate von Cubaruedi ins Sortiment aufgenommen. «Die Kisten und Rechnungen waren immer einwandfrei», so Nrecaj. Die gefälschte Cohiba Behike habe indes nicht Cubaruedi, sondern ein Stammgast mitgebracht. «Die war eigentlich gar nicht für den Verkauf vorgesehen», so Nrecaj. Die Longfiller von Cubaruedi würden im Meat Me ab sofort aus dem Sortiment genommen. 

Verantwortlich für den Schutz der kubanischen Zigarrenmarken in der Schweiz ist die Intertabak AG. Laut CEO Tony Hoevenaars befolgt das Unternehmen bei Verdachtsfällen ein klar definiertes Vorgehen. So werden etwa die Beweise schnellstmöglich gesichert. Zudem werden die am Fälschungshandel beteiligten Personen aufgefordert, die Produkte unverzüglich aus dem Verkauf zu nehmen und sie entweder von den zuständigen Behörden vernichten zu lassen oder Intertabak zur Vernichtung zu übergeben. 

Nachdem der Cigar-Recherche von 2018 habe Hoevenaars Vorgänger Rudolf R. alias Cubaruedi kontaktiert. Dieser habe daraufhin den Handel von gefälschten Havannas sofort eingestellt und die Zigarren vom Markt genommen. «Da es sich um einen Wiederholungsfall handelt, werden wir den Vorfall höchstwahrscheinlich sofort melden, wenn wir Beweise finden», so Hoevenaars.

Rudolf R. alias Cubaruedi war am Donnerstag fĂĽr eine Stellungnahme weder per Mail noch per Telefon zu erreichen.
 

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